Vorrübergehend Arbeitszeit reduzieren - geht das? (Umgang mit Arbeitgeber)

Pernille, Wednesday, 05.04.2017, 17:50 (vor 2571 Tagen)

Ein schwerbehinderten Mensch ist unter Arbeitsdruck und möchte deshalb seine Arbeitszeit reduzieren, von 100% auf 80%. Er hat eine stressbedingte Krankheit durch die Arbeit entwickelt und hat nun Angst um seine Gesundheit.

Ist es korrekt, dass er dies vorübergehend machen kann, z.B. ab sofort und für einen Zeitraum von einem Jahr? Danach wenn er gewissen gesundheitliche Maßnahmen durchgeführt hat, wird er zurückkehren.

Der Mitarbeiter ist überladen mit Aufgaben, will aber keine Überlastungsanzeige stellen. Er hat auch keine unmittelbare Vertretung, was dazu führt, dass er unter Arbeitsdruck leidet.

Nun hat er diesen Vorschlag gemacht. Er hofft dadurch den Arbeitgeber darauf aufmerksam zu machen, dass er extra Ressourcen zur Verfügung stellen soll. Bisher ignoriert der Arbeitgeber das Problem und wirft der SBV vor sich zu bürokratisch zu verhalten, wenn er die Sachlage schildert.

Vorrübergehend Arbeitszeit reduzieren - geht das?

Downunder, Baden-Württemberg, Wednesday, 05.04.2017, 23:42 (vor 2571 Tagen) @ Pernille

Hallo,

der Anspruch auf Teilzeitarbeit für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen ergibt sich aus § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX. Dieser verlangt nur, dass die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Dies muss dem AG dargelegt werden. Er entsteht unmittelbar bei Vorliegen seiner gesetzlichen Voraussetzungen. Der Arbeitgeber muss zuvor nicht zustimmen und es bedarf keiner Vertragsänderung. Der Rechtsanspruch auf Gewährung von Teilzeitarbeit aus § 81 Absätze 4 und 5 SGB IX kann vom schwerbehinderten Mitarbeiter jederzeit im laufenden Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden.
Möglich ist auch eine nur vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.10.2003 - 9 AZR 100/03).

Ablehnen kann der AG nur dann, wenn die Reduzierung unzumutbar wäre, z.B. wenn

- staatliche oder berufsgenossenschaftliche arbeitsschutzrechtliche Vorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen
- die Teilzeitbeschäftigung im Einzelfall zu einer unzumutbaren Änderung in der Arbeitsorganisation führen würde, die auch Arbeitsverhältnisse von Kollegen betreffen
- die notwendigen Räumlichkeiten nicht zur Verfügung stehen
- eine zusätzliche Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt nicht verfügbar ist
- der schwerbehinderte Arbeitnehmer die für die ausgeübte Tätigkeit erforderliche spezielle Qualifikation oder das Fachwissen innehat, der Einsatz von Ersatzpersonen daher Probleme bereitet und eine innerbetriebliche Umsetzung nicht möglich ist.

Allgemeine betriebliche Gründe, die die Organisation beeinträchtigen oder unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen, reichen für eine Begründung der Unzumutbarkeit nicht aus.

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Gruß

Downunder

Vorrübergehend Arbeitszeit reduzieren - geht das?

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 06.04.2017, 08:12 (vor 2570 Tagen) @ Downunder

Hallo,

läßt sich der AG nicht auf eine befristete Verringerung der Arbeitszeit ein, sieht die Kommentierung trotzdem mit Verweis auf § 84 Abs. 4 Nr. 1 ("... Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln ...") ein Recht auf Erhöhung der Arbeitszeit bei "Verbesserung der Leistungsfähigkeit" vor (LPK-SGB IX, Düwell, § 81 Rn 207)

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&Tschüß

Wolfgang

Vorrübergehend Arbeitszeit reduzieren - geht das?

Hendrik1, Niedersachsen, Monday, 10.04.2017, 23:16 (vor 2566 Tagen) @ WoBi

Moin Moin Wolfgang,

ich würde in Deinen Textvorschlag etwas einbauen .....


ich würde den Text wie folgt ergänzen:

auf Grund der Art und Schwere meiner Einschränkungen als Schwerbehinderter beantrage ich ab dem xx.xx.20xx eine Teilzeitbeschäftigung von xx Stunden in der Woche. Die Arbeitsstunden sollen auf 5 Tage von je x Stunden verteilt werden. Bei dieser beantragten Reduzierung meiner Arbeitszeit auf Teilzeit berufe ich mich auf die Ausführungen von § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX.

nach dem ersten Satz würde ich schreiben. .... in der Woche für zunächst ein Jahr (bei Bedarf kürzer oder länger) bis zum yy.yy.20yy.

Dieses hat den Hintergrund, dass sich Arbeitgeber teilweise mit einem Stellenaufbau schwer tun und eine Arbeitszeiterhöhung gerne blockieren wollen. Ist die Reduzierung der Arbeitszeit nur befristet beantragt, lebt der alte Zustand automatisch wieder auf, oder der Antrag auf Reduzierung wird verlängert.

Liebe Grüße

Hendrik

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