Betriebsarzt vor BEM (Allgemeines)

Constantin, Frankfurt, Saturday, 18.02.2017, 19:33 (vor 2622 Tagen)

Hallo miteinander!

Ich habe aktuell ein etwas prekäre Situation in unserem Unternehmen, die sehr dringlich ist.
Ein Arbeitnehmer ist seit längerer Zeit erkrankt.(länger als sechs Wochen)
Eine Reha bei der Rentenversicherung ist bereits beantragt. Er ist immer noch arbeitsunfähig, auch mehrere Gutachten seitens MDK wurden getätigt. Weiterhin AU auf Zeit.
Nun fragt ihn der AG (per Einschreiben) ob er an einem BEM Gespräch teilnehmen würde.
Termine könne er frei wählen, diese würden dann abgestimmt werden.
Er hat per E-Mail eingewilligt und auch verschiedene Termine (Anzahl 8) an verschiedenen Tagen mit Abstimmung des Integrationsfachdienstes vorgeschlagen, die alle nicht mit den Beteiligten übereinstimmten und somit abgelehnt wurden.
Nun schlägt die Personalabteilung per Mail vor, zuerst mal beim Betriebsarzt vorzusprechen. Die Personalabteilung hätte bereits mit dem Betriebsarzt telefoniert. Eine Telefonnummer wurde hinterlassen oder per Mail.
Nun soll der AN den Betriebsarzt anrufen und einen Termin mit Ihm vereinbaren. Für was?
Danach könne man wieder versuchen ein BEM zu starten.

Was soll man hiervon halten?
Wie würdet ihr hier vorgehen?
Was gibt es zu beachten?

Ich würde mich über Antworten sehr freuen!!!

Viele Grüße
Constantin

Betriebsarzt vor BEM

Downunder, Baden-Württemberg, Saturday, 18.02.2017, 20:08 (vor 2622 Tagen) @ Constantin

Hallo,

der BEM Berechtigte ist kooperationsbereit. Der AG wirkt sehr ungeduldig. Für mich stellen sich folgende Fragen:

- was drängt den AG so zur Eile?
- was ist die Fragestellung für die Begutachtung durch den Betriebsarzt?
- Liegen Fehlzeiten vor, die arbeitsrechtlich kritisch sind?
- Ist der Betroffene schwerbehindert/Gleichgestellt?
- was ist so schwierig einen Termin zu finden? Liegt das am AG?

Ich würde versuchen, die Fragen zu klären und bei arbeitsrechtlich kritischen Fehlzeiten ggf. eine Abstimmung mit dem Integrationsfachdienst vornehmen und dann ggf. entscheiden.

--
Gruß

Downunder

Betriebsarzt vor BEM

Constantin, Frankfurt, Sunday, 19.02.2017, 15:14 (vor 2621 Tagen) @ Downunder

Hallo,

der BEM Berechtigte ist kooperationsbereit. Der AG wirkt sehr ungeduldig. Für mich stellen sich folgende Fragen:

- was drängt den AG so zur Eile?
- was ist die Fragestellung für die Begutachtung durch den Betriebsarzt?
- Liegen Fehlzeiten vor, die arbeitsrechtlich kritisch sind?
- Ist der Betroffene schwerbehindert/Gleichgestellt?
- was ist so schwierig einen Termin zu finden? Liegt das am AG?

Ich würde versuchen, die Fragen zu klären und bei arbeitsrechtlich kritischen Fehlzeiten ggf. eine Abstimmung mit dem Integrationsfachdienst vornehmen und dann ggf. entscheiden.

Hallo Downunder

hier die Antworten

zu was drängt den AG so zur Eile?
Darüber wurde keine Aussage getätigt, ich denke im Sinne des gesetzlich vorgesehen BEM´s wird hier gehandelt.

zu was ist die Fragestellung für die Begutachtung durch den Betriebsarzt?
Eine Frage Stellung wird nicht genannt nur das der AN den Betriebsarzt anrufen soll.

zu Liegen Fehlzeiten vor, die arbeitsrechtlich kritisch sind?
Die Fehlzeiten sind über sechs Wochen an einem Stück.

zu Ist der Betroffene schwerbehindert/Gleichgestellt?
Der AN ist schwerbehindert

zu was ist so schwierig einen Termin zu finden? Liegt das am AG?
Ja, es liegt am Arbeitgeber, es kann keine Übereinstimmung aller Beteiligten gefunden werden.
Ebenfalls wurden die Termine bereits vor Übergabe ab AG mit dem Integrationsfachdienst abgestimmt. Vielleicht ist auch der Integrationsfachdienst nicht willkommen.

Der Integrationsfachdienst wurde vor schon lange dazu gehört und ist nun bereits wieder verständigt. Es wird auf eine Stellungnahme gewartet.

Bitte um weitere Informationen bzw. Stellungnahmen. DANKE!

Viele Grüße Constantin

Betriebsarzt vor BEM

MatthiasNRW, Tuesday, 21.02.2017, 17:25 (vor 2619 Tagen) @ Constantin

Hallo,

zu was ist die Fragestellung für die Begutachtung durch den Betriebsarzt?

Eine Frage Stellung wird nicht genannt nur das der AN den Betriebsarzt anrufen soll.

Und dann?
Ein Blick ins Gesetz (§ 84 SGB IX) zur Rolle des Betriebsarztes im bEM: "Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen". Das bEM ist Aufgabe des Arbeitgebers, also hat er den Betriebsarzt auch hinzuzuziehen.

Davon ab: Vereinbart der AN einen Termin und sagt, es gehe um bEM, kennt ein guter Betriebsarzt auch schon seine Aufgabenstellung (Welche Erkrankungen, wie vereinbar mit der Tätigkeit, was kann evtl. zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten gemacht werden). Ändert aber nichts an der Verantwortung des AG.

zu was ist so schwierig einen Termin zu finden? Liegt das am AG?

Ja, es liegt am Arbeitgeber, es kann keine Übereinstimmung aller Beteiligten gefunden werden.

Dann soll der Arbeitgeber einfach Alternativtermine benennen, zu denen man die Beteiligten (dazu gleich mehr) an einen Tisch bekommt.

Ebenfalls wurden die Termine bereits vor Übergabe ab AG mit dem Integrationsfachdienst abgestimmt. Vielleicht ist auch der Integrationsfachdienst nicht willkommen.

Wieso soll der IFD teilnehmen?

Im § 84 Abs. 2 SGB IX wird der Integrationsfachdienst nicht genannt, sondern das Integrationsamt. In den Aufgaben des IFD (§ 110 SGB IX) finde ich ebenfalls nichts bezüglich Beteiligung im bEM.

Es sollte sich also schon eine Aufgabenstellung des IFD in dem speziellen Fall ergeben. Der IFD ist nicht die grundsätzliche Beratungsinstanz bei bEM-Verfahren mit sbM.

Der Integrationsfachdienst wurde vor schon lange dazu gehört und ist nun bereits wieder verständigt. Es wird auf eine Stellungnahme gewartet.

Wozu wurde er gehört, welche Stellungnahme soll abgegeben werden?
Es liegen AU-Zeiten über sechs Wochen in den vergangenen zwölf Monaten vor. Das dürfte doch erstmal Ausgangspunkt für das bEM sein.

Jetzt also: Angebot des AG an den AN zur Durchführung des bEM, Beteiligung BR und SBV, soweit erforderlich (wenn die innerbetrieblichen Akteure mit ihrem Latein am Ende sind) Hinzuziehung Betriebsarzt. Fragen klären: Stehen die Erkrankungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit? Welche Einflußmöglichkeiten bestehen betrieblich (oder ggf. außerbetrieblich), die Fehlzeiten zu reduzieren? Kommen begleitende Hilfen möglicherweise in Betracht? Dann das Integrationsamt (gerne auch die beratenden Ingenieure) kontaktieren.

Gruß,

Matthias

Betriebsarzt vor BEM

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 22.02.2017, 23:04 (vor 2617 Tagen) @ MatthiasNRW

Hallo,

Hallo Matthias,

Wieso soll der IFD teilnehmen?

Im § 84 Abs. 2 SGB IX wird der Integrationsfachdienst nicht genannt, sondern das Integrationsamt. In den Aufgaben des IFD (§ 110 SGB IX) finde ich ebenfalls nichts bezüglich Beteiligung im bEM.

Es sollte sich also schon eine Aufgabenstellung des IFD in dem speziellen Fall ergeben. Der IFD ist nicht die grundsätzliche Beratungsinstanz bei bEM-Verfahren mit sbM.

es ist üblich, daß das IA mit der konkreten Begleitung bzw. Fallbearbeitung den IFD ausdrücklich beauftragt. Das liegt im Ermessen des IA gem. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB IX und ist zB in Ba-Wü flächendeckend üblich.

Gruß,

Matthias

&Tschüß
Wolfgang

--
&Tschüß

Wolfgang

Betriebsarzt vor BEM

MatthiasNRW, Thursday, 23.02.2017, 07:40 (vor 2617 Tagen) @ albarracin

Hallo Wolfgang,

es ist üblich, daß das IA mit der konkreten Begleitung bzw. Fallbearbeitung den IFD ausdrücklich beauftragt. Das liegt im Ermessen des IA gem. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB IX und ist zB in Ba-Wü flächendeckend üblich.

Danke für die Erläuterung.

Ich war etwas fixiert auf die Vorgehensweise in NRW. Allerdings bedingt die unterschiedliche Struktur der IÄmter, z. B. die Verankerung vor Ort natürlich auch eine andere Arbeitsweise. In Ba-Wü sind die IÄmter, wenn ich es richtig sehe, an drei Standorten vertreten, die IFD an 33 Orten. Tatsächlich bin ich immer wieder überrascht, wie unterschiedlich die Aufgaben nach dem SGB IX erfüllt werden (z. B. auch bei Einigungsverhandlungen im Kündigungsschutz).

In der von dir genannten Fallkonstellation (Einschaltung des IFD durch das IAmt) ist das IAmt natürlich beteiligt. Ebenso (in NRW) durch die Beteiligung der örtlichen Träger aufgrund § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZustVO SGB IX.

Holt man arbeitgeber- oder arbeitnehmerseitig den IFD direkt ins Boot und bleibt das IAmt außen vor, kann dies jedoch Folgen für die arbeitsgerichtliche Wertung des bEM haben (BAG, Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 400/08, Rn. 21). Es ist mir wichtig klarzustellen, dass die alleinige Beteiligung des IFD nicht die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannte Hinzuziehung des IAmtes ersetzt.

Gruß,

Matthias

Betriebsarzt vor BEM

Cebulon, Sunday, 19.02.2017, 15:30 (vor 2621 Tagen) @ Constantin

Eine Reha bei der Rentenversicherung ist bereits beantragt.

Wurde daran gedacht, diesen Reha-Träger evtl. mit einzubinden wegen anstehender zeitnaher Reha-Maßnahme (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB IX)?

Nun fragt ihn der AG (per Einschreiben) ob er an einem BEM Gespräch teilnehmen würde.

Ist das denn üblich in dem Betrieb, die BEM-Bereitschaft - per Einschreiben - im Krankenstand abzufragen? Haben BR/SBV eine Kopie dieses "Angebots" erhalten? Hat der BEM-Berechtigte etwa auf frühere Anfragen nicht reagiert ??? Eine bloße Anfrage ohne Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist bekanntlich keinesfalls ein ordnungsgemäßes BEM-Angebot nach allg. Ansicht und ständiger Rechtsprechung!

Er hat eingewilligt und auch verschiedene Termine (Anzahl 8) vorgeschlagen, die alle nicht mit den Beteiligten übereinstimmten und somit abgelehnt wurden.

Klingt alles wenig professionell: Gibt's denn da z.B. keine Regelung zur Stellvertretung? Warum macht der BEM-Beauftragte dem BEM-Berechtigten, der im Krankenstand alle Zeit dieser Welt haben sollte, eigentlich keine konkreten Terminvorschläge?

Nun schlägt die Personalabteilung per Mail vor, zuerst mal beim Betriebsarzt vorzusprechen.

Halte das für unbeholfen bzw. für widersprüchliches Verhalten: Die BEM-Beteiligung (Hinzuziehung) eines Betriebsarztes richtet sich bekanntlich nach § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. Ob und inwieweit "erforderlich" haben m.E. die BEM-Beteiligten gemeinsam zu "klären". Will hier etwa dieser Personaler (hatte der BEM-Schulung?) eigenmächtig an BR/SBV bzw. IFD vorbei allein darüber befinden? Zur Rolle des Betriebsarztes beim BEM vgl. ausführlich Werkbuch BEM 2016.

Für was?

Wie lautet denn eigentlich der konkrete (telefonische oder schriftliche) BEM-Untersuchungsauftrag? Diese Frage drängt sich geradezu auf, nachdem ja schon mehrere Gutachten seitens MDK getätigt wurden. Soll dieser Betriebsarzt etwa mal vor sich hin begutachten ohne irgendeine konkrete BEM-Fragestellung? Das ist zweckfrei bzw. nicht zielgerichtet. Das sieht nicht nach professionellem Personalmanagement aus. Und diese Beauftragung des Betriebsarztes hat jedenfalls nichts mit einem ordnungsgemäßen BEM zu tun, da dieses ja noch nicht einmal gestartet ist; das sollte eigentlich auch ein verständiger erfahrener Betriebsarzt wissen und bedenken, bevor er sich darauf einlässt.

Danach könne man wieder versuchen ein BEM zu starten.

Warum nicht zuvor? Im Gesetz findet sich nichts, dass BEM-Start vom AG von einem Termin beim Betriebsarzt abhängig gemacht werden kann. Mir erscheint dieses ganze Vorgehen eher dilettantisch, dämlich bzw. sehr unsensibel und keinesfalls professionell, wenn er nicht mal einen Termin für eine Hand voll Leute koordinieren kann. Ist das dessen erster BEM-Fall oder ist der damit überfordert? Der packt das einfach falsch an! Überblick zu zehn Jahren BEM in NZA 2/2017, Seite 81 bis 87.

Gruß,
Cebulon

Betriebsarzt vor BEM

MatthiasNRW, Wednesday, 22.02.2017, 09:28 (vor 2618 Tagen) @ Cebulon

Halte das für unbeholfen bzw. für widersprüchliches Verhalten: Die BEM-Beteiligung (Hinzuziehung) eines Betriebsarztes richtet sich bekanntlich nach § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. Ob und inwieweit "erforderlich" haben m.E. die BEM-Beteiligten gemeinsam zu "klären". Will hier etwa dieser Personaler (hatte der BEM-Schulung?) eigenmächtig an BR/SBV bzw. IFD vorbei allein darüber befinden? Zur Rolle des Betriebsarztes beim BEM vgl. ausführlich Werkbuch BEM 2016.

Aus dem Jahr 2015 gibt es einen kleinen Beitrag, der auch lesenswert ist:
Dillbahner: Die Rolle von Betriebsärzten in der Rehabilitation – Teil 1 – Schwerpunkt: Betriebsärzte und Betriebliches Eingliederungsmanagement; Forum C, Beitrag C8-2015 unter www.reha-recht.de; 17.12.2015

Gruß,

Matthias

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