AGG <- BAG <- GG (Allgemeines)

MatthiasNRW, Tuesday, 14.02.2017, 11:35 (vor 2621 Tagen) @ Katharina Schwarzenborn

Hallo,

lt. Urteil vom BAG vom 12.10.2010 - 9 AZR 554/09 heißt es

"Art. 33 Abs. 2 GG begründet für jeden Bewerber auf öffentliche Ämter ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in Art. 33 Abs. 2 genannten Auswahlkriterien im Sinne der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Das gilt auch für Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können."

Nehmen wir mal an, es bewirbt sich ein Schwerbehinderter im Hause, der aufgrund der Stellenausschreibung, der erfüllten Voraussetzungen und letztlich nach dem GG und dem AGG zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müsste, was aber aufgrund eines internen Fehlers im Hause nicht geschehen ist.

Das Haus kann beweisen, dass die Nichteinladung nicht auf die Schwerbehinderung zurückzuführen ist. Die SBV, die Agentur für Arbeit, der PR ... alle wurden informiert. Auch sonst wurden alle anderen Schwerbehinderten eingeladen.

Jetzt kommt aber o. g. BAG-Urteil, in dem steht, dass alle, also logischerweise auch Schwerbehinderte, ein Recht auf ein rechtsfehlerfreies Bewerbungsverfahren haben.

Da ja ein interner Fehler vorliegt, ist das Bewerbungsverfahren ja nun einmal nicht mehr rechtsfehlerfrei.

Was kommt jetzt letztlich zum Tragen bei einem richterlichen Urteil, wenn es um die Zahlung einer Entschädigungssumme i. R. d. AGG gehen würde?

Dass das Haus beweisen kann, dass der Schwerbehinderte nicht aufgrund der Schwerbehinderung nicht eingeladen wurde oder dass das Bewerbungsverfahren nicht rechtsfehlerfrei war und dem Schwerbehinderten somit eine Entschädigungssumme zusteht?

Aus dem o. g. Urteil geht hervor, unter welchen Umständen auf Grundlage des Art. 33 Abs. 2 GG ein Anspruch auf Schadenersatz besteht:

"Dem zurückgewiesenen Bewerber stehen allerdings nur dann Schadensersatzansprüche zu, wenn ihm anstelle des Konkurrenten das Amt hätte übertragen werden müssen (...) Dies erfordert eine Reduktion des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens auf Null. Eine solche Reduktion ist nur anzunehmen, wenn der zurückgewiesene Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber ist." (Rdnr. 68)

Also kein Anspruch auf Schadenersatz wegen rechtsfehlerhafter Vorgehensweise, sondern nur bei Verletzung des Grundsatzes der Bestenauslese.

Die unterbliebene Einladung ist erstmal eine geeignete Hilfstatsache für das Vorliegen einer Diskriminierung nach AGG (BAG, 16.02.2012, 8 AZR 697/10). Arbeitgeberseitig ist dann der Gegenbeweis zu führen, der allerdings über das Maß einer Schutzbehauptung hinausgehen muss.


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