Befangenheit der SBV? (Allgemeines)

garda, Berlin, Tuesday, 10.05.2016, 14:58 (vor 2898 Tagen)

Hallo,

dürfen SBV auch in eigener Angelegenheit tätig werden oder sind sie da befangen?

Als Ein-Personen-Gremium, das im schlimmsten Fall ohne (anwesenden) Vertreter auskommen muss, stellt sich die Frage, in wie weit man sich quasi selbst in eigenen Angelegenheiten vertreten kann, wenn man sb oder gleichgestellt ist, was ja nicht immer so ist.

Düwell erörtert das in seinem Kommentar zum § 95 unter VI 1. Vertretung durch stellv. Mitglieder RN 23 (4. Auflage, S. 829/830) und kommt im Ergebnis zum Votum nein, geht nicht.
Feldes/Kothe/Stevens-Bartol machen es kurz im Kommentar zum § 94 RN 10 und sagen dort:

Zusätzlich kann sich eine Verhinderung aber auch aus Rechtsgründen ergeben,
wie z. B., wenn die Vertrauensperson durch eine Maßnahme des Arbeitgebers persönlich betroffen ist. Sie kann nicht in
eigener Sache zugleich als Schwerbehindertenvertretung tätig werden.

Für mich stellt sich die Frage, ob nun über eine Befangenheit nicht sozusagen die Mitwirkung der SBV durch die kalte Küche ausgehebelt werden kann? Je nachdem wie weit ich die Befangenheit treibe, kann der der selbst betroffene SBV immer auf eine Befangenheit verwiesen werden.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Befangenheit der SBV?

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 10.05.2016, 16:49 (vor 2898 Tagen) @ garda

Hallo,

Du gibst Dir die Antwort doch selbst. Der BR ist ein Kollegialorgan, die SBV eben nicht. Somit können zwingenderweise auch die Regelungen für ein Kollegialorgan nicht auf eine Ein-Personen-Vertretung übertragen werden.
Ich kann auch überhaupt nichts Kritisierenswertes an den Ausführungen von Düwell finden. Er gibt nur den Mainstream der Rechtsprechung sowie aller Kommentatoren wieder und dieser "Mainstream" ist mE stringent und logisch. Gibt es keine Stellis, existiert zwar eine "Vertretungslücke", aber dann sollte sich auch eine SBV an die eigene Nase fassen, warum es denn keine Stellis gibt.

Im Übrigen solltest Du Dich bei Kommentaren an die allgemein übliche Verweis- und Ziterform mit Paragraph und Randnummer (Rn) halten, dann passieren weniger Fehler und auch verschiedene Auflagen lassen sich evtl. doch noch vergleichen.
Düwell schreibt zur Befangenheit in der 4. Auflage unter § 94 Rn 7 sowie § 95 Rn 23. Das sind dann die Seiten 774 und 830. Unter der von Dir angegebenen Seite 744 steht überhaupt nichts zum Thema Befangenheit.

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&Tschüß

Wolfgang

Befangenheit der SBV?

rolli33, Thursday, 12.05.2016, 08:19 (vor 2896 Tagen) @ garda

Hallo garda,
auch lesenswert hierzu: SGB IX § 95 Abs. 2, Knittel, 8. Aufl., Rn. 48-51, S. 1193-1194

Da dies mein erster Post hier im Forum ist kurz zu mir:
Ich bin seit 2011 SBV und seit 2014 auch Personalratsmitglied (stellv. Vorsitzender) in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. ~300 MA (z.Zt. 319), 16 sbM/GL.

Vielen Dank an alle für die tolle Arbeit hier im Forum.

Befangenheit der SBV?

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Monday, 16.05.2016, 10:20 (vor 2892 Tagen) @ garda

Text ist aufgrund gesetzlicher Änderungen nicht mehr aktuell!!!

Hallo garda,

anders als ein Betriebsrat ist eine Schwerbehindertenvertretung kein Organ, sondern eine „Ein-Personen-Institution“ (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der oder die Stellvertreter treten im Fall der Verhinderung der Vertrauensperson der Schwerbehinderten an deren Stelle, es bleibt bei einer Ein-Personen-Institution. Bereits dies spricht gegen eine Übertragung von Befangenheitsregeln, die für die Mitglieder mehrköpfiger Gremien gelten (BAG, Urteil vom 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 -).

Darüber hinaus fehlt es dem Schwerbehindertenrecht an einer hinreichend offenen Vertretungsregelung. Die Vertretung der Vertrauensperson durch das stellvertretende Mitglied wegen Betroffenheit in eigener Sache sieht das Gesetz gerade nicht vor.
Anders als § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Vertretung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds durch ein Ersatzmitglied spricht § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch nicht allgemein von „zeitweiliger Verhinderung“, was auch die Verhinderung aus Rechtsgründen, etwa wegen Befangenheit, einschließen kann. Es ist nur die Rede von der Verhinderung der Vertrauensperson „durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben“. Der Fall der Betroffenheit in eigener Sache ist im Gesetz nicht vorgesehen (BAG Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11, Rn. 32 = BAGE 142, 351 = BehindertenR 2013, 18). „Abwesenheit“ ist dabei eng zu verstehen, etwa infolge Urlaubs, Krankheit, Kur, Dienstreise oder Fortbildungsmaßnahmen. Eine „rechtliche Verhinderung“ ist kein Fall der Abwesenheit (BAG, Urteil vom 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 -).

Vor allem aber sprechen Erwägungen der Gesetzessystematik gegen eine „Befangenheit“ der Schwerbehindertenvertretung im Rechtssinne.

Die Schwerbehindertenvertretung kann schon deswegen nicht „Richter in eigener Sache“ sein, weil ihr weder eine eigene Entscheidungsbefugnis zukommt noch – anders als bei betrieblicher Interessenvertretung – Mitbestimmungsrechte oder Zustimmungserfordernisse von Gesetzes wegen vorgesehen sind.

Nach der geltenden Gesetzeslage besteht daher kein Bedürfnis, Regeln für den Fall einer Selbstbetroffenheit zu schaffen (BAG, Urteil vom 22. August 2013 - 8 AZR 574/12 -).

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Herzlichen Gruß
Hans-Peter

Befangenheit der SBV?

garda, Berlin, Tuesday, 17.05.2016, 11:11 (vor 2891 Tagen) @ Hans-Peter-Semmler

Lieber Hans-Peter,

vielen Dank für Deine ausführliche und schlüssige Antwort.

Herzliche Grüße
Michael

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

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