Schwellenwert (Freistellung)

Claudia Hornig, Friday, 23.06.2017, 20:21 (vor 2492 Tagen)

Hallo Zusammen,
seit 2 Jahren versuche ich jetzt eine zumindest eine Teil-Freistellung zu bekommen. Mein Personalleiter findet mehr Ausreden diese abzulehnen als eine Maus ein Loch. Jetzt, nachdem der Schwellenwert auf 100 sbMitarbeiter reduziert wurde und bei mir der 100. sbM gemeldet wurde, habe ich es erneut versucht. Was ist passiert? Wieder abgelehnt. Der Personaler macht dies jetzt an seiner Definition für "was heißt beschäftigt" fest: "„Beschäftigt“ ist dabei, wer als dienststellenzugehörig angesehen werden kann. „Dienststellenzugehörig“ wiederum sind nur solche Beschäftigte, die in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zur Dienststelle stehen und innerhalb der Dienststellenorganisation abhängige Dienst- oder Arbeitsleistung erbringen (LAG Berlin-Brandenburg v. 26.6.2013, 4 TaBV 664/13).
Dies bedeutet, dass Mitarbeiter die sich zum Beispiel in Zeitrente, Altersteilzeit Freizeitphase, Beschäftigungsverbot, Elternzeit, Krankheit länger als 78 Wochen oder unbezahltem Urlaub bef"inden, keine Beschäftigten im Sinne des anzuwendenden Gesetzes sind." Außerdem würden in den Monaten Juni und Juli 2017 nochmals vier schwerbehinderte Mitarbeiter ausscheiden" und somit der Schwellenwert deutlich unterschritten.

Kann mir jemand die Aussagen auseinander pflücken und mir sagen, ob mein Personaler Recht hat zumindest mit der 1. Aussage?
Bei der 2. Aussage bin ich mir ziemlich sicher, dass ich gelernt habe, dass der Zeitpunkt für die Freistellung gilt, wenn der Schwellenwert erreicht wurde und man dann nicht mehr hoch oder runterrechnen muss.

Seid doch bitte so nett und lest meinen Text durch und gebt mir gute Kommentare, die auch mit §§ unterfüttert sind.

Mit guten Wünschen für ein schönes erholsames Wochenende verbleibe ich mit
herzlichen Grüßen, Claudia

Schwellenwert

Hendrik1, Niedersachsen, Friday, 23.06.2017, 23:04 (vor 2492 Tagen) @ Claudia Hornig

Moin Moin Claudia,

für das Erreichen des Schwellenwerts eine einfache Frage: Der Arbeitgeber muss doch die Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten im Jahr 2016 an die Agentur für Arbeit bis 31.03.2017 gemeldet haben. Auf diese Liste hast auch Du aufgrund des §85,2 SGB IX einen Rechtsanspruch.

Wieviel Schwerbehinderte hat denn der Arbeitgeber selber gemeldet? Sind dies über 100 und hat er den Personenkreis, den er Dir gegenüber ausschließt, hier selbst eingerechnet, hast Du gute Argumente an der Hand.

Leider muss ich Dich wegen des 100. Schwerbehinderten ein wenig enttäuschen ... es heißt im § 96 SGB IX:
Sind in den Betrieben und Dienststellen in der Regel wenigstens 100 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch freigestellt; weiter gehende Vereinbarungen sind zulässig.

In der Regel wenigstens 100, kann aus meiner Sicht einen Zeitraum einschließen ....

Du hast, wie auch Betriebs- bzw. Personalrat, die Möglichkeit, diese Aussage auf Kosten des Arbeitgebers juristisch überprüfen zu lassen.

Sollte der Jursit zu dem Schluß kommen, dass dies so wie Du und ich annehmen, (alle zählen mit) zu sehen ist, dann bist Du freizustellen, wenn der Schwellenwert (unter Umständen eine zeitlang) erfüllt ist.

Du kannst auch mit dem Juristen wegen Behinderung der Arbeit vor Gericht ziehen.
Auch das Integrationsamt sollte Dir hier hilfreich zur Seite stehen können.


Liebe Grüße

Hendrik

Schwellenwert

Claudia Hornig, Saturday, 24.06.2017, 12:03 (vor 2491 Tagen) @ Hendrik1

Vielen Dank, Hendrik, für die schnelle Antwort. Hier jetzt noch die Frage, welcher Jurist ist denn der beste Ansprechpartner, der für Sozialrecht oder der für Arbeitsrecht?
Ich bitte nochmals um Info.
Danke.

Schwellenwert

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 28.06.2017, 12:17 (vor 2487 Tagen) @ Claudia Hornig

Moin Moin Claudia,

aus meiner Sicht Sozialrecht. Da im SGB IX unsere Rechte verankert sind.
Ich würde aber erst die Liste des Arbeitgebers abwarten, bzw. bei der Agentur für Arbeit anfragen, ob der AG diese Liste abgegeben hat. Sollte Dir diese Liste nicht ausgehändigt worden sein, hilft manchmal auch eine Mail mit dem Integrationsamt in cc.....

Liebe Grüße

Hendrik

Schwellenwert

Monica99, Saturday, 24.06.2017, 13:22 (vor 2491 Tagen) @ Claudia Hornig

Hallo,

im Betrieb BESCHÄFTIGT ist die Richtlinie!!

Dieses bedeutet, dass hierzu alle im Betrieb beschäftigte Schwerbehinderte zählen. Also nicht nur die welche mit diesem AG einen Arbeitsvertrag haben. Somit zählen auch diese Schwerbehinderte hierzu, die zwar einen Arbeitsvertrag mit einem anderen AG/Dienststelle haben, aber in Deinem Betrieb beschäftigt werden. Nicht hierzu zählen Schwerbehinderte die ggf für eine Schulung/Tagung/Seminar usw. sich kurzfristig/vorübergehend in Deinem Betrieb aufhalten.


Fazit: Die Schwerbehinderte müssen im Betrieb beschäftigt werden aber nicht zwingend einen ArbV mit diesem AG haben!!

Weiter, JEDE SBV hat das Recht soweit erforderlich für ihre Mandatstätigkeit vom AG von der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit freigestellt zu werden. Wichtig auch die Mandatsarbeit hat Vorrang, damit muss die arbeitsvertragliche Arbeit sich hinten anstellen.

Durch diese faktische Freistellung kann man ggf auch zu fast 100% freigestellt werden. Nur halt mit dem Fakt, dass man sich ggf regelmäßig beim AG für die Mandatsarbeit abmelden muss. Alles wichtige hierzu findest Du unter A-Z

--
mfg Monica

Schwellenwert

ClaudiaHornig, Offenburg, Thursday, 13.07.2017, 16:48 (vor 2472 Tagen) @ Monica99

Liebe Monica,
da möchte ich doch gerne nochmals nachfragen. Gilt das mit den "Schwerbehinderten , die zwar einen Arbeitsvertrag mit einem anderen AG/Dienststelle haben, aber in meinem Betrieb beschäftigt werden" auch für den Öffentlichen Dienst oder nur für das freie Gewerbe.
Diese Frage wäre jetzt noch recht wichtig für mich.

Vielen Dank schon einmal für die nochmalige Rückmeldung.

Schwellenwert

Monica99, Thursday, 13.07.2017, 17:41 (vor 2472 Tagen) @ ClaudiaHornig

Hallo,

da möchte ich doch gerne nochmals nachfragen. Gilt das mit den "Schwerbehinderten , die zwar einen Arbeitsvertrag mit einem anderen AG/Dienststelle haben, aber in meinem Betrieb beschäftigt werden" auch für den Öffentlichen Dienst oder nur für das freie Gewerbe.
Diese Frage wäre jetzt noch recht wichtig für mich.

Vielen Dank schon einmal für die nochmalige Rückmeldung.

Dieses gilt grundsätzlich, aber auch meinen 2 Beitrag dazu lesen und beachten.

Wichtig, für einen Schwerbehinderter der in dem einen Betrieb arbeitet aber einen ArbV mit einem anderen AG hat, sind dann zwei SBVn zuständig. Die einen für die Themen Arbeitsplatz/ -Umfeld und die andere für alles was mit dem ArbV zu tun hat.

--
mfg Monica

Schwellenwert

GerdS, Hessen, Wednesday, 28.06.2017, 10:40 (vor 2487 Tagen) @ Claudia Hornig

Hallo Claudia,

nachfolgende Passage (zb Spezial Wahl der Schwerbehindertenvertretung) betrifft die Wahl und wer wahlberechtigt ist, ist auch beschäftigt. Vielleicht hilft das ein wenig.

Mitgezählt werden gemäß § 116 Absatz 1 und 2 SGB IX diejenigen behinderten Menschen, deren Grad der Behinderung sich auf weniger als 50 verringert hat/deren Gleichstellung widerrufen ist, wenn der Bescheid, der die Verringerung des Grades der Behinderung feststellt/die Gleichstellung widerruft, noch nicht bestandskräftig ist oder – wenn (nach Bestandskraft jenes Bescheides) – der Zeitpunkt der Wahlhandlung noch in die dreimonatige Auslauffrist gemäß § 116 SGB IX fällt.

Die Art des Beschäftigungsverhältnisses ist unerheblich. Es braucht kein echtes Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts vorzuliegen; entscheidend ist nach dem Wortlaut des § 94 Absatz 1 Satz 1 SGB IX nur die tatsächliche Beschäftigung, sodass auch diejenigen schwerbehinderten Menschen, die auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 Absatz 2 SGB IX beschäftigt werden, mitgezählt werden.

Auch schwerbehinderte Menschen in der Phase der betrieblichen individuellen Qualifizierung (vergleiche § 38a Absatz 2 SGB IX) und so genannte Perspektiv-Jobber Personen mit mehrfachen Vermittlungserschwernissen, für die der Arbeitgeber einen Beschäftigungszuschuss nach § 16e SGB II erhält, wenn er nach der Zuweisung ein Arbeitsverhältnis begründet)sind wahlberechtigt.19). Dasselbe gilt für Teilzeitbeschäftigte, auch wenn ihre Stelle gemäß § 73 Absatz 3 SGB IX nicht als Arbeitsplatz gilt, weil sie weniger als 18 Stunden wöchentlich arbeiten.

Der Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit und die Höhe des Entgelts für die Teilzeittätigkeit sind für die Zuerkennung der Beschäftigungseigenschaft nämlich grundsätzlich ohne Belang.

--
Viele Grüße
Gerd

Schwellenwert

Monica99, Wednesday, 28.06.2017, 11:03 (vor 2487 Tagen) @ Claudia Hornig

Hallo,

man muss hier zwei (2) Zahlen/Werte unterscheiden.

Das eine ist die Zahl der im Betrieb vom AG beschäftigten Schwerbehinderten die der AG auf Grund der Pflichtquote § 81 SGB IX beschäftigen muss und der AG auch an die Arbeitsagentur melden muss.

Weiter die Schwerbehinderten welche ein Wahlrecht haben und in die Gruppe der Schwerbehinderten fallen für die die SBV zuständig ist.

Wenn zB in einem Betrieb ein Schwerbehinderter arbeitet der einen ArbV mit einem anderen AG hat, so fällt dieser unter die Pflichtquote des AG der den ArbV ausgestellt hat für den Arbeitsplatz in dem Betrieb in dem dieser Schwerbehinderte aber arbeitet (dauerhaft oder zeitweise) ist die SBV dieses Betriebes zuständig.

--
mfg Monica

Schwellenwert

GerdS, Hessen, Wednesday, 28.06.2017, 11:43 (vor 2487 Tagen) @ Monica99

Hallo Monica,

so sehe ich das auch.
Anzumerken ist wohl noch, dass vorübergehend (bis zu sechs Monate) Beschäftigte nicht mitzurechnen sind, auch nicht schwerbehinderte Arbeitgeber (wie z.B. Geschäftsführer)

Im zb Spezial Wahl der Schwerbehindertenvertretung wird hier sehr genau auf viele mögliche Konstellationen eingegangen.

--
Viele Grüße
Gerd

Schwellenwert

Cebulon, Thursday, 13.07.2017, 18:40 (vor 2472 Tagen) @ Claudia Hornig

gelernt, dass der Zeitpunkt für die Freistellung gilt

Hallo, es kommt auf die "in der Regel" beschäftigten sbM an. Dazu ist nicht auf aktuelle Zahlen abzustellen:

"Maßgeblich ist, wie viele schwerbehinderte und gleich­ge­stellte behinderte Menschen im Allgemeinen im Betrieb oder in der Dienststelle beschäftigt werden. Hierbei ist auf einen nicht zu kurzen Referenzzeitraum abzustellen. Es ist sowohl die vergangene Be­schäf­ti­gungslage als auch die künftige Entwicklung zu berück­sich­ti­gen (GK-SGB IX/Schimanski § 95 Rn 62 mwN; Knittel, SGB IX, § 95 Rn. 17a). Geringfügige Schwan­kun­gen der Beschäftigtenzahl bleiben außer Acht" (vgl Düwell, LPK-SGB IX § 95 Rn 29 zum "Schwellenwert")

Gruß,
Cebulon

Schwellenwert

rehbach2010, BW, Tuesday, 05.12.2017, 11:17 (vor 2327 Tagen) @ Claudia Hornig

Hallo Claudia,

leider hat der Gesetzgeber einen Zusatz im Gesetz (gewollt?) vergessen, der eine anteilige Freistellung bei Unterschreiten des Schwellenwerts vorsieht. So bleibt es dem Arbeitgeber überlassen - nach Gutsherrenart - zu entscheiden, ob und wie weit er auf den Antrag der SBV eingeht und eine entsprechende Vereinbarung trifft. Selbst beim Überschreiten des Schwellenwerts wird der AG versuchen, sich das Ergebnis schön zu rechnen.

Leider bleibt da nur der beschwerliche Weg über die Bedarfsfreistellung mit allen ihren Nachteilen- (wie, Sie wollen in der nächsten Woche schon wieder wegen .... fehlen ....denken Sie doch mal auch an das Team usw. usw ....) Hier wird man dann auf der persönlichen Ebene angegriffen und die Gefahr ist gross, dass man sich dann selbst überlastet, weil man es allen recht machen will...

Wenn sich dazu dann auch noch ein schlaffer BR oder PR gesellt ist, wirds traurig...

Thomas

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