Leistungseinschränkungen eines schwerbehinderten Arbeitnehmers (Fragen zu einer Behinderung)

Roland Dittmann, Monday, 22.05.2017, 12:10 (vor 2524 Tagen)

Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass der Arbeitgeber bis 20 % Leistungseinschränkung tolerieren muss. Habe das auch bei Gesprächen in der Personalabteilung gesagt. Nun finde ich die Quelle nicht mehr. Kann jemand helfen?

Danke.

Leistungseinschränkungen eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Hendrik1, Niedersachsen, Monday, 22.05.2017, 12:37 (vor 2524 Tagen) @ Roland Dittmann

Moin Moin Roland,

sagen wir mal so: Das Integrationsamt fördert erst bei einer Minderleistung von 30%. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass der Arbeitgeber sofort eine Minderleistung hinnehmen muss. Er kann z.B. prüfen, ob es Arbeitsplätze mit weniger oder keiner Minderleistung gibt und die/den Beschäftigten dann umsetzen. Ob dies ggf. auch gegen den Willen der/des Schwerbehinderten geht, richtet sich z.B. nach den Schwerbehindertenrichtlinien im öffentlichen Landesdienst, oder aber Dienst/Betriebsvereinbarungen z.B. zum Thema BEM oder BGM oder Interner Umsetzung ect.

Daher ist das Thema komplexer und nicht so einfach zu beantworten.

Liebe Grüße

Hendrik

Leistungseinschränkungen eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

WoBi, Monday, 22.05.2017, 12:39 (vor 2524 Tagen) @ Roland Dittmann

Hallo,

wenn die Arbeitsleistung dauerhaft um >= 30 % reduziert ist, kann ein Antrag auf Minderleistungszuschuss gestellt werden.

"2. Minderleistung
Es gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wegen ihrer Behinderung weniger leisten als im Betrieb üblich ist. Wenn ein schwerbehinderter Mensch wegen seiner Behinderung für längere Zeit mindestens 30% weniger leisten kann, nennt man das Minderleistung."

von der Seite:
https://www.lwl-integrationsamt.de/leistungen/Arbeitgeber/belastungen

Dort werden auch die rechtlichen Grundlagen aufgezeigt. Im Umkehrschluss sind Leistungsschwankungen bis zu 30 % nicht Zuschussfähig und stellen demnach normale Schwankungen einer Person dar. Die Leistungsfähigkeit hängt also vom "Biorhythmus", Tagesform oder sonstigen Faktoren ab. Auch ein Spitzenathlet hat Formtiefs und benötigt Ruhephasen. :-)

--
Gruß
Wolfgang

Leistungseinschränkungen eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

albarracin, Baden-Württemberg, Monday, 22.05.2017, 12:54 (vor 2524 Tagen) @ Roland Dittmann

Hallo,

zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des AN gibt es auf Grundlage des § 611 BGB umfangreiche Rechtsprechung.

Kern der Rechtsprechung bei Schlecht- bzw. Minderleistung ist nicht ein objektiver Bewertungsmaßstab, sondern das subjektive Leistungsvermögen des individuellen AN.

Grundsätzlich gilt:
"Wer überdurchschnittl. leisten kann, ist auch zu überdurchschnittl. Leistungen verpflichtet. Wer umgekehrt nur unterdurchschnittl. leistungsfähig ist, genügt mit einer unterdurchschnittl. Leistung seiner Arbeitspflicht." (ErfK, Preis, § 611 BGB Rn 644).

Dabei wird idR ein AN nicht für ein Ergebnis, sondern für eine Tätigkeit bezahlt. (a.a.O., Rn 641).

"unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit" bedeutet aber nicht, daß sich der AN ausruhen kann. Vielmehr wird von ihm eine Leistung verlangt, "die er bei angemessener Anspannung seiner geistigen und körperl. Kräfte auf Dauer ohne Gefährdung seiner Gesundheit zu leisten imstande ist." (a.a.O., Rn 643)

Diese Grundsätze hat das BAG seit Jahrzehnten entwickelt, eine der letzten Entscheidungen hierzu mit der umfangreichen Darlegung der Grundsätze war 2 AZR 536/06:
https://openjur.de/u/172378.html

Im Endeffekt muß der AG eine derartige Minderleistung im Rahmen von ca. 70 - 80% der zu erwartenden Durchschnittsleistung "ertragen". Deswegen zahlt das IA idR in diesem Bereich auch dann keinen Zuschuß, wenn die Minderleistung behinderungsbedingt ist.

Wie so oft kommt es allerdings auch bei diesem Problem auf die konkreten Einzelfallumstände an und zu pauschale Aussagen könnten für einen AN durchaus gefährlich werden.

--
&Tschüß

Wolfgang

Leistungseinschränkungen eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

mietze_katz, Oberbayern, Monday, 22.05.2017, 20:28 (vor 2523 Tagen) @ albarracin


Im Endeffekt muß der AG eine derartige Minderleistung im Rahmen von ca. 70 - 80% der zu erwartenden Durchschnittsleistung "ertragen". Deswegen zahlt das IA idR in diesem Bereich auch dann keinen Zuschuß, wenn die Minderleistung behinderungsbedingt ist.

Hallo Wolfgang,

ich vertrete die Meinung, dass dann die Minderleistung, sofern sie behinderungsbedingt ist, sich im Endgeld (zB. Leistungsbeurteilung beim ERA-TV) nicht bemerkbar machen darf. Dies wäre ja sonst eine Diskriminierung und verstößt u.a. gegen das AGG.

Wie ist hierzu Deine bzw. die Meinung anderer Forumsteilnehmer?

MfG

Sepp

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