Freistellungsantrag (Freistellung)

Andreas Huckschlag @, Monday, 11.06.2007, 11:55 (vor 6165 Tagen) @ Apanatshi

Hallo Andrea,

der gesuchte Artikel von Dr. Horst Cramer ist in der NZA (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Heft 13/2004, Seite 705, abgedruckt. Ich selbst kenne keinen weiterführenden Link dorthin, sondern habe ihn mir aus unserer Bibliothek besorgt.

Dabei bezieht sich Dr. Cramer hinsichtlich der Freistellungsfrage auf die erweiterten Rechte zur Heranziehung des 1. bzw. 2. Stellvertreters gem. § 95 Abs. 4 SGB IX. Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung für diese Erweiterung laute, dass in Betrieben/Dienststellen mit mehr als 100 bzw. 200 schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten die Aufgabenbelastung für die Vertrauensperson schon so hoch sei, dass sie ohne Heranziehung des 1. bzw. ggf. auch 2. Stellvertreters nicht leistbar sei. Die Vertrauensperson müsse nicht von diesem Recht Gebrauch machen, sondern könne sich stattdessen vollständig freistellen lassen.

Grundsätzlich kann man sich zusätzlich darauf berufen, dass der Wortlaut und die Möglichkeiten des § 96 Abs. 4 SGB IX nahe legen, dass der Arbeitsaufwand erheblich ist und deswegen auch beim Unterschreiten der 200er-Grenze eine volle Freistellung gerechtfertigt ist. Dies sollte m.E. jedoch in einem komplexen Freistellungsantrag nur ein Bonuspunkt sein, da im Vordergrund die konkrete Darlegung des Aufgabenumfangs, der Besonderheiten (z.B. dezentrale Strukturen, ggf. besonders zeitintensive Betreuung von Einzelfällen aufgrund von Art und Schwere der Behinderung, ggf. Doppelbelastung durch weitere Verpflichtungen z.B. in anderen Gremien oder Stufen, ggf. Auswirkungen der eigenen Behinderung als Grund für erhöhten Zeitaufwand substantiiert darlegen. Daneben bietet es sich an, die Vorteile für den Arbeitgeber bei voller Freistellung der Vertrauensperson im Hintergrundgespräch darzulegen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch der rechnerische Ansatz ( z.B. 150 zu betreuende schb./glgst. Beschäftigte = mindestens 75 Prozent Freistellung) hilfreich ist. Dieser Ansatz wird zwar nicht von der Fachliteratur aufgegriffen, entspricht pragmatisch jedoch eher dem gesunden Menschenverstand als eine wochenlang aufgezeichnete Protokollierung eigener Aktivitäten auf dem Gebiet der Schwerbehindertenvertretung).

Zur Erleichterung der Darstellung des Aufgabenspektrums füge ich Ihnen eine Aufzählung bei, die ich allerdings für einen Kollegen der Gesamtschwerbehindertenvertretung einer dezentral aufgebauten Behörde verfasst habe. Ich hoffe, dass dieses Beispiel Ihnen hilft, einen ähnlich konkreten Aufgabenkatalog abgestimmt auf Ihren Bereich aufzustellen:

"Tatsächliches Aufgabenspektrum:

Der tatsächliche Aufgabenumfang der Funktionen korrespondiert mit den Aufgaben der Personalräte der jeweiligen Ebene. Auszugsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier angeführt:

• Persönliche Beratung sowie die Betreuung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten am Dienstort ......

• Telefonische Beratung und Information aller schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Beschäftigten des .....

(insbesondere zu den Themen des GPR wie Anwendung und Probleme bei Dienstvereinbarungen, Beurteilungsangelegenheiten, Leistungsbezahlung, Ablehnung von Anträgen bei Teilzeit, Um- oder Versetzung, Informationen über Altersteilzeit, Konflikte am Arbeitsplatz, Abmahnungen, Kündigungen, etc.)


• Auskünfte zu aktuellen schwerbehindertenspezifischen und sozialpolitischen Entwicklungen (Rentenreform, Gesundheitsreform, Änderungen im Feststellungsverfahren usw.)

• Information und Unterstützung nichtbehinderter und behinderter Beschäftigter, die Feststellungs- oder Verschlimmerungsanträge beim Versorgungsamt sowie Gleichstellungsanträge bei der Bundesagentur für Arbeit stellen einschließlich der Hilfestellung zur Formulierung von Widersprüchen und Klagen

• Beratung und Mitwirkung bei der behindertengerechten Arbeitsplatzausstattung

• Ansprech- und Auskunftsperson für Vorgesetzte und Führungskräfte im gesamten ...... (z.B. bei individuellen Personalproblemen, Handhabung und Auslegung der Vorschriften, behindertengerechten Mitarbeitereinsatz)

• Mitwirkung bei Personalmaßnahmen
• Teilnahme an Personalgesprächen
• Teilnahme an Auswahlverfahren, wenn schwerbehinderte Bewerber dabei sind
• Mitwirkung und Überprüfung der richtigen Teilnehmerauswahl bei innerbetrieblichen Fortbildungsveranstaltungen gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IX
• Teilnahme am Beurteilungsverfahren durch Gespräche mit dem schwerbehinderten Beamten, dem Erstbeurteiler und durch Teilnahme an der Beurteilungseröffnung sowie der Beurteilerkonferenz

• Beteiligung an den Kontingentverhandlungen über Beförderungsentscheidungen

• Beteiligung bei der Vergabe von Leistungsprämien- und –stufen im Rahmen der Leistungsbezahlung für Beamte

• Teilnahme an Gesprächen im Rahmen der Umsetzung der leistungsorientierten Bezahlung sowohl als Mitglied der Paritätischen Kommission als auch bei der Vereinbarung von Leistungszielen, Zwischenständen und Abschlussbewertungen

• Teilnahme an Personalführungsgesprächen

• Teilnahme an den regelmäßigen Sitzungen des Begleitgremiums zu Arbeitszeitregelung
• Teilnahme an den regelmäßigen Sitzungen des GPR und dessen Ausschüssen
• Teilnahme am Vorstandsgespräch mit der Behördenleitung
• Teilnahme an Jour-Fixe-Terminen
• Teilnahme an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses
• Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt, der örtlichen Fürsorgestelle sowie der Bundesagentur für Arbeit
• Besuch von Fortbildungsveranstaltungen
• Vor- und Nachbereitung der Besprechungen und Sitzungen
• Regelmäßiges Lesen und Auswerten von Fachzeitschriften, Gesetzen, Kommentaren, aktueller Rechtsprechung / Urteile
• Mitarbeit bei der Verhandlung über Inhalte, Ausgestaltung und Umsetzung von Dienstvereinbarungen (z.B. Leistungsorientierte Bezahlung, Einrichtung und Verteilung von Telearbeitsplätzen, Arbeitszeit, Beurteilung, Beförderung, EPOS, Sucht am Arbeitsplatz)
• Abschluss und Fortentwicklung einer Integrationsvereinbarung gem. § 83 SGB IX
• Betriebliches Eingliederungsmanagement und Prävention gem. § 84 SGB IX
• Betriebliche Gesundheitsförderung
• Projektbegleitung
• Befassung mit aktuellen personalwirtschaftlichen, organisatorischen und haushaltsrechtlichen Themen (Einrichtung von Kompetenzzentren, Aufbau des ..., Umverteilung von Aufgaben innerhalb des ... und seinen Dienststellen, Einführung elektronischer Dienstausweis, Personalentwicklungskonzepte, Aufstiegsverfahren in allen Laufbahnen, Qualitätsmanagement, Leitbild, Krankenstand, Geschäftsordnung, Zielvereinbarungen u.a.)
• Kontinuierlicher Informationsaustausch, Akteneinsicht und Recherche global und einzelfallbezogen mit den zuständigen Stellen im ... sowie den Personal- und Schwerbehindertenvertretungen
• Regelmäßige Information über fachspezifische Themen und aktuelle Entwicklungen im ... und ggf. erforderliche Unterstützung der örtlichen Schwerbehindertenvertretungen in .....
• Vorbereitung und Durchführung mindestens einer jährlichen Versammlung der Schwerbehindertenvertretungen im ... gem. § 95 Abs. 6 i.V.m. § 97 Abs. 8 SGB IX
• Teilnahme an Personalversammlungen
• Teilnahme an den regelmäßigen Versammlungen der Hauptschwerbehindertenvertretung"


Viel Glück und Erfolg bei Ihrem Vorhaben wünscht Ihnen

Andreas Huckschlag

(Hauptschwerbehindertenvertretung im Bundesinnenministerium)

Email: Andreas.Huckschlag@bamf.bund.de
Tel: 01888/681-1933


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion