Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG? (Umgang mit Arbeitgeber)

bibi, Thüringen, Thursday, 23.02.2017, 11:27 (vor 2590 Tagen)

Hallo zusammen,

als neugewählte SBV, die erst 3 Monate im Amt ist und erst zu einer Schulung war, wäre es schön, wenn ihr mir bei folgender Situation helfen könnt:

Ein Mitarbeiter mit einem GdB von 60 kommt aus der Reha, und bittet in einem Gespräch mit dem Vorgesetzten, SBV + Personal, die biherige Arbeit, die im 2-Schichtsystem stattfand, nur noch in der Frühschicht ausüben zu dürfen. Dem wurde vom Vorgesetzten zugestimmt.
Der Mitarbeiter bekommt die Lohngruppe eines Teamleiters, arbeitet aber schon längere Zeit nicht mehr in dieser Position, ist aber trotzdem in dieser Lohngruppe verblieben.

Nun wurde in diesem Gespräch gefragt, ob der Mitarbeiter sich vorstellen könnte, da er nicht mehr als Teamleiter arbeitet (was wie erwähnt schon seit längerer Zeit der Fall ist), eine Lohngruppe niedriger eingestuft zu werden.

Der Mitarbeiter hat sich daraufhin Bedenkzeit erbeten, möchte aber sicher nicht auf das Angebot einehen.

Nach § 81 SGB IX dürfen AG schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen, und diese Mitarbeiter haben Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung vom Arbeitsplatz und Arbeitszeit.

Jetzt meine Frage:

Verstößt die Frage nach der Lohnkürzung im Zusammenhang mit dem Gespräch über die Anpassung der Arbeitszeit auf Grund der Krankheit und Behinderung gegen das AGG?

Wie argumentiere ich richtig und welche Gesetze greifen?

Vielen Dank im Voraus.

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

ciralifan, Thursday, 23.02.2017, 12:15 (vor 2590 Tagen) @ bibi

Ich sehe hier kein AGG Thema, es ist im Arbeitsrecht üblich bei Wegfall einer Tätigkeit die eine gewisse Gehaltseinstufung mit sich bringt die Arbeitsplatz-/ Tätigkeitsbeschreibung heranzuziehen und die Einstufung der Realität anzupassen.

Auf die Behinderungsbedingt AZ Anpassung auf reine Frühschicht ist der AG ja eingegangen.

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

bibi, Thüringen, Thursday, 23.02.2017, 12:21 (vor 2590 Tagen) @ ciralifan

Das ist richtig, aber meines Erachtens nach hätte der AG die Lohnkürzung zu dem Zeitpunkt veranlassen können, als der Mitarbeiter aufgehört hat, die Tätigkeit zu machen. Dies ist ja nicht erfolgt.
Der Mitarbeiter macht nun die gleiche Tätigkeit , die er seit einem halben Jahr macht, nur einschichtig.

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 23.02.2017, 13:05 (vor 2590 Tagen) @ bibi

Hallo,

der AG ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, eine Eingruppierung zu überprüfen. Allerdings ist der geschilderte Sachverhalt mE bereits ein Grund zur Einschaltung des IA gem. § 84 Abs. 1 SGB IX.

Der AN sollte sich aber nicht auf eine "freiwillige" Herabgruppierung einlassen. Will der AG die Eingruppierung einseitig ändern, kann er dies nur im Rahmen einer Änderungskündigung gem. § 2 KSchG versuchen durchzusetzen.
http://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__2.html

Diese Änderungskündigung läßt dem AN die Möglichkeit, die Berechtigung der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, ohne den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu gefährden. In diesem Zusammenhang kann dann zB überprüft werden, ob der AN nicht durch das Belassen der bisherigen Eingruppierung einen gewissen Vertrauensschutz geltend machen kann.

Außerdem gelten natürlich auch bei einer Änderungskündigung sämtliche Vorschriften des erweiterten Kündigungsschutzes nach den §§ 85ff SGB IX.

--
&Tschüß

Wolfgang

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

MatthiasNRW, Thursday, 23.02.2017, 13:23 (vor 2590 Tagen) @ albarracin

Hallo,

Außerdem gelten natürlich auch bei einer Änderungskündigung sämtliche Vorschriften des erweiterten Kündigungsschutzes nach den §§ 85ff SGB IX.

...mit der Besonderheit der eingeschränkten Ermessensentscheidung gem. § 89 Abs. 2 SGB IX.

Gruß,

Matthias

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

Heinrich, Thursday, 23.02.2017, 13:47 (vor 2590 Tagen) @ albarracin

Hallo,

hier müsste man zu erst einmal in den ArbV, ggf TV und die Arbeitsplatzeingruppierungen nachschauen.

Denn der AG wollte aus dem 2 Schicht in die 1 Schicht versetzt werden. Dem hat der AG entsprochen.

Dieses kann dann durchaus sich auf Eingruppierung/ Bezahlung auch negativ auswirken.

Entscheidend hier, der AN wollte von sich die Veränderung sprich Versetzung!

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

MatthiasNRW, Thursday, 23.02.2017, 13:17 (vor 2590 Tagen) @ bibi

Hallo,

als neugewählte SBV, die erst 3 Monate im Amt ist und erst zu einer Schulung war, wäre es schön, wenn ihr mir bei folgender Situation helfen könnt:

Ein Mitarbeiter mit einem GdB von 60 kommt aus der Reha, und bittet in einem Gespräch mit dem Vorgesetzten, SBV + Personal, die biherige Arbeit, die im 2-Schichtsystem stattfand, nur noch in der Frühschicht ausüben zu dürfen. Dem wurde vom Vorgesetzten zugestimmt.
Der Mitarbeiter bekommt die Lohngruppe eines Teamleiters, arbeitet aber schon längere Zeit nicht mehr in dieser Position, ist aber trotzdem in dieser Lohngruppe verblieben.

Nun wurde in diesem Gespräch gefragt, ob der Mitarbeiter sich vorstellen könnte, da er nicht mehr als Teamleiter arbeitet (was wie erwähnt schon seit längerer Zeit der Fall ist), eine Lohngruppe niedriger eingestuft zu werden.

Der Mitarbeiter hat sich daraufhin Bedenkzeit erbeten, möchte aber sicher nicht auf das Angebot einehen.

Nach § 81 SGB IX dürfen AG schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen, und diese Mitarbeiter haben Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung vom Arbeitsplatz und Arbeitszeit.

Ein Anspruch auf ein bestimmtes Arbeitsentgelt lässt sich nicht herleiten.

Zwei Beispiele:
Wenn ein Mitarbeiter wegen Krankheit/Behinderung keine Nachtschicht mehr leisten kann, erhält er auch keine entsprechenden Zuschläge mehr.
Wenn ein Mitarbeiter sich auf den Anspruch auf Teilzeitarbeit nach § 81 Abs. 5 SGB IX beruft, so bedeutet dies nicht Teilzeitarbeit mit Vollzeitgehalt. Etwaige Gehaltseinbußen sind hinzunehmen.

Jetzt meine Frage:

Verstößt die Frage nach der Lohnkürzung im Zusammenhang mit dem Gespräch über die Anpassung der Arbeitszeit auf Grund der Krankheit und Behinderung gegen das AGG?

Nein, das erkenne ich nicht.
Der Arbeitgeber kommt seinen Pflichten nach, wenn er es dem Mitarbeiter ermöglicht, nur noch in der Frühschicht eingesetzt zu werden.

Wenn er im Rahmen dieses Gespräches auch andere vertragliche Aspekte aufgreift, ist das durchaus legitim. Falls die Entlohnung in der Vergangenheit weitergewährt wurde, mag es arbeitgeberseitig Gründe dafür geben (z. B. die Hoffnung, dass der Mitarbeiter wieder auf die Stelle zurückkehrt oder einfach nur Nachlässigkeit). Wenn ein Gespräch über vertragliche Inhalte der Beschäftigung geführt wird, kann natürlich jede Seite ihre Belange anbringen.

Wie argumentiere ich richtig und welche Gesetze greifen?

Ein Beschäftigungsverhältnis ist ein Austauschverhältnis.
Arbeitsleistung gegen Arbeitsentgelt.

Wer eine Tätigkeit nicht mehr ausübt, hat in aller Regel keinen Anspruch auf Entlohnung für diese Tätigkeit. Ausnahme: Tarifvertragliche Regelungen, die einen Vertrauenssschutz vorsehen.

Das AGG soll vor Ungleichbehandlung schützen. Zitat aus § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG: "Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde."

Soll also der Mitarbeiter mit Behinderung sein Gehalt als ehemaliger Teamleiter nicht mehr erhalten, obwohl ehemalige Teamleiter ohne Behinderung ihr Gehalt auf Ewigkeit weiter bekommen/ bekommen haben oder bekommen würden?

Gruß,

Matthias

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

bibi, Thüringen, Thursday, 23.02.2017, 13:48 (vor 2590 Tagen) @ MatthiasNRW

Hallo Matthias,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Ich glaube, ich habe etwas wichtiges vergessen zu erwähnen. Nach nochmaliger Rücksprache mit dem betroffenen AN weiß ich jetzt, dass dieser mit der entsprechenden Lohngruppe auf Grund seiner Ausbildung und Kenntnisse eingestellt wurde.
Im späteren Verlauf der Tätigkeit wurde dieser zum Teamleiter ernannt. Er ist in derselben Lohngruppe verblieben.
Die Tätigkeit als Teamleiter übt er wie bereits erwähnt aber schon länger nicht mehr aus.
Aus meiner Sicht hat also die Eingruppierung in die entsprechende Lohngruppe nichts mit der zwischenzeitlich ausgeübten Funktion Teamleiter zu tun.

Das einzige, was sich jetzt nach aktuellem Stand für den MA ändern würde, ist die AZ von zweischichtig auf einschichtig.

Grüße
Bianca

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

MatthiasNRW, Thursday, 23.02.2017, 14:02 (vor 2590 Tagen) @ bibi

Hallo Bianca,

Aus meiner Sicht hat also die Eingruppierung in die entsprechende Lohngruppe nichts mit der zwischenzeitlich ausgeübten Funktion Teamleiter zu tun.

Richtig. Unter den Voraussetzungen (Eingruppierung nach Ausbildung und Kenntnissen) sehe ich auch keine Gründe für eine Absenkung der Lohngruppe.

Gruß,

Matthias

Lohnkürzung, Verstoß gegen AGG?

WoBi, Thursday, 23.02.2017, 13:54 (vor 2590 Tagen) @ bibi

Hallo bibi,

wenn im Betrieb ein Tarifvertrag gültig ist ggf. diesen zusätzlich heranziehen. Denn es gibt z.B. im Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie tarifliche Regelungen für ältere Mitarbeiter mit Ausgleichzahlungen unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit, wenn eine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeführt werden kann. Die betroffene Person ggf. an die Gewerkschaft verweisen, falls eine Mitgliedschaft besteht.

--
Gruß
Wolfgang

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