Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren (Einstellung)

Kati, Thursday, 13.07.2017, 16:46 (vor 2469 Tagen)

Liebe Forum-Mitglieder,

laut § 81 Abs. 2 SGB IX darf in einem Vorstellungsgespräch/Berufungsverfahren nicht nach einer Schwerbehinderung gefragt werden. Der Kandidat hat diese in den Unterlagen aber angegeben.

Inwieweit dürfen dann in einem Berufungsverfahren mögliche Auswirkungen einer Schwerbehinderung (bspw. Absenkung der Lehrbelastung usw.) thematisiert werden?

Ich danke euch für eure Unterstützung.

Viele Grüße

Kati

Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren

Cebulon, Thursday, 13.07.2017, 21:30 (vor 2469 Tagen) @ Kati

Inwieweit dürfen dann in einem Berufungsverfahren mögliche Auswirkungen einer Schwerbehinderung (bspw. Absenkung der Lehrbelastung usw.) thematisiert werden?

Hallo Kati, wenn pro­zessrelevant bzw. ent­schei­dungs­er­heb­lich, darf dem natürlich nachgegangen werden. Es geht insoweit ja nicht um die rein statusbezogene Frage nach einer Schwerbehinderung, sondern vielmehr wohl um mögliche Auswirkung auf ausgeschrieben Ar­beits­platz sowie darum, ob und inwieweit kompensierbar. Wenn etwa eine Lehr­kraft behinderungsbedingt nicht Vollzeit, sondern zB nur ⅔ Teilzeit arbeiten kann, dürfte das aber idR kein Ausschlusskriterium für Ein­stel­lun­g sein. Zur Rechtsfrage der Offenbarung vgl. Fachlexikon der BIH. Ohne näher zu wissen, worum es hier geht, ist gezielte Antwort aber kaum möglich.

Gruß,
Cebulon

Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren

Kati, Monday, 31.07.2017, 15:52 (vor 2451 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

zunächst vielen Dank für die Antwort. Die Fragestellung hat sich mittlerweile etwas konkretisiert.

Das eine SB-Eigenschaft vorliegt ist bekannt, dass hat der Kandidat in den Unterlagen angegeben.

Jetzt stellt sich die konkrete Frage, inwieweit diese Beeinträchtigung im Gespräch thematisiert werden darf, z.b. Fragen nach zu schaffenden Voraussetzungen, wie ihn diese Behinderung im Lehrbetrieb einschränkt, was die Gestaltung des Arbeitsplatzes betrifft bzw. die Deputatsreduzierung.

Können solche Punkte offen angesprochen werden?

Ich Danke für eure Hilfe.

Viele Grüße

Kati

Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren

Cebulon, Tuesday, 01.08.2017, 07:00 (vor 2450 Tagen) @ Kati

Fragen nach zu schaffenden Voraussetzungen, was die Gestaltung des Arbeitsplatzes betrifft

Hallo Kati, zu dieser Rechtsfrage vgl auch Düwell, Das reformierte Arbeitsrecht 2005, Kapitel 8, Rn. 12. Kennt evtl jemand neuere Quellen zu diesem Thema speziell zum Einstellungsverfahren?

Der Ärztliche Dienst als ein beratender Fachdienst der BA stellt gesundheitlich bedingte integrationsrelevante Funktionseinschränkungen fest und schätzt auch deren Auswirkung auf die berufliche Eingliederung ein. Der § 32 SGB III sieht ärztliche Begutachtung Ratsuchender mit deren Einverständnis vor, soweit für Feststellung der Berufseignung oder Vermittlungsfähigkeit erforderlich.

Zu der Frage der behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes sollten Technischer Beratungsdienst bzw. die Technischen Fachberater der BA oder des InA bei Bedarf gutachtlich beraten können.

Gruß,
Cebulon

Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 01.08.2017, 09:45 (vor 2450 Tagen) @ Kati

Moin Moin Kati,

aus meiner Sicht dürfen bzw. müssen alle Punkte angesprochen werden, die vor einer Einstellung zu klären sind und mit dem Arbeitsplatz bzw. der Arbeitsaufgabe verknüpft sind. Es darf niemand nach den Gründen der Schwerbehinderung gefragt werden, welche Frage aber aus meiner Sicht zulässig ist, ist die nach den konkreten Auswirkungen auf den Arbeitsplatz.
Benötigt jemand z.B. aus gesundheitlichen Gründen einen elektrisch höhenverstellbaren Schreibtisch, um seine Arbeitshaltung jederzeit ändern zu können und muss dieser, um Verschlechterungen der Erkrankung bzw. Ausfallzeiten vorzubeugen, bei Dienstantritt zur Verfügung stehen, dann muss dieses im Einstellungsverfahren bekannt werden. Dabei ist es unerheblich, ob die Notwendigkeit für diese Arbeitshilfe durch Gesundheitsstörungen wie z.B. Bandscheibenvorfälle, Kniearthrose oder eine andere Einschränkung hervorgerufen wird.

In Ausnahmefällen empfehle ich allerdings Schwerbehinderten, ihre Gesundheitsstörung offen zu legen, um schnellstmögliche Hilfestellung zu erhalten. Dies gilt z.B. bei Epilepsie oder Diabetes. Die Zuckungen bei Unterzucker mit Bewusstlosigkeit können sonst auch mit einem Krampfanfall verwechselt und eine falsche Therapie mit dem Risiko von Gehirnschäden durch Unterversorgung mit Glucose eingeleitet werden. Daher ist es wichtig, dass die Kollegen/innen dann die Gesundheitsstörung kennen.

Liebe Grüße

Hendrik

Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren

Kati, Tuesday, 01.08.2017, 20:37 (vor 2450 Tagen) @ Hendrik1

Hallo Hendrik,

vielen Dank für die Antwort.

Wenn man die konkreten Auswirkungen auf den Arbeitsplatz anspricht, kann man dann soweit gehen, auch mögliche Einschränkungen im Lehrbetrieb bzw. Deputatsreduzierung mit anzusprechen, wenn dieser Tätigkeitsbereich zu den Arbeitsaufgaben gehören wird?

Viele Grüße

Katrin

Thematisierung einer Schwerbehinderung im Berufungsverfahren

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 02.08.2017, 09:10 (vor 2449 Tagen) @ Kati

Moin Moin Kathrin,

Radio Eriwan meint dazu: ein entschiedenes Jein.

Wenn es zu den in dem Ausschreibungstext stehenden Arbeitsaufgaben gehört: Aus meiner Sicht Ja, denn Einschränkungen in der Arbeit oder Hilfebedarf sollte vor der Einstellung thematisiert werden. Sind diese zu groß würde dies ansonsten in der Probezeit bekannt werden und damit diese beendet, womit der/die Bewerber/in auf der Straße steht.
Steht es nicht im Ausschreibungstext, auf den sich die Bewerber/innen ja schließlich in der Bewerbung beziehen und einstellen, dann hat der Arbeitgeber aus meiner Sicht kein Recht, danach zu fragen.

Liebe Grüße

Hendrik

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