Unterrichtungspflicht - Definition (Umgang mit Arbeitgeber)

Apanatshi, Bayern, Wednesday, 19.10.2016, 09:58 (vor 2739 Tagen)

Liebe Kollegen,
gleich vorab: ich habe Kommentare gewälzt und in den bisherigen Beiträgen gesucht. Leider habe ich aber keine Antwort gefunden, die mir weiterhilft.
Folgender Sachstand:
Der Arbeitgeber leitet immer an einem Mittwoch und Donnerstag dem Sekretariat des Betriebsrates die Beteiligungen zu für die darauffolgende Woche. die Sitzung findet in der Regel immer Mittwochs statt. Die Unterlagen werden in Pdf von der Personalabteilung an die Interessensvertretung gesandt (bis zu 50 und mehr Beteiligungen). Das Sekretariat muss diese Unterlagen erst einmal sortieren und vorbereiten. Am Donnerstag wird die Tagesordnung geschrieben und am Freitag versandt.
Die Tagesordnung erreicht alle BR-Mitglieder und die SBV am Samstag oder Montag darauf. In der Regel erfährt die SBV erst mit diesen BR-Vorlagen von dem Vorhaben den Arbeitgebers einen sb Mitarbeiter zu versetzen, herabzugruppieren, ggf. sogar zu kündigen.
Nach meiner Auffassung ist dies nicht ausreichend. Die Information ist nicht unverzüglich und schon gleich gar nicht umfassend, da in der Regel immer noch Fragen offen sind und mit dem Betroffenen auch gesprochen werden muss. Wir sind darüber hinaus auch noch ein Klinikverbund mit Mehrhäusigkeit an verschiedenen Standorten sowie Tochtergesellschaften, so dass eine Klärung rein aus zeitlichen Gründen (auch unter Berücksichtigung von Schichtdiensten) gar nicht möglich ist innerhalb von 2 Tagen (Montag, Dienstag, Mittwoch bereits Sitzung).
Der Arbeitgeber ist der Auffassung er hätte dem Gesetz genüge getan, ich bin der Auffassung, dass es sich hier um eine Ordnungswidrigkeit handelt.
Wie kann ich jetzt vorgehen? Im übrigen hält sich der ARbeitgeber auch nicht an die Verfahrensweise bei Bewerbungen (keine Absprache mit der SBV, teilweise keine Ladung der SBV zu Bewerbungsgesprächen, insbesondere nicht zu allen.
Es gibt noch zahlreich andere Verstöße und ich bin derzeit soweit eine Ordnungswidrigkeitsanzeige zu verfassen, möchte aber gerade zum Thema Unterrichtungsverpflichtung noch etwas mehr rechtliche Sicherheit haben. Wäre Euch dankbar für schnelle Antworten.

Gruß Apanatshi

Unterrichtungspflicht - Definition

WoBi, Wednesday, 19.10.2016, 11:11 (vor 2739 Tagen) @ Apanatshi

Hallo Apanatshi,

der Betriebsrat ist nicht der "Briefträger" der SBV. Die SBV hat ihren eigenen Unterrichtungsanspruch nach § 95 Abs. 2 Satz 1, den du bereits angesprochen hast. Gerade wenn eine Maßnahme im Raum steht, kann die SBV durch Anwendung von § 95 Abs. 2 Satz 2 die Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen. Damit sollte eine Unterrichtung und Anhörung innerhalb von 7 Tagen durch den Arbeitgeber erreicht werden.

Sollte der Arbeitgeber während dieser Zeit des Aussetzungverlangens der SBV die Maßnahme durchführen, ohne zuvor gegenüber der SBV die Arbeitgeberverpflichtungen nach Satz 1 erfüllt zu haben, wäre die Maßnahme nach § 134 BGB ungültig. Dies müsste die betroffene Person allerdings im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren feststellen lassen.

Die Aussetzungsmöglichkeit wirkt allerdings nicht, wenn eine Maßnahme bereits vollzogen ist. Könnte aber z.B. bei einer Kündigung greifen, wenn die Kündigung noch nicht zugestellt worden ist.

Vor einem Verfahren nach § 156 SGB IX erst Rechtsaufklärung und Beweissicherung durchführen z.B. mit "Kontrollmitteilung" über jeden Verstoß.
Muster unter www.schwbv.de/forum/index.php?id=8161

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Gruß
Wolfgang

Unterrichtungspflicht - Definition

Heinrich, Wednesday, 19.10.2016, 11:20 (vor 2739 Tagen) @ WoBi

Hallo,

Sollte der Arbeitgeber während dieser Zeit des Aussetzungverlangens der SBV die Maßnahme durchführen, ohne zuvor die SBV die Arbeitgeberverpflichtungen nach Satz 1 erfüllt zu haben, wäre die Maßnahme nach § 134 BGB ungültig. Dies müsste die betroffene Person allerdings im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren feststellen lassen.<

Sorry, aber diese Aussage ist unsinn = falsch!

Denn, der AG hat hier NICHT gegen ein Verbot verstoßen.

BGB § 134
Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Der AG hat "gegen Beteiligungsrechte der SBV, NICHT gegen Rechte des AN" verstoßen.

Die SBV kann und sollte sofern der BR hier die Zustimmung wegen Verstoß gegen das SGB IX verweigern. Falls der BR doch zustimmt, kann und sollte die SBV den Beschluss aussetzen.


Die Ungültigkeit ist eine alte Forderung der SBVn, die der Gesetzgeber aber so nicht gewollt hat und auch nicht im Gesetz umsetzen will.

Unterrichtungspflicht - Definition

WoBi, Wednesday, 19.10.2016, 11:41 (vor 2739 Tagen) @ Heinrich

Hallo Heiner,

"Sollte der Arbeitgeber während dieser Zeit des Aussetzungverlangens der SBV die Maßnahme durchführen, ohne zuvor die SBV die Arbeitgeberverpflichtungen nach Satz 1 erfüllt zu haben, wäre die Maßnahme nach § 134 BGB ungültig. Dies müsste die betroffene Person allerdings im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren feststellen lassen.<
Sorry, aber diese Aussage ist unsinn = falsch!"

wie ist der Knittel-Kommentar zu § 95 Abs. 2 SGB IX mit der Randnummer 44 zu verstehen?
"... sind die Arbeitgeberentscheidung und ihre Vollziehung nicht endgültig, sondern vielmehr schwebend unwirksam. Die Maßnahme darf nicht durchgeführt werden und muss vom schwerbehinderten Menschen auch nicht beachtet werden ...."

Im Kommentar von Dau / Düwell / Joussen ist es die Randnummer 56
"... Das heißt. Die Durchführung der Entscheidung wird vorläufig verboten. Vor Durchführung der ...."

--
Gruß
Wolfgang

Unterrichtungspflicht - Definition

Heinrich, Wednesday, 19.10.2016, 12:06 (vor 2739 Tagen) @ WoBi

Hallo,

die Rn 56 vom Düwell Kommentar bezieht sich auf Verwaltungsrecht, also Beamte!

Es gibt hier ganz deutliche rechtliche Unterschiede zwischen Verwaltungs- und Arbeitsrecht!

Es gibt bisher auch KEIN einziges Urteil welches eine Maßnahme als ungültig feststellte die gegen § 95, 2 SGB IX verstoßen hat.

Wie geschrieben, es ist ein sehr alter Wunsch der SBVn. Doch sogar von Seiten der BR/Vertretungen wird dieses nicht gewollte. Denn diese sehen hier einen Eingriff in ihr Entscheidungsmonopol.

Es ist nun einmal so, dass SGB IX sieht es eben NICHT vor, das Maßnahmen die gegen § 95,2 SGB IX verstoßen ungültig sind bzw nicht durch geführt werden dürfen.

Hier hilft nur ggf dem AG sofern es zeitlich noch möglich, weil noch nicht umgesetzt, die Durchführung per Eilbeschluss untersagen zu lassen.

Unterrichtungspflicht - Definition

Cebulon, Sunday, 20.11.2016, 12:10 (vor 2707 Tagen) @ WoBi

AUSSETZUNGVERLANGEN

Hallo, das BMAS schreibt dazu, was allerdings nicht greift, wenn Personalmaßnahme bereits vollzogen ist. Dann wäre Aussetzungsanspruch erloschen. Genau dazu schweigt sich das BMAS aber aus wie folgt und erweckt so den irreführenden Eindruck, als wäre das effektiver Rechtsschutz gegen unwillige Arbeitgeber:

"Zur Unterlassungsklage:
Eine Klagemöglichkeit gibt es bereits nach geltendem Recht (§ 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG). Das Anliegen ist darauf gerichtet, die Durchführung oder Vollziehung einer Entscheidung auszusetzen, bis die Beteiligung nachgeholt ist."

BAG vom 30.04.2014 - 7 ABR 30/12 - Rn. 37
"Hat der Arbeitgeber eine Maßnahme durchgeführt und vollzogen, läuft das Aussetzungsrecht ins Leere."

Gruß
Cebulon

Unterrichtungspflicht - Definition

Hans-Peter-Semmler, Regensburg, Wednesday, 19.10.2016, 12:12 (vor 2739 Tagen) @ Apanatshi

Servus Apanatshi,
dies wäre der erfolgversprechendere Weg: http://www.schwbv.de/urteile/220.html

Tipp für die "Mitschreiber":
Bitte nicht Randnummern zitieren, denn diese treffen NUR auf euere vorliegende Auflage der Kommentierung zu!

--
Herzlichen Gruß
Hans-Peter

Unterrichtungspflicht - Definition

Cebulon, Saturday, 19.11.2016, 23:30 (vor 2707 Tagen) @ Hans-Peter-Semmler

Zur Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen
Schwerbehindertenvertretung und dem BR/PR

VERSETZUNG

LAG Mainz vom 05.10.2011 - 8 TaBV 9/11

Der BR kann seine Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung eines Arbeitnehmers verweigern, weil die SchwbV noch nicht beteiligt worden ist.

Das LAG Mainz entschied, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht verweigert habe. Der Betriebsrat dürfe seine Zustimmung nicht nur dann verweigern, wenn ein Verbotsgesetz vorliege, das die Unwirksamkeit der Maßnahme unmittelbar nach sich ziehe, sondern auch dann, wenn ansonsten ein Aussetzungsanspruch umgangen werde.

Siehe dazu den lesenswerten Fachbeitrag B8 - 2012 mit zahlreichen Quellen zu diesem Gerichtsbeschluss auf reha-recht.de

BEWERBUNG

Wie die SchwbV mit dem Betriebsrat bei Einstellungen kooperieren kann, ist z.B. recht gut beschrieben unter
www.schwbv.de/einstellung.html

Gruß
Cebulon

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