Vorangsregelung, Vorangsstellung? BEM oder Präventionsverfahren (BEM)

JS, Land Brandenburg, Thursday, 03.12.2015, 11:25 (vor 3073 Tagen)

Hallo liebe Forumsmitglieder,


ich habe schon sehr viel über BEM und Prävention gelesen, jedoch keine eindeutige Anwort gefunden.

Wenn ein SbM ein angebotenes BEM nach längerer Krankheit (insg. mind. 6 Wochen pro Jahr) ablehnt, wäre dann ein Prävemtionsverfahren als Folge zwingend indiziert?

Meine Frage ist dahingehend zu verstehen, dass ein BEM ja eine Freiwilligkeit des MA voraussetzt, und ein Präventionsverfahren (84 Abs. 1 SGB IX) unter Beteiligung der SBV, BR und Integrationsamt im Zweifel auf ohne das Einverständis des "Betroffenen SbM" angeregt und durchgeführt werden kann, um behinderungsbedingte Schwierigkeiten im Beschäftigungsverhältnis erkennen zu können und um das Beschäftigungsverhältnis langfristig zu sichern..

Gibt hierfür eine Regelung (Vorangsprinzip)? Oder wird ein angebotenes BEM nach Ablehnung des MA (und gleichzeitiger Beteiligung des IA) verwaltungsrechtlich automatisch seitens des Integrationsamtes als Präventionsverfahren gewertet/umgedeutet?

Dies zum Beispiel für den fiktiven Fall, dass der MA den Kontakt auch zur SBV oder dem BR nicht wünscht.

Vielen Dank für Eure Anworten.

JS

Vorangsregelung, Vorangsstellung? BEM oder Präventionsverfahren

stefanmann, Essen, Thursday, 03.12.2015, 12:41 (vor 3073 Tagen) @ JS

Hallo!

"Wenn ein SbM ein angebotenes BEM nach längerer Krankheit (insg. mind. 6 Wochen pro Jahr) ablehnt, wäre dann ein Prävemtionsverfahren als Folge zwingend indiziert? "

Eher umgekehrt!
Bei sbM muss erst das Präventionsverfahren nach §84 Abs 1 durchgeführt werden.

Lehnt der sbM dies ab, ist das schlecht. Die BEM würde sich dann auch erübrigen.

Gruß Stefanmann

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Gruß stefanmann

Vorangsregelung, Vorangsstellung? BEM oder Präventionsverfahren

WoBi, Thursday, 03.12.2015, 21:12 (vor 3073 Tagen) @ stefanmann

Hallo,

in den Regelungen zur Prävention in § 84 SGB IX sind zwei Zielgruppen vorgesehen.

Der Absatz 2 bezieht sich auf alle Beschäftigte, also auf behinderte und nichtbehinderte Beschäftigte. Der Arbeitgeber hat nach erreichen von 42 Kalendertagen (= 6 Wochen) innerhalb von 12 Monaten (Nicht Kalenderjahr, oder sonstige Einfälle der Begrenzungen) Arbeitsunfähigkeit (nicht oder ohne ärztlichem Attest / AU) ein BEM-Verfahren einzuleiten. Eine Regelungen zur Durchführung sollte durch Betriebsrat / Personalrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen sein. Eine Nichtdurchführung ist nicht strafbewehrt. Aber im Falle einer Kündigung kann sich ein nicht durchgeführtes BEM für den Arbeitgeber als negativ herausstellen, weil das ultima ratio Prinzip nicht eingehalten wurde.

Der Absatz 1 bezieht sich nur auf schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen die in einem Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen und dieses Beschäftigungsverhältnis aus welchen Gründen auch immer in dessen Fortbestand gefährdet ist.

Das Ablehnen eines BEM-Verfahrens nach § 84 Absatz 2 SGB IX durch einen schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten führt nicht automatisch zu einen Präventionsverfahren nach § 84 Absatz 1 SGB IX. Denn der Arbeitgeber muss aufgrund der Ablehnung nicht eine Gefährdung sehen oder eine derartige Gefährdung des Beschäftigungsverhältnisses überhaupt existieren. Außerdem ist das Integrationsamt nicht automatisch am BEM-Verfahren beteiligt.

Eine Ablehnung des angebotenen BEM-Verfahrens eröffnet den Arbeitgeber den Weg zu einer Kündigung, da er durch die Ablehnung keine Verbesserungsmaßnahmen der Situation einleiten kann. Doch er muss bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten den § 84 Absatz 1 SGB IX hier trotzdem beachten und auch die SBV ist nach § 95 Absatz 2 im Vorfeld zu unterrichten und anhören. Durch die Beratung mit der SBV könnte, der zur Ablehnung des BEM-Verfahrens geneigte Mensch seine Meinung ändern und der Durchführung eines BEM-Verfahrens zustimmen. Deshalb ist es Wichtig, dass die SBV über das Angebot für ein BEM unterrichtet wird. Durch die Anhörung kann z.B. auch erreicht werden, dass der akut kranke Mensch verzögert angeschrieben wird, wenn es den Genesungsprozess gefährdet.

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Gruß
Wolfgang

Vorangsregelung, Vorangsstellung? BEM oder Präventionsverfahren

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 03.12.2015, 22:27 (vor 3073 Tagen) @ JS

Hallo,

soweit sbM betroffen sind, ist § 84 Abs. 1 ggü. Abs. 2 die vorrangige Norm. Abs. 2 ist bei diesem Personenkreis nur eine "zusätzliche Vorsichtsmaßnahme" (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Neumann, SGB IX, § 84 Rn 9).
Deswegen ist bei "Schwierigkeiten" iSd Abs. 1 grundsätzlich ein Verfahren nach § 84 Abs. 1 einzuleiten. Dieses Verfahren ist "unabhängig von der Zustimmung oder Einwilligung des betroffenen sbM" (a.a.O., Rn5)

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&Tschüß

Wolfgang

Vorangsregelung, Vorangsstellung? BEM oder Präventionsverfahren

JS, Land Brandenburg, Saturday, 25.08.2018, 05:41 (vor 2078 Tagen) @ albarracin

Vielen Dank für die Antworten.

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