Ordnungswidrigkeiten (Umgang mit Arbeitgeber)

Apanatshi, Bayern, Friday, 17.06.2016, 12:56 (vor 2864 Tagen)

Liebe Kollegen,

wir haben seit längerem Probleme in Bezug auf die Unterrichtung der SBV.
Personelle Maßnahmen wie Versetzungen, Abmahnungen, Änderung von Arbeitszeiten, Vorlage der AU am 1. Tag, werden nicht mit der SBV vor einer Umsetzung beraten bzw. sie wird nicht informiert.
Versetzungen, Arbeitszeiten erfährt sie häufig erst durch BR-Vorlage, muss aussetzen lassen zur weiteren Klärung usw.
Wir haben die Nase voll.
Auch erhalten wir keine Informationen über Krankheitsausfälle nach 6 Wochen, speziell bei Sb, keine Information über Wiedereingliederungspläne u.ä.
Sogar die SB-Liste wird nicht aktualisiert bzw. ergänzt, obwohl die Zuständigkeit der SBV für eine Tochterfirma seit Februar 16 Fakt ist. Die Liste wird trotz mehrmaliger Anforderung ohne Gründe zurückgehalten.

Haben wir eine Chance ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. Habe einiges recherchiert und werde langsam unsicher.

Gruß, A.

Ordnungswidrigkeiten

albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 17.06.2016, 13:05 (vor 2864 Tagen) @ Apanatshi

Hallo,

ein OWi-Verfahren ist in der Praxis ein sehr stumpfes "Schwert", da die zuständige AA regelmäßig kein Interesse am Verfahren hat und seeehr viel Verständnis für AGs.

Viel wirkungsvoller ist eine Klage vor dem Arbeitsgericht zur zukünftigen Unterlassung. Das hilft zwar im jeweils aktuellen Fall nicht weiter, setzt aber klare und zT recht hohe finanzielle Folgen für jeden weiteren Einzelfall fest, die richtig wehtun können. Da können dann schon mal pro Verstoß 5-stellige Summen angedroht werden, die auch oberhalb der Bußgeldgrenze des § 156 Abs. 2 SGB IX liegen können, wenn der AG in der Vergangenheit hartnäckig gegen § 95 SGB IX verstoßen hat.

--
&Tschüß

Wolfgang

Ordnungswidrigkeiten

MatthiasNRW, Friday, 17.06.2016, 13:13 (vor 2864 Tagen) @ albarracin

Hallo,

ein OWi-Verfahren ist in der Praxis ein sehr stumpfes "Schwert", da die zuständige AA regelmäßig kein Interesse am Verfahren hat und seeehr viel Verständnis für AGs.

Korrekt.
Die Einnahmen aus den Bußgeldern, die der Ausgleichsabgabe zugute kommen, sind daher auch verschwindend gering. Im LWL-Jahresbericht läuft das vermutlich unter "Sonstige Einnahmen (u. a. Rückforderungen, Kostenbeiträge)". Dass Bußgelder nicht genannt sind, spricht schon für sich.

Manchmal hat das jeweilige Integrationsamt oder ggf. die örtliche Fachstelle (je nach Bundesland) durchaus auch Interesse, den AG an die Verpflichtungen aus dem SGB IX zu erinnern und klärt während eines gemeinsamen Gesprächs auch gerne darüber auf.

Ordnungswidrigkeiten

Apanatshi, Bayern, Friday, 17.06.2016, 13:18 (vor 2864 Tagen) @ albarracin

Na Prima Leute,

Bei einer Klage vor dem Arbeitsgericht zur zukünftigen Unterlassung habe ich natürlich überhaupt keine Erfahrung. Kann ich das als SBV veranlassen oder muss das über BR gehen, vermutlich nicht!
Werde dazu ja wohl auch einen Rechtsanwalt benötigen? oder kann ich mich über ver.di vertreten lassen.

Taktik wäre aber auch nicht schlecht, wenn ich erst ein Ordnungswidrigkeitsverfahren anstrenge, wenns dann immer noch nicht besser wird die letzte Keule Arbeitsgericht, oder was meint ihr?

Gruß A.

Ordnungswidrigkeiten

albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 17.06.2016, 13:27 (vor 2864 Tagen) @ Apanatshi

Hallo,

als eigenständige Arbeitnehmervertretung hast Du natürlich auch ein eigenständiges Recht auf das Beschreiten des Rechtsweges.
Wie das dann konkret funktioniert und was Du dafür tun mußt, erklärt Dir jeder seriöse Fachanwalt und gibt Dir ggfs. die entsprechenden Formulierungen vor. Die wollen sich ja ihr Honorar auch rechtssicher verdienen.

Ob sich Dein AG von einem - evtl. durch die AA verschleppten oder schnell eingestellten - OWi-Verfahren beeindrucken läßt, halte ich für äußerst fraglich - vor allem dann, wenn der AG hartnäckig den § 95 SGB IX mißachtet.

Da wäre mE der dezente Hinweis der SBV - zB im Rahmen einer Aussetzung - auf ggfs. notwendige Klage vor dem ArbG mE wirkungsvoller.

Ansonsten kann evtl. auch die Hinzuziehung des IA wie von Matthias vorgeschlagen evtl. etwas bewirken - vor allem dann, wenn es um die Pflicht des AG nach § 84 Abs. 1 SGB IX geht.

--
&Tschüß

Wolfgang

Ordnungswidrigkeiten

Cebulon, Friday, 17.06.2016, 13:40 (vor 2864 Tagen) @ albarracin

... da die zuständige AA regelmäßig kein Interesse am Verfahren hat

... und da anscheinend Andrea Nahles mit Gefolge als zuständige Aufsichtsbehörde für die BA für Arbeit nur untätig zuschaut. Es ist natürlich auch denkbar, sich mit einer Eingabe oder Aufsichtsbeschwerde nach Artikel 17 des Grundgesetzes an die Aufsichtsbehörde der Bundesagentur für Arbeit zu wenden, also direkt an das BMAS, Telefon (030) 221 911 006

Gruß,
Cebulon

Ordnungswidrigkeiten - Ordnungsgeld?

Cebulon, Sunday, 20.11.2016, 19:30 (vor 2707 Tagen) @ albarracin

Viel wirkungsvoller ist eine Klage vor dem Arbeitsgericht zur zukünftigen Unterlassung."

Hallo, Klage zur "zukünftigen" Unterlassung? Gilt denn das auch für SchwbV so wie beim Betriebsrat? Woraus soll sich das ergeben? Literatur, Rechtsprechung?

Da können dann schon mal pro Verstoß 5-stellige Summen angedroht werden, wenn der AG in der Vergangenheit gegen § 95 SGB IX verstoßen hat.

Nach welcher Rechtsgrundlage im SGB IX sollte das denn gehen zum Beispiel fortgesetzten "hartnäckigen" und vorsätzlichen Verstößen gegen Anhörung in der Vergangenheit etwa bei Abmahnungen? Ich kenne jedenfalls keine.

Gruß,
Cebulon

Ordnungswidrigkeiten

nordihydro, Sunday, 20.11.2016, 23:11 (vor 2707 Tagen) @ Cebulon

Hallo, Klage zur "zukünftigen" Unterlassung? Gilt denn das auch für SchwbV so wie beim Betriebsrat? Woraus soll sich das ergeben? Literatur, Rechtsprechung?

Leider wird der SBV auch dieses Recht abgesprochen. Das LAG Rheinland-Pfalz hat am 19. Juli 2012 – 10 TaBV 13/12 – entschieden, dass die SBV nach § 23 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz nicht berechtigt ist, zum vorbeugenden Unterlassen einer erneuten Pflichtverletzung des Arbeitgebers ein Ordnungsgeld oder die Androhung eines Ordnungsgeldes zu beantragen. - Diese Sanktion scheidet also für die SBV von Gesetzes wegen aus. :-(

Nicht weniger ernüchternd ist die BAG-Entscheidung vom 30.04.2014 – 7 ABR 30/12 –, nach der die SBV noch nicht einmal auf Antrag feststellen lassen kann, dass der Arbeitgeber durch ein bestimmtes Verhalten gegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verstoßen hat. Nach Auffassung des BAG zielt eine solche Feststellung auf die Dokumentation einer in der Vergangenheit liegenden Tatsache und deren rechtliche Bewertung ab, nicht dagegen auf das nach § 256 ZPO erforderliche Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. - Eine Feststellungsklage kann die SBV also auch nicht auf den Weg bringen. :-(

Ordnungswidrigkeiten

Monica99, Monday, 21.11.2016, 11:06 (vor 2707 Tagen) @ nordihydro

Hallo,

wenn man auf ein Urteil verweist, sollte man es auch richtig lesen und werten!

Denn:

Die Anträge festzustellen, dass die Arbeitgeberin durch ein bestimmtes Verhalten gegen § 95 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX verstoßen habe, zielten jeweils auf die Dokumentation einer in der Vergangenheit liegenden Tatsache und deren rechtliche Bewertung, nicht dagegen auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung sei ebenfalls nicht vorgetragen worden.

Also, das BAG hat hier in einer Sache nicht entschieden, da KEIN berechtigtes Interesse zur entsprechenden Feststellung in der Klage vorgetragen wurde.

Die SBV kann aber im Rahmen von Beschlussverfahren Ordnungsgelder beantragen wenn eine AG wiederum gegen das SGB IX im gleichen Sachverhalt verstößt.

--
mfg Monica

Ordnungswidrigkeiten

nordihydro, Monday, 21.11.2016, 14:17 (vor 2707 Tagen) @ Monica99

Hallo,

allein diese Diskussion über juristische Feinheiten zeigt bereits, wie unpraktikabel dieses Instrument für eine SBV ist, um ihre Rechte durchzusetzen. Das Instrument scheint auch so gut wie nicht aufgegriffen zu werden, denn es existiert kaum Rechtsprechung dazu. Außerdem wird eine SBV, die ihrem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld androht oder es sogar durchsetzt, keinen einfacheren Stand im Betrieb haben als zuvor.

Ich würde jedem betriebsinternen Eskalationsverfahren zur Sicherung des Beteiligungsrechts der SBV den Vorzug geben gegenüber dem Gang vor ein Gericht. Wenn eine ohne SBV-Anhörung getroffene Entscheidung des Arbeitgebers in einer Schwerbehindertenangelegenheit nach bisheriger SGB-IX-Rechtslage nicht mehr ausgesetzt werden kann und auch eine rechtliche Intervention des Betriebsrats nicht möglich ist, sollte die Entscheidung schwebend unwirksam sein, bis die Anhörung der SBV nachgeholt worden ist.

Mit einer solchen Regelung wüsste jede/r Beteiligte, was im Falle eines Falle auf sie/ihn zukommt, und Anwälte und Arbeitsgerichte samt ihren Instanzen müssten gar nicht erst tätig werden und sich dabei auch noch noch mit der Frage auseinandersetzen, ob überhaupt eine Antragsbefugnis besteht.

Ordnungswidrigkeiten

Monica99, Monday, 21.11.2016, 14:56 (vor 2706 Tagen) @ nordihydro

Hallo,

man kann sehr wohl via Beschlussverfahren wie auch OWI-Verfahren etwas erreichen was Wirkung zeigt. Man muss halt nur bei OWI-Verfahren sich Mühe geben. Einmal den Sachverhalt und besonders Nachteile für die Betroffenen AN für die externen SB bei den Arbeitsverwaltungen gut, verständlich und nachvollziehbar darstellen. Weiter den persönlichen Kontakt zu den zuständigen SB der Arbeitsverwaltung suchen und reden!! Wichtig ist aber auch, ein OWI bekommt man nur, wenn es Nachteile für SB-Arbeitnehmer aus der Nichtbeteiligung der SBV gibt.

Auch Beschlussverfahren bringen Erfolg.

Beschlussverfahren bei Nichtbeteiligung der SchwbV
Rechtsprechung und zu weiteren Urteilen

--
mfg Monica

Ordnungswidrigkeiten

MagdalenaMayer, Monday, 21.11.2016, 19:40 (vor 2706 Tagen) @ Monica99

Auch Beschlussverfahren bringen Erfolg. Kann sehr wohl via Beschlussverfahren etwas erreichen, was Wirkung zeigt.

Hallo zusammen, verstehe jetzt nur noch Bahnhof! Das LAG Rheinland-Pfalz hat doch am 19.07.2012, 10 TaBV 13/12, rechtskräftig beschlossen, dass die SchwbV nicht berechtigt sein würde, zum vorbeugenden Unterlassen einer erneuten Pflichtverletzung des Arbeitgebers die Androhung eines Ordnungsgeldes zu beantragen und das Erstgericht aufgehoben mit folgendem "amtlichen" Leitsatz:

"Die Schwerbehindertenvertretung ist nach § 23 Abs. 3 BetrVG nicht berechtigt, ein Ordnungsgeld bzw. dessen Androhung zu beantragen."

Wer kennt sich da aus? Kann die SchwbV nun präventiv Klage einreichen bei Verstößen nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX z.B. wg. Nichtanhörung bei Abmahnungen? Und kann diese SchwbV beim Arbeitsgericht die Androhung eines Ordnungsgelds beantragen für künftige Verstöße oder nicht?

--
Magdalena

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