Kündigungsabsicht des Arbeitgebers (Kündigung)

wirth-mi, Halle/Saale (Sachsen-Anhalt), Tuesday, 07.02.2017, 08:05 (vor 2629 Tagen)

Guten Morgen Gemeinde,

ich habe jetzt die Suche durchforstet und viel über Kündigungen gelesen. Aber meine Frage konnte damit leider nicht geklärt werden.

Muss der Personalrat vor der Antragstellung beim Integrationsamt informiert oder angehört werden?

Oder wird zuerst das Integrationsamt angeschrieben und erst dann geben alle anderen ihre Stellungnahme ab?

Vielen Dank schon mal für eure Hilfe.

LG M. Wirth

--
Liebe Grüße aus Halle

Michaela

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

ciralifan, Tuesday, 07.02.2017, 08:14 (vor 2629 Tagen) @ wirth-mi

Hi,
diese Aussage ( zu finden auf integrationsaemter.de ) wird es beantworten:
"Kündigungsschutz

Schwerbehinderte wie auch gleichgestellte behinderte Beschäftigte haben einen besonderen Kündigungsschutz. Das heißt, der Arbeitgeber benötigt zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes. Erst wenn das Integrationsamt zugestimmt hat, kann der Arbeitgeber die Kündigung wirksam erklären
"
Also erst Kontakt des AG zum IA, dann deren Antwort ( Zustimmung ja/nein ) einholen.
Erst danach die weiteren Schritte.

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Cebulon, Tuesday, 07.02.2017, 10:10 (vor 2629 Tagen) @ ciralifan

Also erst Kontakt des AG zum IA. Erst danach die weiteren Schritte.

Hallo, das kann ich Deinem Zitat nicht entnehmen! Ich meine, es ist umgekehrt: Erst SchwbV anhören, dann Zustimmung IA einholen, und gerade nicht andersrum. Ich kenne weder Literatur noch Urteile, welche Deine Ansicht stützen.

Gruß,
Cebulon

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

ciralifan, Tuesday, 07.02.2017, 11:39 (vor 2629 Tagen) @ Cebulon

Du hast Recht, zuerst kommen natürlich § 84.1 und § 95.2 und dann nun noch das neue BTHG. Hab mich wohl selbst überholt beim antworten ;O)

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Cebulon, Wednesday, 08.02.2017, 22:23 (vor 2627 Tagen) @ ciralifan

... und dann nun noch das neue BTHG.

Hallo ciralifan, an der Reihenfolge und dem Zeitpunkt der Anhörung der SchwbV durch den AG hat sich durch das BTHG nichts geändert. Der § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur SchwbV-Anhörung durch den AG wurde nicht geändert. Auch am § 87 Abs. 2 SGB IX zur SchwbV-Anhörung durch das InA wurde durch Artikel 2 BTHG nichts geändert. Geändert haben sich hier alleine die Rechtsfolgen i.S.d. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n.F.

Es gilt weiter wie bisher, dass die SchwbV-Anhörung durch's InA nicht die SchwbV-Anhörung durch den AG entbehrlich macht und umgekehrt (vgl. BAG, Urteil vom 03.07.1980, 2 AZR 340/78).

Gruß,
Cebulon

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Heinrich, Tuesday, 07.02.2017, 09:59 (vor 2629 Tagen) @ wirth-mi

Hallo,

indirekt muss der PR/BR vorher informiert werden. Denn es gibt den § 84 Abs. 1 SGB IX. Dieser wird leider zu oft überlesen / vergessen.

§ 84 Prävention

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

Hat der AG eine Kündigung vor, ist das Beschäftigungsverhältnis ganz eindeutig gefährdet?

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 07.02.2017, 10:53 (vor 2629 Tagen) @ wirth-mi

Moin Moin Michaela,

normalerweise erfolgt vor einer Kündigung eine Anhörung des/der Beschäftigten.
Hier ist der Personalrat und bei Schwerbehinderten oder Gleichgestellten auch die Schwerbehindertenvertretung anwesend. Zumindestens muss die/der Beschäftigte auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass sie/er eine Vertrauensperson mitbringen darf. Bei SBV gilt §95,2 der Arbeitgeber muss uns vor einer Entscheidung anhören.

Bei Schwerbehinderten muss in der Regel vor einer Kündigung ein Präventionsverfahren laufen, da einer Kündigung normalerweise eine potentielle Gefährdung des Arbeitsverhältnisses vorausgeht. Liegt aber die Kündigung an massiven Rechtsverstößen (sexuelle Belästigung, massive Bedrohung, Körperverletzung, Diebstahl ect.) kann auch ohne ein Präventionsverfahren außerordentlich gekündigt werden.

Das Integrationsamt hört die betroffene Person, SBV und PR zusätzlich an und entscheidet dann aufgrund der Aktenlage oder ggf. Gutachten ect.

Liebe Grüße

Hendrik

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 07.02.2017, 12:34 (vor 2629 Tagen) @ wirth-mi

Hallo,

für die Anhörung der AN-Vertretungen gibt es im Vergleich zu der Beteiligung des IA keine festgelegte Reihenfolge.

Es ist grundsätzlich völlig unerheblich, ob die Beteiligung von BR/PR und SBV "vor, während oder nach Durchführung des Zustimmungsverfahrens nach §§ 85 ff vorgenommen werden, muss aber jedenfalls vor Ausspruch der Kündigung abgeschlossen sein(...)."
So zB Düwell zur SBV-Anhörung in LPK-SGB IX, § 85 Rn 84. Zur Anhörung von BR/PR inhaltlich gleichlautend Düwell, a.a.O., Rn 83.

--
&Tschüß

Wolfgang

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Cebulon, Tuesday, 07.02.2017, 12:50 (vor 2629 Tagen) @ albarracin

Es ist grundsätzlich völlig unerheblich, ob Beteiligung von SBV "vor, während oder nach Durchführung des Zustimmungsverfahrens vorgenommen werden ..."

Nein, ist es nicht. Diese Behauptung ist zu pauschal. Denn die SBV ist seit anno dazumal "unverzüglich" anzuhören, und das ist nicht nach, sondern vor oder allenfalls - wenn überhaupt - spätestens gleichzeitig mit der Beantragung des InA-Zustimmungsverfahrens, welches schon mal mehrere Wochen dauern kann. Mehrere Wochen sind aber mitnichten unverzüglich nach Rechtsprechung, also nicht ordnungsgemäß!

Das mag zwar früher mal anders gewesen sein nach § 25 Abs. 2 SchwbG, als die SchwbV-Anhörung ja noch nicht unverzüglich zu erfolgen hatte. Aber seit es den § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX gibt (der bekanntlich seit 2001 unverändert blieb), ist das nicht mehr so. Allerdings können Verstöße ggf. zur Unwirksamkeit führen durch den durch Art. 2 BTHG neu eingefügten Satz 3, der auf Satz 1 zur "unverzüglichen" Anhörung ausdrücklich verweist (vergl. z.B. Prof. Dr. Reufels, Cologne, Update ArbR Febr. 2017, zu Artikel 2 Bundesteilhabegesetz).

Gruß,
Cebulon

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Downunder, Baden-Württemberg, Tuesday, 07.02.2017, 19:33 (vor 2629 Tagen) @ Cebulon

Hallo,

aus eigener Erfahrung erfolgte der Ablauf wie folgt:

AG beantragt Zustimmung beim IA

IA holt Stellungnahme der SBV und des BR ein und trifft dann eine Entscheidung. Ob das nun Standard ist oder die IÄ unterschiedlich vorgehen mag ich nicht abschließend zu beurteilen

--
Gruß

Downunder

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

MatthiasNRW, Wednesday, 08.02.2017, 07:29 (vor 2628 Tagen) @ Downunder

IA holt Stellungnahme der SBV und des BR ein und trifft dann eine Entscheidung. Ob das nun Standard ist oder die IÄ unterschiedlich vorgehen mag ich nicht abschließend zu beurteilen

Die Pflicht zur Anhörung der SBV und des BR ergibt sich für das Integrationsamt aus § 87 Abs. 2 SGB IX, sollte also bei aller Unterschiedlichkeit in den verschiedenen Bundesländern Standard sein.

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Cebulon, Saturday, 11.02.2017, 14:11 (vor 2625 Tagen) @ Downunder

IA holt Stellungnahme der SBV ein

Hallo, das ersetzt aber nicht die SBV-Anhörung durch den AG (LPK-SGB IX, § 85 Rn. 84 am Ende m.w.N.), welche vor der Beantragung beim InA einzuholen ist. Wurde die SBV nicht zuvor vom AG angehört, käme schon nach alter Rechtslage regelmäßig Aussetzung bzw. die Ablehnung des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung in Betracht (Düwell, LPK-SGB IX, § 87 Rn. 16). Daran hat sich durch das BTHG nichts geändert.

Gleiches gilt für unterbliebene Erörterungsgespräche oder Klärungsgespräche i.d.R. gemäß § 84 SGB IX (Düwell, LPK-SGB IX, § 84 Rn. 99 und § 87 Rn. 17).

Gruß,
Cebulon

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Downunder, Baden-Württemberg, Saturday, 11.02.2017, 14:32 (vor 2625 Tagen) @ Cebulon

Hallo, das hieße im Klartext:

1. AG beabsichtigt zu kündigen: Unterrichtung der SBV über die beabsichtigte Kündigung

2. Stellungnahme SBV

3. Mitteilung der endgültigen Entscheidung unter Berücksichtigung der Stellungnahme der SBV an SBV

4. Ggf. Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt

5. Integrationsamt holt erneut Stellungnahme SBV ein

6. Integrationsamt stimmt zu oder nicht

Oder habe ich es noch nicht gecheckt?:-D

--
Gruß

Downunder

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Monica99, Saturday, 11.02.2017, 17:27 (vor 2625 Tagen) @ Downunder

Hallo, das hieße im Klartext:

1. AG beabsichtigt zu kündigen: Unterrichtung der SBV über die beabsichtigte Kündigung
.......
Oder habe ich es noch nicht gecheckt?:-D

JaNein ;-)

Denn ganz zu erst muss der AG den § 81 Abs. 1 SGB IX beachten und anwenden!!!
Es sei, der AG hätte wegen der Schwere einen Grund für eine fristlose Kündigung und sofortiger Entziehung des Rechtes den Betrieb nochmals zu betreten (also Hausverbot)z.B. wegen sexueller Straftat.

--
mfg Monica

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Monica99, Saturday, 18.02.2017, 16:05 (vor 2618 Tagen) @ Monica99

Hallo,

hatte hier selbstverständlich den § 84, 1 SGB IX gemeint.

Doch auch der § 81,1 Satz 2 SGB IX kommt ins Spiel " 2Sie nehmen frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf.". Denn beabsichtigt ein AG einen AN zu kündigen, wird ja ein zu besetzender Arbeitsplatz frei. Also Anfrage bei der AfA.

Frühzeitig bedeutet hier, zu einem Zeitpunkt an dem der AG weiß/erkennt/plant er hat/bekommt hier eine freie zu besetzende Stelle.

Hier dann auch weiter der Satz 6, 6Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an

--
mfg Monica

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Heinrich, Saturday, 18.02.2017, 17:18 (vor 2618 Tagen) @ Monica99

Hallo,

bitte immer die gesamte betroffene §§-Kette im SGB IX beachten. Hier betroffen also auch §§ 84, 81. Beide §§ verweisen auf den § 95, 2 SGB IX.

Nun nach der lange geforderten Änderung im § 95 ergibt sich damit zwingend weil es so im Gesetzt steht, bei Verstoß gegen § 95,2 die UNWIRKSAMKEIT der Maßnahme, hier die Kündigung.

Bedeutet, hat der AG eine Kündigung ausgesprochen ohne den § 84,1 vorher beachtet zu haben, ist weil der § 81,1 auf die Beteiligung der SBV via § 95,2 verweist die Kündigung nun unwirksam.

Verstärkung des Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen ab dem 30.12.2016

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Cebulon, Friday, 17.02.2017, 20:30 (vor 2619 Tagen) @ albarracin

Für die Anhörung der AN-Vertretungen gibt es im Vergleich zu der Beteiligung des IA keine Reihenfolge.

1. Anderer Ansicht aber z.B. Schlöffel, Dozent/Referent der IHK Düsseldorf, wonach Gesetzeswortlaut "nur so zu verstehen" ist, dass die SchwbV "schon vor einem Antrag des Arbeitgebers beim Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung angehört werden muss".

2. In die gleiche Richtung zur SBV-Anhörung Newsticker eines Notars und Fachanwalts für Arbeitsrecht wie folgt: "Das Anhörungsverfahren ist vor Einreichung des Zustimmungsantrags nach den §§ 85 ff. SGB IX durchzuführen."

3. Ebenso folgende Rechtstipps von Fachanwälten für Arbeitsrecht aus Hessen im Web unter der Nummer 5 bei www.anwalt.de wie folgt: "Das Anhörungsverfahren nach § 95 Absatz 2 SGB IX ist vor Einreichung des Zustimmungsantrags nach den §§ 85 ff SGB IX durchzuführen. Wird der Antrag ohne erfolgte Anhörung gestellt, hat das Integrationsamt ihn zurückzuweisen."

Das Urteil des BAG, 03.07.1980, 2 AZR 340/78 (LS 4), zur Anhörung des Personalrats erst nach Beendigung des InA-Zustimmungsverfahren, ggf. nach Beendigung des Verfahrens vor dem Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt (§ 118 SGB IX), kann jedenfalls für die SchwbV-Anhörung seit 2001 nach § 95 Abs. 2 SGB IX schon deshalb nicht (mehr) uneingeschränkt analog herangezogen werden, weil seither die SchwbV durch SGB IX-Rechtsänderung unverzüglich zu unterrichten bzw. "unverzüglich" zu hören ist - im Unterschied zum Personalrat und anders als nach alter Rechtslage nach § 25 Abs. 2 SchwbG.

Solche Urteile aus dem letzten Jahrhundert sind aber auch nicht mehr 1:1 auf BR/PR-Anhörung übertragbar spätestens seit den SGB IX-Änderungen 2004 wegen der Erörterung bzw. Klärung gemäß dem § 84 SGB IX nach der neueren arbeits- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (Düwell, LPK-SGB IX, § 84 Rn. 99 und § 87 Rn. 17).

Gruß,
Cebulon

Kündigungsabsicht des Arbeitgebers

Kasimir, Saarland, Sunday, 12.02.2017, 12:22 (vor 2624 Tagen) @ wirth-mi

Guten Tag,
habe bei einem Seminar-Anbieter (ifb) nachgeschaut.
Grund ich war vor ein paar Tagen über den "neuen" Text des §95 SGB IX gestolpert.
Der Anbieter schreibt in seinem News-Letter vom 08.02.17:

Keine Kündigung ohne SBV!
Die Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen, die der Arbeitgeber ohne die Beteiligung der SBV ausspricht, ist unwirksam! So steht es seit dem 30.12.2016 in § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX.

Vor Ausspruch einer solchen Kündigung muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend unterrichten und vor seiner Entscheidung anhören (§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX).

Das gilt für alle Arten von Kündigungen einschließlich der Kündigung in der Probezeit. Denn anders als beim besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte, der erst nach sechs Monaten besteht (§§ 85, 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX), sieht das Gesetz bei der SBV-Beteiligung keine Ausnahmen oder Einschränkungen vor.

AUFGEPASST!
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass seine Kündigung wegen der fehlenden Beteiligung der SBV unwirksam sei, dann muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Versäumt er diese Frist, wird die Kündigung trotz des Rechtsverstoßes wirksam! (vgl. §§ 4 Abs. 1 Satz 1 und § 7 KSchG)

Wünsche einen schönen Sonntag
LG
K.

RSS-Feed dieser Diskussion