Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen? (Stellvertreter/in)

Hertha, Tuesday, 31.01.2017, 09:06 (vor 2643 Tagen)

Guten Morgen,

vielleicht eine ungewöhnliche Frage...
Ist die Schwerbehindertenvertretung als ein Gremium zu sehen ( i.S. der Definition seitens Wikipedia)?
Wenn Gremium, was heißt das für die gemeinsame Arbeit?
Konkreter Anlass, mir und der 2. Stellvertreterin werden von der VP Informationen vorenthalten mit der Begründung, dass wir kein Gremium seien.

Danke!
Gruß
Hertha

Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen?

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 31.01.2017, 09:16 (vor 2643 Tagen) @ Hertha

Moin Moin Hertha,

nein die SBV ist kein Gremium im eigentlichen Sinne. Das Mandat wird durch die Vertrauensperson wahrgenommen und diese delegiert im Abwesenheits- oder sonstigen Vertretungsfall bzw. in größeren Betrieben bei Heranziehung die Aufgaben an die Stellvertreter/innen. Auch wenn in größeren Betrieben die ersten Stellvertreter/innen teilweise ganz oder zum Teil freigestellt sind, bleiben sie Stellvertreter/innen und üben ihr Amt entsprechend aus. Dieses gilt auch für Aufgaben, zu denen diese fest herangezogen werden.

Das Informationen vorenthalten werden, ist für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht wirklich günstig. Ohne nähere Hintergründe zu kennen, würde ich vorschlagen, dass Ihr Euch zusammensetzt und sie die Gründe für diese Informationssperre erläutert. Sinnvoll ist es, gerade in größeren Unternehmen mit mehr Schwerbehinderten, sich regelmäßig auszutauschen, damit z.B. im Krankheitsfall eine möglichst nahtlose Weiterbearbeitung möglich ist.

Dieses anzuberaumen liegt aber im Ermessen der Vertrauensperson.

Liebe Grüße

Hendrik

Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen?

Heinrich, Tuesday, 31.01.2017, 10:02 (vor 2643 Tagen) @ Hertha

Hallo,

die SBV ist lt. Gesetz eine Einpersonenvertretung. Dieses beinhaltet auch, dass die Stellvertreter so lange sie nicht im Rahmen der Verhinderungsvertretung nicht im Mandat sind.

Vergleichbar mit den Ersatzmitgliedern im BR/PR.

Es gilt auch für die Schwerbehindertenvertretung wie auch BR/PR das Datenschutzgesetz. Daraus ergibt es sich, dass nur im Mandat befindliche Vertreter, also nicht die Ersatzmitglieder/ Stellvertreter so lange sie nicht für die Zeit der Verhinderung nachrücken keine Mandatsträger sind und daher wegen Geltung des Datenschutzgesetzes kein Recht des Einblicks in Unterlagen der Mitarbeitervertretung haben.

Gewährt die Vertrauensoerson oder der BR/PR dieses doch außerhalb der Vertretungszeiten verletzt er das Datenschutzgesetz mit den dann möglichen Folgen.

Mir ist aber auch bekannt, dass leider zu viele SBV hier das Gesetz nicht beachten. Es lässt aber keine Abweichungen zu. Bei Verstößen des AG gegen das SGB IX/ BTHG aber stets seht aktiv werden.

Übrigens Verstöße gegen das Datenschutzgesetz können dazu führen, dass die Betroffenen ihr Mandat verlieren. Es ist oft auch der einzige Grund warum das IA (da hier zuständig) den Betroffenen das Mandat entzieht.

Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen?

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 31.01.2017, 10:40 (vor 2643 Tagen) @ Heinrich

Moin Moin Heiner,

ich bin erster Stellvertreter in einem großen Unternehmen mit über 500 Schwerbehinderten. Hier ist es aufgrund der Fülle der Ausschüsse, Projekte ect. notwendig, dass wir uns über die Sachstände austauschen und auf dem Laufenden halten, damit im Vertretungsfall in dem entsprechenden Gremium adäquat reagiert werden kann.

Da wir alle, auch die Stellvertreter/innen nach § 96,7 der Schweigepflicht unterliegen, sehe ich diesen internen Austausch als unkritisch an. Man darf sich natürlich nicht im öffentlichen Raum (Mensa, Straßenbahn ect.) austauschen, wo die Gefahr besteht, dass andere mithören, sondern in seinem Büro oder ähnlichem.
Da die Stellvertreter/innen bei einem Betrieb dieser Größenordnung immer auch herangezogen werden können, bzw. in Abwesenheit oder bei Terminüberschneidungen tätig werden, haben sie für diese Zeit den identischen Status wie die Vertrauensperson. Hierzu zählt aus meiner Sicht auch die Vorbereitungs- bzw. Austauschzeit, da diese notwendig ist, um adäquat zu reagieren.

Daher sehe ich in einem Austausch keinen Verstoß gegen den Datenschutz.

Die Situation im Betrieb von Hertha kenne ich nicht weiter und kann mich dazu nicht äußern.

Liebe Grüße

Hendrik

Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen?

Heinrich, Tuesday, 31.01.2017, 10:59 (vor 2643 Tagen) @ Hendrik1

Hallo Hendrik1,

bitte hier nicht den Grundsatz mit der Ausnahme lt. SGB IX § 95 1 in Betrieben mit mehr als 100 Schwerbehinderten verwechseln. Hier verlangt ja das Gesetz auch die Verständigung! Denn im § 95 1 SGB IX steht dieses ja ausdrücklich " Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein." Dieses gilt aber grundsätzlich nur für diese Ausnahme. Weiter sonst nur, wenn wegen des anstehenden Verhinderungsfalles ein Übergabe/ Absprache zu laufenden Angelegenheiten notwendig ist.

PS: Der Datenschutz erlaubt eben nicht, dass geschützte Daten, besonders hier auch noch Sozialdaten, Unberechtigten zur Kenntnis gebracht werden. Dieses gilt auch, wenn diese im Rahmen der Verhinderungsvertretung oder der Ausnahme nach § 95 1 SGB IX zeitweise, also nur in dieser Zeit, das Recht der Dateneinsicht haben.

Besonders in sehr großen Betrieben/Behörden gibt es teils BR/PR mit sehr großen Ersatzlisten. Dann hat der BR/PR auch für diese das Datenschutzgesetz zu beachten und darf nicht, weil ggf einmal ein Ersatzmitglied im Rahmen der Verhinderungsvertretung oder weil ein ordentliche Mitglied ausscheiden könnte Einsicht in Unterlagen geben.

Gleiches gilt für die Schwerbehindertenvertretung. In Betrieben/Behörden in welchen die Ausnahme nach § 95 1 SGB IX nicht zum tragen kommt und es mehrere Stellvertreter gibt, kann es sogar vorkommen, dass die hinteren Stellvertreter in der gesamten Wahlperiode nie im Rahme der Verhinderungsvertretung ins Mandat kommen.

Nur weil sie im Rahme der Verhinderungsvertretung/Nachrückens ins Mandat kommen ergibt sich daraus eben nicht das Recht auch außerhalb dieser Zeiten Akteneinsicht zu haben.

Wenn zB ein betroffener schwerbehinderter AN der die Hilfe des SBV bei der Antragstellung in Anspruch nimmt erfährt, dass obwohl der Stellvertreter nicht im Rahmen der Verhinderungsvertretung oder der Ausnahme gem. § 95 1 SGB IX, Einsicht in die Unterlagen der lfd. Antragsverfahren also auch medizinische Unterlagen erhält, kann er gegen die SBV wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz aktiv werden, also auch klagen.

Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen?

Heinrich, Tuesday, 31.01.2017, 11:18 (vor 2643 Tagen) @ Hendrik1

Hallo,

noch folgendes.

Wenn ein BR/PR erfährt, dass eine Vertrauensperson außerhalb der klaren gesetzlichen Regelungen/ Möglichkeiten mit Stellvertretern über Interna (zB anstehende Verhandlungen mit dem AG oder personelle Maßnahmen) aus der BR/PR Sitzung redet, diese damit zu diesem Zeitpunkt Unberechtigten zur Kenntnis gibt, können diese auch rechtlich aktiv werden/handeln. Gleiches gilt für AG, hier zB auch betreffend wirtschaftliche Dinge bzw. geplante Maßnahmen.

Schwerbehindertenvertretung als Gremium zu sehen?

Heinrich, Tuesday, 31.01.2017, 12:03 (vor 2643 Tagen) @ Hendrik1

Hallo,

betreffend der Ausnahme nach §95 1 SGB IX noch folgendes.

1. Es ist eine KANNREGELUNG. Also kein Muss!
Bedeutet, die Vertrauensperson kann NICHT gezwungen werden diese zu nutzen? Es sollten sich dann nur keine Nachteile für betroffene Beschäftigte ergeben.
Ich kenne auch keinen Fall wo selbst bei belegbaren Nachteilen hier das IA der Vertrauensperson das Mandat entzogen hat.

2. Die Stellvertreter können sich hier auch nicht per Gericht die Hinzuziehung einklagen, denn das Gesetz sieht dieses nicht vor.

3. Der Austausch/ Verständigung bei Nutzung des § 95 1 SGB IX bezieht sich dann auf die hier übertragenen Aufgaben. Wenn also hier nur die Teilnahme an bestimmten Ausschüssen übertragen wurde, bezieht sich die Abstimmung nicht auf die Einsicht in lfd. Neuanträge und die hierzu betreffenden ärztl. Unterlagen.

Dieses ergibt sich aus den Grundsatz des Datenschutzes der besagt Erfassung / Speicherung und Einsicht nur sofern notwendig.
§ 3a Datenvermeidung und Datensparsamkeit

So darf die SBV zwar dem BR mitteilen, dass ein Koll. schwerbehindert ist bzw. ein Antrag auf Anerkennung gestellt wurde. Auch die sich für den Betroffenen ergebenen Einschränkungen im Job, am Arbeitsplatz. Nicht aber das Krankenbild, also keine medizinische Fakten, welche der SBv bekannt sind diese auch für die Antragstellung benötigt.

Da änderte sich auch nichts daran, dass der BR/ PR ja auch dem Datenschutz verpflichtet ist, unterliegt.

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