SGB IX §81 und §95, Bewerbung und Unterrichtungspflicht (Umgang mit Arbeitgeber)

hfmweid ⌂, Bamberg, Bayern, Friday, 21.06.2013, 12:08 (vor 3964 Tagen)

Hallo,

mein Arbeitgeber und der BR-Vorsitz sind der Meinung das die SBV nur dann zu informieren ist wenn es sich nur um SB-Mitarbeiter handelt. Ich als SBV bin aber der Meinung das die SBV immer informiert werden muss auch wenn es sich um eine "gemischte" (behindert und nicht behinderten MA) Gruppe handelt.
Wer kann mir weitere Argumentationshilfen bzw. weitere rechtliche Grundlagen zu diesen Thema nennen damit ich erneut versuchen kann unsere Personalabteilung zu überzeugen das die Informationspflicht in allen Belangen gegeben ist.
In den geführten Gesprächen hat sich seltsamerweise heruskristalisiert das PL denkt das die Unterrichtungspflicht nur bei "negativen" Angelegenheiten vorliegt und bei "positiven" nicht.
Ich vertrete nach wie vor den Standpunkt in allen Angelegnheiten.

ODER !!!

Ich habe ein Gespräch mit unserer Rechtsabteilung geführt und gebeten mir mitzuteilen Wie der Arbeitgeber Das mit der Informationspflicht und das Thema Bewerbungen versteht.
Ich versucht das Gespräch etwas zusammenzufassen und lege hier wesentliche Bestandteile vom Gespräch mit PL dar.

Hallo .........,

in unserem Gespräch am 06.06.2013 haben Sie der Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu verstehen gegeben, wie der Arbeitgeber den Paragraphen 95, Absatz 2 aus dem Sozialgesetzbuch IX versteht und die Ansicht zur Beteiligung der SBV bei Vorstellungsgesprächen mitgeteilt.

Auszug aus dem angesprochen Gesetz:
§ 95 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung

(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.

Sie meinten das es so zu verstehen ist das nur bei relevanten Angelegenheiten und wenn es sich nur um schwerbehinderte bzw. gleichgestellte MA handelt eine unverzügliche Unterrichtung erforderlich ist.
Sollte es sich um eine Gruppe von Mitarbeitern handeln welche aus behinderten und nicht behinderten MA besteht, dies nicht der Fall wäre das eine Unterrichtung der SBV erforderlich ist.

 Die SBV ist dort zu beteiligen, wo entscheidungsfähige Gremien/Personen vorbereitende oder abschließende Entscheidungen treffen, die einen schwerbehinderten Menschen oder die Schwerbehinderten als Gruppe betreffen. Das Gesetz sieht in § 95 Abs. 2 SGB IX – so meine Auslegung – nicht bei allen Gespräch, das z.B. Arbeitgeber und Betriebsrat oder einzelne Betriebsräte mit dem Arbeitgeber führen, die Beteiligung der SBV vor.
 Eine Beteiligung an Personalgesprächen, bei denen es um Gefährdung des Arbeitsplatzes eines schwerbehinderten Menschen geht, erfolgt selbstverständlich mit ihrer Beteiligung nach § 84 Abs. 1 SGB IX (z.B. Fall Abmahnung).Die SBV hat Ihnen mitgeteilt das Sie dies nicht so sieht sondern in allen Angelegenheiten egal ob es sich nur um behinderte MA handelt oder um eine „gemischte“ Gruppe.
Sie haben das Gespräch mit dem Ausdruck „das ist eben Juristerei“ geprägt.

Ebenso wurde von Ihnen erwähnt das die SBV nicht an Vorstellungsgesprächen teilnimmt auch wenn es einen oder mehrere schwerbehinderte Bewerber gibt, welche zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen sind.

 Wenn es einen schwerbehinderten Bewerber gibt, haben Sie das Recht am Gespräch mit dem schwerbehinderten Bewerber teilzunehmen. Das handhaben wir meines Wissens auch so.Ich bin aber der Auffassung – und das habe ich am 6.6.13 zum Ausdruck gebracht -, dass die SBV nicht an sämtlichen Vorstellungsgesprächen, die in Standort mit nicht schwerbehinderten Menschen geführt werden, teilnehmen kann und muss. Allein bei Standort/PL sind das allein für den Angestelltenbereich 7-10 Vorstellungsgespräche wöchentlich (Dauer je 1, 5 Stunden), in der Recrutingabteilung in Stammsitz, welche eine Vorauswahl trifft, mindestens noch einmal so viele!! Wollen Sie wirklich an allen diesen Gesprächen teilnehmen>( Dann könnten Sie meines Erachtens gleich eine Stelle als Personalreferent besetzen, ist das wirklich Ihr Wunsch>) Sie müssten nach Ihrer Auffassung ja wirklich an sämtlichen Gesprächen teilnehmen, denn keiner weiß, ob nicht vielleicht der letzte von 10 Bewerbern nach 9 nicht schwerbehinderten Bewerbern ein schwerbehinderter Mensch ist und damit hätten ja alle 9 vorherigen Gespräche schon ohne Ihre Beteiligung stattgefunden. So verstehe ich das Gesetz tatsächlich nicht!

Anbei ein Auszug [/b]von dem Gesetz das dies regelt mit Kommentierung;
Nach §81 Abs. 1 SGB IX ist der Arbeitgeber bei Bewerbungen von Schwerbehinderten verpflichtet, die SBV hinzuzuziehen (Abs. 1 S.6). Sobald der Arbeitgeber also erkennen kann, dass es sich bei einem Bewerber oder einer Bewerberin um einen schwerbehinderten Menschen handelt, muss die SBV beteiligt werden.
Eine Ausnahme hiervon ist nach § 81 Abs. 1 S. 10 SGB IX nur zu machen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der SBV ausdrücklich ablehnt.

Die Fett geschriebenen Darstellungen sind Antworten von unsere Hausinternen Juristin welche bei PL mit angesiedelt ist.

Wir (SBV und Arbeitgeber) drehen sich im Kreise.
SBV und AG weichen nicht von Ihrer Meinung ab.

Was wäre für mich als SBV ein geschickter nächster "Schazug" um den AG dazu zu bewegen das Sie sich ans Gesetz halten.
ODER, liege ich tatsächlich so falsch>!>

Bin über jede hilfreiche Unterstützung Dankbar

Mit freundlichen Grüßen
Johannes

--
Es grüsst, Johannes

SGB IX §81 und §95, Bewerbung und Unterrichtungspflicht

hackenberger, Friday, 21.06.2013, 12:33 (vor 3964 Tagen) @ hfmweid

Hallo,

die Rechtslage ist eigentlich ganz klar und alles hier sehr ausführlich auch behandelt worden. Man findet es also in den Forumsbeiträgen und unter A-Z und Urteilen.

§ 95 Abs. 2 besagt, dass der AG die SchwbV beteiligen muss, wenn eine Angelegnheit einen einzelnen Schwb persönlich oder die Gruppe der Schwerbehinderten berühren.

Das Thema, "die Gruppe der Schwerbehinderten berühren/besonders berühren" kann man stets mit dem § 81 Abs. 4 SGB IX gut legen. Denn bei den Themen Arbeitsplatz/ Arbeitsumfeld ist stets der § 81 Abs.4 SGB IX zu beachten.

Beispiel: Wenn es um Themen der Kantine geht. Hier muss gem. § 81 Abs. 4 SGB IX sichergestellt werden, dass auch Behinderte diese ohne Einschränkung nutzen können müssen. Daher ist es ein Thema des § 95 Abs. 2 SGB IX.

Bei Bewerbungen ist der § 81 SGB IX ist das Gesetz auch ganz klar und eindeutig.

Hier sollte man als SchwbV auch darauf achten, dass es hier nicht nur den § 81 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gibt sondern auch den Satz 6 Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an.

Dieser Satz 6 besagt, dass der AG die SchwbV und auch den BR/PR bereits vorher, also bei der Prüfung ob ein freier zu besetzender Arbeitsplatz zur Besetzung mit Schwerbehinderten geeignet ist zu beteiligen. Also vor einer Ausschreibung. Dieses auch jedesmal bei einer geplanten erneuten Ausschreibung, also bei gleichen Ap ggf mehrfach. Denn es könnten sich ja zwischenzeitlich Änderungen am Arbeitsplatz/ Arbeitsumfeld oder möglichen Hilfsmitteln ergeben haben können.

Weiter mit dem Satz 4 Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten

Sofern Bewerbungen Schwerbehinderter vorliegen MUSS der AG der SchwbV die Möglichkeit der Teilnahme an ALLEN Vorstellungsgesprächen ermöglichen. Ziel ist es, die SchwbV muss vergleichen können, dass hier ALLE bewerber gleich behandelt werden, also nicht gegen das SGB IX und ggf AGG § 1 verstoßen wird.

Dieses Recht der Teilnahme kann wie richtig erkannt von betroffenen eingeschränkt werden. Wenn dann aber auch nur für das eine betroffene Vorstellungsgespräch. Weiter gilt auc dann § 95 Abs. 2 SGB IX.

Aber auch dieses alles haben wir hier gut behandelt.

Man kann und sollte den BASchwb § 98 SGB IX hier mit einbinden und auf seine Pflichten und die möglichen persönlichen Folgen für Ihn hinweisen.

Auszug aus Knittelkommentar § 98, Rn 20
Schließlich ist die Aufgabe des Beauftragten des Arbeitgebers gesetzlich allgemein dahingehend umschrieben, dass er „vor allem” auf die Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen zu achten habe (Satz 3). Zu diesen Verpflichtungen gehört, dass
......
– geprüft wird, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können und bei dieser Prüfung die Schwerbehindertenvertretung beteiligt wird (§ 81 Abs. 1 und 6 SGB IX), (Also, § 81 Abs. 1 SGB X)
– die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichtet und vor einer Entscheidung angehört wird (§ 95 Abs. 2 SGB IX),
– die Schwerbehindertenvertretung zu Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hinzugezogen wird (§ 99 Abs. 5 SGB IX),
– die Schwerbehindertenvertretung ihr Amt ohne Behinderung wahrnehmen kann (§ 96 Abs. 2 SGB IX).

Rn 22
Ein Verstoß des Beauftragten gegen die ihm obliegenden Pflichten kann ggf. als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Beauftragte des Arbeitgebers als Personalleiter selbstständig Einstellungen und Entlassungen vornehmen darf. Als mögliche Bußgeldtatbestände nach § 156 SGB IX kommen bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung namentlich in Betracht (vgl. GK-SGB IX / Schimanski Rdnr. 42):
....
– die Beschäftigung unterhalb der gesetzlichen Pflichtquote von 5% nach § 71 Abs. 1 SGB IX (§ 156 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX);
– der Verstoß gegen die Übermittlungs-, Anzeige- oder Auskunftspflichten in § 80 Abs. 1, 2 und 5 SGB IX;
– die unterbliebene oder nicht rechtzeitge vollständige Unterrichtung der in § 80 Abs. 1 Satz 4 und 9 SGB IX genannten Vertretungen;
– die unterbliebene oder nicht rechtzeitige Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung und der weiteren Arbeitnehmervertretungen über die von der Agentur für Arbeit eingegangenen Vermittlungsvorschläge oder die sonstigen Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen für eine freie Stelle gem. § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX (§ 156 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX);
– das Unterbleiben der Erörterung mit der Schwerbehindertenvertretung über Vorschläge der Agentur für Arbeit (§ 81 Abs. 1 S. 7 SGB IX);
– der Verstoß gegen Anhörungs- und Erörterungspflichten gegenüber der Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

Bedeutet: Dem BASchwb droht persönlich ein OWI von bis zu 10.000,- €

Weiter droht ein solches OWI auch dem zuständigen SB der hier handeln müsste. Dem AG drohen Beschlussverfahren.

Aber:
Wenn aber unter den eingehenden Bewerbungen keine von Schwerbehinderten/ Behinderten sind, ist die SchwbV nur bei der Prüfung nach § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX dabei.

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