Weiterbildung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen ablehnen (Seminare / Fortbildung)

Chrissi, Brandenburg, Tuesday, 13.08.2013, 18:41 (vor 3912 Tagen)

Liebe Mitglieder des Forums,

eine den Schwerbehinderten gleichgestellte Mitabeiterin (6h TZ-Kraft)soll arbeitgeberseitig an einer 1-tägigen Pflichtschulung zum Unfallschutz teilnehmen.
Bisher wurden diese Schulungen, die jährlich gefordert werden, von der Unfallkasse kostenlos vor Ort angeboten.

Durch Sparmaßnahmen seitens der Unfallkasse müssen die Teilnehmer jetzt weit fahren und für An- und Abreise jeweils 4 Stunden, insgesamt 8 Stunden zusätzlich in Kauf nehmen.

Die Mitarbeiterin gibt an, dass sie wegen ihrer Einschränkungen nur 6 Stunden arbeite eine 14 stündige Belastung (Schulung + Fahrtweg) gesundheitlich nicht verkraftet.

Hat sie das Recht, diese Schulung abzulehnen>

Inwieweit ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Mehraufwand für eine eventuelle Schulung vor Ort zu tragen> Unfallschutz, Arbeitsschutz ist ja elementare Aufgabe des Arbeitgebers.

Hat jemand Erfahrungen mit dem Antrag "Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten" nach §24 SchwbAV>
Könnte eine entsprechende Antragstellung in dem oben geschilderten Fall Aussicht auf Erfolg haben, um eventuell höhere Schulungskosten durch ein wohnortnäheres Schulungsangebot zu finanzieren>

Welche Ideen hättet ihr noch zu diesem Sachverhalt>

Danke im Voraus für eure Mühe

Gruß
Christine

Weiterbildung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen ablehnen

hackenberger, Tuesday, 13.08.2013, 19:15 (vor 3912 Tagen) @ Chrissi

Hallo,

1. Reisezeiten sind idR lt. BAG keine Arbeitszeiten, denn man kann sich auf der Fahrt ausruhen. Also nicht die Beladtung wie bei der Arbeit. Daher greift hier auch nicht das ArbZG.

2. da hier nur ein GDB kleiner 50 besteht, dürften die Einschränkungen aus den Gründen der Behinderung auch nicht so schwerwiegend sein. Denn sonst würde sie einen höheren GdB ja wohl erhalten.

Fazit: Sie wird wohl diese Teilnahme nicht verweigern können. Zu mindest kann ich aus den oben beschriebenen Gründen keinen Verweigetungsgrund erkennen. Auch nicht aus dem SGB IX.

PS: Macht sie auch ggf Urlsub an Zielen mit längerer Anreise> Wenn ja müsste sie sich fragen lassen wie so geht dieses>

Hinweis: Auch als SchwbV sollte man Anliegen Betroffener stets auch mal kritisch hinterfragen und pfüfen. Also nicht "blind" als richtig und wichtig angehen. Auch einmal Betroffenen eine nicht für sie positive Antwort/ Aussage geben. Denn wenn man dich "ungeschickt" einsetzt, riskiert man das Verständnis und Akzeptanz in wichtigen und richtigen Themen.

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hackenberger, Tuesday, 13.08.2013, 19:18 (vor 3912 Tagen) @ hackenberger

Hallo,

was ich vergessen hatte. Aus den gleichen Gründen wird es hier wohl auch nicht die gewünschten Mittel geben.

Weiterbildung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen ablehnen

Chrissi, Brandenburg, Tuesday, 13.08.2013, 20:09 (vor 3912 Tagen) @ hackenberger

Hallo,

danke für deine schnelle Antwort!

» 1. Reisezeiten sind idR lt. BAG keine Arbeitszeiten, denn man kann sich auf
» der Fahrt ausruhen. Also nicht die Beladtung wie bei der Arbeit. Daher
» greift hier auch nicht das ArbZG.

Trotzdem würde ich sagen, dass eine Gesamtreisezeit von 8 Stunden am Tag in teilweise überfüllten Regionalzügen eine Belastung und keine Erholung darstellen (eigene Erfahrung), zumal sie spätestens 5:30 Uhr das Haus verlassen müsste.

» 2. da hier nur ein GDB kleiner 50 besteht, dürften die Einschränkungen aus
» den Gründen der Behinderung auch nicht so schwerwiegend sein. Denn sonst
» würde sie einen höheren GdB ja wohl erhalten.

Der GdB von 40 wird hauptsächlich durch eine psychische Erkrankung verursacht, ich sag mal Depressionen.


»
» PS: Macht sie auch ggf Urlsub an Zielen mit längerer Anreise> Wenn ja
» müsste sie sich fragen lassen wie so geht dieses>

Kann ich jetzt leider nicht sagen.

» Hinweis: Auch als SchwbV sollte man Anliegen Betroffener stets auch mal
» kritisch hinterfragen und pfüfen. Also nicht "blind" als richtig und
» wichtig angehen. Auch einmal Betroffenen eine nicht für sie positive
» Antwort/ Aussage geben. Denn wenn man dich "ungeschickt" einsetzt, riskiert
» man das Verständnis und Akzeptanz in wichtigen und richtigen Themen.

Wir haben ihren aktuellen kurzfristigen Schulungstermin in Absprache mit der Leiterin abgesagt und ihr mitgeteilt, dass gemeinsam mit dem Arbeitsschutzbeauftragten geprüft wird, inwiefern eine wohnortnähere Schulung zum Unfallschutz ermöglicht werden kann, ihr aber auch gesagt, dass sie generell um eine Pflichtschulung nicht herumkommt.
Deshalb auch die Frage, ob ein Antrag nach § 24 SchwbAV Erfolg haben könnte um vielleicht einen anderen Anbieter zu wählen.

Ist jetzt nicht böse gemeint, in erster Linie bin ich Interessenvertretung und gehe davon aus, dass jemand seinen Grad der Behinderung nicht im Lotto gewinnt. Der eine kann mit einem GdB 100 gut leben und arbeiten und der andere hat mit GdB 40 so seine Probleme (meine Erfahrung). Ich bin kein Arzt, um über den Gesundheitszustand einer Mitarbeiterin zu urteilen, bin aber um Kompromisse bemüht, mit denen beide Seiten leben können.

Im schlimmsten Fall würde sie sich nach Anraten einer Beraterin des IFD zur Schulung krank schreiben lassen. Das halte ich persönlich für keine gute Lösung.

Nochmals danke für deine Antwort. Bin an weiterer Diskussion und Meinungen interessiert.

LG

Christine

Weiterbildung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen ablehnen

hackenberger, Tuesday, 13.08.2013, 21:15 (vor 3912 Tagen) @ Chrissi

Hallo,

habt ihr keine Reiseregelung im Betrieb> Denn wenn man um 05:30 das Haus verlassen müsste und ggf auch erst sehr spät zurück kommt, wäre ggf ein Recht auf Übernachtung gegeben> Das wäre wenn dann auch ein Argument im Gespräch mit dem AG betreffend der Suche nach einem anderen Anbietet der ggf mehr kostet.

Gleiches gilt für das Thema Vergütung von Reisezeiten außerhalb der Arbeitszeiten. Auch dieses wäre hier zu mindest ein Verhandlungsthema.

PS: Auch ich war stets für die Koll. da und bin Notfall und wenn es berechtigt war "für sie durchs Feuer gegangen". Doch trotzdem habe ich "nicht zu allem ja und amen gesagt". Auch habe ich bei Notwendigkeit den Koll "den Kopf gewaschen". Manchmal muss man auch nein sagen. Auch weil man für alle Schwbs da ist.

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albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 13.08.2013, 22:38 (vor 3912 Tagen) @ hackenberger

Hallo,

auch hier haben sich die Interessenvertretungen an die eigene Nase zu fassen.
BRe/PRe haben in diesen Fragen Mitbestimmung, die SBV ist im Rahmen des § 95 SGB IX zu beteiligen.
Dies gilt auch für von Dritten auferlegte Pflichtschulungen.
Im Rahmen dieser Mitbestimmung bzw. Beteiligung hätten die Vertretungen diese Gesichtspunkte der erheblichen Belastung durch Reisezeiten geltend machen können.
Das es für derartige Pflichtschulungen zB keine Möglichkeit gibt, diese Inhouse oder in der näheren Umgebung zu erledigen, halte ich für ausgeschlossen.

@Bernhard: Sorry, aber der Vergleich einer (idR weitgehend) selbstbestimmten Urlaubsreise mit einer fremdbestimmten Dienstreise ist schräg.
Und ja, es gibt Einschränkungen durch zB psychische Krankheiten, die mit Mühe und Not einen GdB 30 "einbringen" und trotzdem zu erheblichen Einschränkungen in der Teilnahme am sozialen Leben wie zB langen Zug- oder Autofahrten bedingen. Ähnliches gilt evtl. auch für chronische Schmerzsyndrome, schwere Wirbelsäulenschädigungen in nur einem WS-Abschnitt und noch Einiges mehr

--
&Tschüß

Wolfgang

Weiterbildung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen ablehnen

hackenberger, Tuesday, 13.08.2013, 23:52 (vor 3912 Tagen) @ albarracin

Hallo Wolfgang,


» @Bernhard: Sorry, aber der Vergleich einer (idR weitgehend)
» selbstbestimmten Urlaubsreise mit einer fremdbestimmten Dienstreise ist
» schräg.
Ich habe es nicht verglichen. Ich habe nur erwähnt, dass sich hier dann Fragen auch Verständnisfragen ergeben können. Das ist schon ein Unterschied zum Vergleich.

Es ist auch so, wenn ein Schwerbehinderter sich auf § 124 SGB IX beruft und dann aber einem Nebenjob, also zusätzlicher Arbeit nachgeht. Auch dann können sivh Verständnisfragen ergeben.

» Und ja, es gibt Einschränkungen durch zB psychische Krankheiten, die mit
» Mühe und Not einen GdB 30 "einbringen" und trotzdem zu erheblichen
» Einschränkungen in der Teilnahme am sozialen Leben wie zB langen Zug- oder
» Autofahrten bedingen. Ähnliches gilt evtl. auch für chronische
» Schmerzsyndrome, schwere Wirbelsäulenschädigungen in nur einem WS-Abschnitt
» und noch Einiges mehr.

Das will ich ja auch alles nicht in Abrede stellen. Doch lange, länger Reise/ Fahrtzeiten können auch für Nichtbehinderte gleicher Maßen belastbar sein.

Schwerbehinderte und Gleichgestellte können sich aber auch nur auf die Rechte und Schütze aus dem SGB IX berufen, sofern sich hier Beeinträchtigungen aus den anerkannten Gründen ergeben. Das ist per Urteil, in welchem es um eine Kündigung ging, so entschieden. Einem Sachverhalt mit grundsätzlich hohen gesetzlichen Schutz.

Es ist somit wie Du ja auch richtig angedprochen hast ein grundsätzliches Thema. Also ein Thema für die BR/PR da es alle AN betrifft und belasten kann. Denn diese langen Reisezeiten plus der Veranstalltungszeiten sind für sehr viele AN große Belastungen und auch aus familieären Gründen oft nicht händelbar. Bei insgesamt 8 Std. Reisezeit plus 6-8 Std. Veranstaltung, also vor 6:00 Uhr aus dem Haus und nach 20:00 Uhr rückkehr, sehe ich es eigentlich nicht mehr als eintägige Dienstreise.

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Eva_1, Bayern, Wednesday, 14.08.2013, 14:05 (vor 3912 Tagen) @ hackenberger

Hallo liebe Mitstreiter,

also ich bin ertsmal sprachlos.
Welcher Arbeitgeber macht denn so etwas>
Da frage ich mich ob die öffentliche Hand immer noch zuviel Geld hat>

In der "freien Wirtschaft" stellt der AG für die jährlichen Arbeitssicherheitstrainings entsprechend befugte MA ab.
Man muss sich das mal durchrechnen, je nach Personenzahl, Reisekosten, Arbeitsausfall .... unglaublich.

Zum Thema Reisen in der Freizeit und Reisen im Job ein kurzes Statement.
Egal was im Recht im Moment existiert, kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen, dies sind zwei völlig verschiedene Stiefel. Ich reise auch in der Freizeit und nur da. Dort kann ich Pausen machen, wie ich es benötige. Es fällt nicht auf, wenn ich nach der Anreise länger Pause benötige um mich überhaupt auf etwas konzentrieren zu können, und und und.
Im Zweifelsfall muss eben neues Recht gesprochen werden.

Liebe Grüße

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Chrissi, Brandenburg, Wednesday, 14.08.2013, 18:13 (vor 3911 Tagen) @ Eva_1

Hallo an alle,

erstmal Danke für die rege Diskussion. Ein paar Worte zur aktuellen Entwicklung der Geschichte.

Ich habe mich heute mit der Unfallkasse in Verbindung gesetzt.

Zunächst gibt es noch ein weiteres Seminarangebot im November an einem deutlich näheren Schulungsort. Die Fahrzeit würde sich um die Hälfte reduzieren. Sie wäre also nur noch 2 Stunden mit der Bahn unterwegs, müsste statt um 5:25 Uhr erst um 7:00 Uhr losfahren. Fährt sie mit dem Auto, ist sie in einer guten Stunde dort. Plätze sind auch noch frei.

Weiterhin ist es wirklich so, wie Wolfgang sagt, dass die Unfallkasse auch kostenlos vor Ort schult. Bedingung ist, das 15 Seminarteilnehmer zusammen kommen. Das müsste man dann zukünftig rechtzeitig organisieren. Wer den Quatsch erfunden hat, das Inhouse-Schulungen aus Kostengründen gestrichen wurden, ist mir ein Rätsel.

Habe diese Infos alle in eine E-Mail gepackt und an die Mitarbeiterin, deren Leiterin, den ASB und die Personalverwaltung geschickt. Bin mal auf die Reaktionen gespannt.

Fazit: Nicht immer zu allem ja und amen sagen. Es gibt Leute, die organisieren Schulungen so, dass möglichst viel Stress für Mitarbeiter heraus kommt. ;-)

Liebe Grüße

Christine

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hackenberger, Thursday, 15.08.2013, 09:56 (vor 3911 Tagen) @ Chrissi

Hallo

übrigens auch hier gilt § 81 Abs 4 SGB IX. Immer wenn die Gründe in der anetkannten Behinderung liegen.

Weiter, der Rat des IFD wundert mich. Denn sich hier einfach dann mal krankmelden. Also "AU mit Ansage" kann den Job kosten. Da hätte der IFD lieber auf das Thema § 81 Abs 4 SGB IX hinweisen sollen und anbieten ich prüfe ob Mehrkosten hier ggf bemittelbar sind.

Grundsätzlich ist es immer so, die behinderungsbegingten Kosten / Mehrkosten hat immer der AG zu tragen. Er, der AG kann dann prüfen ob es Leistungen gibt und diese ggf beantragen. Das ist u.a. auch eine Aufgabe des BASchwb.

Die SchwbV kann hier im Rahmen der guten Zusammenarbeit den AG beraten und/ oder untetstützen.

Letztlich, da diese langen Fahrzeiten alle betreffen und ggf belasten, wäre es Thema des BR sich hier zu kümmern.

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