Befangenheit der SBV? (Allgemeines)

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Monday, 16.05.2016, 10:20 (vor 2894 Tagen) @ garda

Text ist aufgrund gesetzlicher Änderungen nicht mehr aktuell!!!

Hallo garda,

anders als ein Betriebsrat ist eine Schwerbehindertenvertretung kein Organ, sondern eine „Ein-Personen-Institution“ (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der oder die Stellvertreter treten im Fall der Verhinderung der Vertrauensperson der Schwerbehinderten an deren Stelle, es bleibt bei einer Ein-Personen-Institution. Bereits dies spricht gegen eine Übertragung von Befangenheitsregeln, die für die Mitglieder mehrköpfiger Gremien gelten (BAG, Urteil vom 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 -).

Darüber hinaus fehlt es dem Schwerbehindertenrecht an einer hinreichend offenen Vertretungsregelung. Die Vertretung der Vertrauensperson durch das stellvertretende Mitglied wegen Betroffenheit in eigener Sache sieht das Gesetz gerade nicht vor.
Anders als § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Vertretung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds durch ein Ersatzmitglied spricht § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch nicht allgemein von „zeitweiliger Verhinderung“, was auch die Verhinderung aus Rechtsgründen, etwa wegen Befangenheit, einschließen kann. Es ist nur die Rede von der Verhinderung der Vertrauensperson „durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben“. Der Fall der Betroffenheit in eigener Sache ist im Gesetz nicht vorgesehen (BAG Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11, Rn. 32 = BAGE 142, 351 = BehindertenR 2013, 18). „Abwesenheit“ ist dabei eng zu verstehen, etwa infolge Urlaubs, Krankheit, Kur, Dienstreise oder Fortbildungsmaßnahmen. Eine „rechtliche Verhinderung“ ist kein Fall der Abwesenheit (BAG, Urteil vom 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 -).

Vor allem aber sprechen Erwägungen der Gesetzessystematik gegen eine „Befangenheit“ der Schwerbehindertenvertretung im Rechtssinne.

Die Schwerbehindertenvertretung kann schon deswegen nicht „Richter in eigener Sache“ sein, weil ihr weder eine eigene Entscheidungsbefugnis zukommt noch – anders als bei betrieblicher Interessenvertretung – Mitbestimmungsrechte oder Zustimmungserfordernisse von Gesetzes wegen vorgesehen sind.

Nach der geltenden Gesetzeslage besteht daher kein Bedürfnis, Regeln für den Fall einer Selbstbetroffenheit zu schaffen (BAG, Urteil vom 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 -).

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Herzlichen Gruß
Hans-Peter


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