Minderleistung aufgrund einer Schwerbehinderung (Allgemeines)

brunnerj ⌂, Baden-Württemberg, Thursday, 07.11.2013, 07:22 (vor 3830 Tagen)

Hallo,

folgender Sachverhalt liegt vor:
Schwerbehinderter Kollege arbeitet seit 2001 als Ingenieur. Nach einer Tumoropertation 2008 kommt dieser 2009 wieder zurück. Seit dieser Zeit erhöht sich der Leistungsdruck von seinem Vorgesetzten immer stärker. Das geht soweit, dass es zu einer Abmahnung wegen Minderleistung kommt. Das Integrationsamt ist infomiert und begleitet nun die Umsetzung des Schwerbehinderten Kollegen auf eine neue Stelle. Der AG legte nun vor kurzem einen neuen Arbeitsvertag vor. In diesem Arbeitsvertrag wird die neue Tätigkeit (vorher Ingeneiurtätigkeit jetzt Verwaltungstätigkeit) beschrieben und dadurch eine neue Eingruppierung vorgenommen. Zusätzlich wird die Arbeitszeit auf 70% reduziert aber der Vorgesetzte wird bleiben.
Ergänzend sei gesagt, dass sein Nettogehalt nur noch die Hälfte sein wird und er behält sein Vorgesetzten. Das Integrationamt sagt natürlich, dass der AG seine Pflicht dadurch erfüllt hat. Darüberhinaus soll der Schwerbehinderte Kollege zu festen Arbeitszeiten anwesend sein, obwohl es in unserer Firma eine BV zur flexiblen Arbeitszeit gibt. Er erhält auch nicht die Möglichkeit aufgrund der verkürzten Arbeitzeit anstatt 5 Arbeitstage nur 4 Arbeitstage zu arbeiten.

Meine Frage dazu:
Muss der Schwerbehinderte Kollege diese neugeschaffene Stelle so annehmen>

Gruß
Jockel

Minderleistung aufgrund einer Schwerbehinderung

hackenberger, Thursday, 07.11.2013, 09:43 (vor 3830 Tagen) @ brunnerj

Hallo,

es fehlt leider die Aussage einiges.

Macht er heute eine neue/andere Tätigkeit oder die alte im geringerem Umfang>
Also kann er seine alte Tätigkeit lt. ArbV noch ggf in geringerem Umfang wahrnehmen>
Gibt es einen TV der etwas zu diesem Thema aussagt> Also Umsetzung auf einen anderen Arbeitplatz, wenn man die Leistung nicht mehr schafft> Rückstufung bei Leistungsminderung>

Was sagt der BR dazu, er müsste ja im Rahmen einer Versetzung, denn dieses wäre es hier, zustimmen>

Gibt es behindertenbedingte Gründe dafür, dass die Arbeit nur an 4 anstatt an 5 Tagen erfolgen soll/muss>

Eigentlich sollte man nie einfach ohne fachliche rechtliche Beratung einen neuen ArbV unterschreiben. Es reicht im allgemeinen ein Zusatz zum bestehenden ArbV, zB über die Versetzung.

Der Betroffene hat hier die Rechte aus § 81 Abs 4 und 5 SGB IX. Der AG könnte wegen behinderter Bedingter Leistungseinschränkung Mittel, Lohkostenzuschuß aus der SchwbAV als Ausgleich beantragen.

Darauf hätte das IA eigentlich auch hinweisen sollen.

Thema hatten wir diese Tage erst [link=http://www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=16605]hier[/link] schon einmal.

PS: Sofern die Leistungseinschränkung behindertenbedingt ist, hätte man gleich die Abmahnung schon angreifen sollen. Denn diese ist dann nicht § 81Abs 4 SGB IX konform.

Minderleistung aufgrund einer Schwerbehinderung

brunnerj ⌂, Baden-Württemberg, Friday, 08.11.2013, 10:13 (vor 3829 Tagen) @ hackenberger

Hallo Herr Hackenberger,

hier noch die fehlende Angaben:
Momentan macht der Kollege noch seinen Job, soll aber zum 15.11.2013 auf die neue Stelle umgestellt werden. Der Manteltarivertrag der Chemischen Industrie ist hier anzuwenden.
Der Kollege soll aufgrund von Minderleistung 3 Gehaltsstufen herunter gestuft werden und die Stelle wird reduziert auf 70%.
Der BR ist in diesen Fall natürlich beteiligt und begleitet diese Rückstufung aktiv. Zustimmen wird der BR auch nur wenn alles korrekt ist.
Es gibt nach meiner Einschätzung keine behindertenbedingte Gründe die dafür/dagegen sprechen würden ob der Kollege 4 oder 5 Tage arbeitet.

Der Kollege hat auf jeden Fall den neuen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben und erst mal an sein Anwalt gegeben. Im Grunde ist es auch nur ein Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertag, allerdings mit erheblichen neuen Ergänzungen.
Der AG hat bereits Lohnkostenzuschuß beim Integrationamt beantragt.

Ich hoffe Sie haben jetzt ein umfassendes Gesamtbild der Situation. Ich denke das der AG mit diesen neuen Stelle glaubt alles getan zu haben wozu er verpflichtet ist, nur habe ich den Eindruck das da noch mehr gehen würde.

Gruß
Jockel

Minderleistung aufgrund einer Schwerbehinderung

hackenberger, Friday, 08.11.2013, 11:54 (vor 3829 Tagen) @ brunnerj

Hallo,

» hier noch die fehlende Angaben:
Nein leider nicht alle!

» Momentan macht der Kollege noch seinen Job, soll aber zum 15.11.2013 auf
» die neue Stelle umgestellt werden. Der Manteltarifvertrag der Chemischen
» Industrie ist hier anzuwenden.
» Der Kollege soll aufgrund von Minderleistung 3 Gehaltsstufen herunter
» gestuft werden und die Stelle wird reduziert auf 70%.
Was besagt denn der TV zu solchen Fällen.
Denn, erstens erfolgt eine Einstufung in einen TV erst einmal nach der Tätigkeit und nicht nach der Leistung.
Weiter haben idR die TV Regelungen betreffend Rückstufungen.
Also TV nochmals genau lesen!

» Der BR ist in diesen Fall natürlich beteiligt und begleitet diese
» Rückstufung aktiv.
Was bedeutet begleitet aktiv> Ist er dafür und fördert dieses ggf auch>

» Zustimmen wird der BR auch nur wenn alles korrekt ist.
Dann sollte der BR nicht warten sondern handeln und den TV und das SGB IX umsetzen.

» Es gibt nach meiner Einschätzung keine behindertenbedingte Gründe die
» dafür/dagegen sprechen würden ob der Kollege 4 oder 5 Tage arbeitet.
Dann gibt es hier auch keinen Anspruch aus dem SGB IX.

» Der Kollege hat auf jeden Fall den neuen Arbeitsvertrag nicht
» unterschrieben und erst mal an sein Anwalt gegeben. Im Grunde ist es auch
» nur ein Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertrag, allerdings mit erheblichen
» neuen Ergänzungen.
Dann ist er ja eigentlich auf dem richtigen Wege!

» Der AG hat bereits Lohnkostenzuschuss beim Integrationsamt beantragt.
Da passt doch dann etwas nicht. Rückstufung und Lohkostenzuschuss für Ausgleich der Minderleistung! Dann würde der AG ja hier etwas "verdienen". Der Zuschuss soll ja die bedingte Leistungseinschränkung (Minderleistung mag ich nicht) ausgleichen. Somit besteht dann kein Grund mehr für den AG hier den Lohn einzuschränken.

Das sollte man dann ggf auch gemeinsam mit dem IA nochmals besprechen.

» Ich hoffe Sie haben jetzt ein umfassendes Gesamtbild der Situation.
Nein, leider nicht. Siehe Anmerkungen.

» Ich denke das der AG mit dieser neuen Stelle glaubt alles getan zu haben
» wozu er verpflichtet ist, nur habe ich den Eindruck das da noch mehr gehen
» würde.
Ich verstehe dieses mit der "neuen Stelle" nicht. Denn ist es eine Stelle welche es bisher noch nicht gab> Ist es eine neue/andere Art der Tätigkeit>

Ich bin auch der Auffassung, dass der AG hier dann mit einer Änderungskündigung arbeiten müsste. Zumindest wenn der AN nicht einer Änderung des ArbV zustimmt. Doch dieses sollte der Betroffene mit seinem Anwalt besprechen. Bei einer Änderungskündigung müsste der AG den § 85 ff SGB IX beachten

PS: Also SchwbV sollte man stets darauf bestehen, dass ALLE Betroffenen Leistungsträger sind. Nur aus behinderungsbedingten Gründen ggf/teilweise die 100% Leistung eines Betroffenen von der 100% Leistung eines Nichtbehinderten abweiche kann. Doch hierfür sieht das Gesetz extra ja Lösungen vor. Zum einen eine angepasste/ optimale auf die Behinderung abgestimmte Arbeitsplatz/ -umfeldausstattung und ggf finanziellen Leistungen aus der SchwbAV.

Es gibt sogar Fälle, wo bei Betroffenen hier die 100% die 100% von Nichtbehinderten übersteigen. So kannte ich Fälle aus der Vergangenheit. Es ging damals um Beschäftigte im Bereich der technischen Zeichner. Dort hatte man festgestellt, dass zB Gehörlose hier weil sie auf Grund dieser Behinderung weniger abgelenkt waren eine höhere Leistung erbrachten.

Dieses muss eine SchwbV immer so darstellen und nach außen tragen!

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