Stellvertretung (Stellvertreter/in)

Apanatshi, Bayern, Wednesday, 08.08.2007, 14:21 (vor 6144 Tagen)

Hallo liebe Kollegen,
wer kann mir zu folgender Frage eine niet-und nagelfeste Information geben.
Mir ist bekannt, dass die Vertrauensperson für SB-Tätigkeit während ihrer Arbeitszeit "freigestellt" werden muss, bzw. diese Tätigkeit vorrang vor ihrer berufliche Tätigkeit hat.
Festzustellen ist, dass der Arbeitgeber nun der Meinung ist, meine Beanspruchung durch Beratungstätigkeiten und Teilnahme an Sitzungen, Bewerbungsgesprächen etc. sei zu hoch und ich sollte zu meiner eigenen Entlastung (wohl eher zu ihrer eigenen);-) meine Stellvertretung einbinden.
Mir ist bekannt, dass eine Hinzuziehung der Stellvertretung bei derzeit 69 SB vom Gesetz her nicht möglich ist und nur bei wirklicher Verhinderung wie Urlaub, krankheit oder Terminüberschneidungen möglich ist. Der Arbeitgeber besteht aber vehement darauf und unterstellt mir fehlende Zusammenarbeit:-D :-( .
Sollte die Stellvertretung tatsächlich Tätigkeiten wahrnehmen, obwohl ich nicht wirklich verhindert im gesetzlichen Sinne war, hätte dies denn evtl. Auswirkungen in Streitfällen, z.B. vor dem Arbeitsgericht (Beteiligung bzw.Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung usw.). Vielleicht hatte einer von Euch diesen Fall bereits einmal> Kann leider im Gesetz und Kommentar nicht wirklich was finden.
Gruß Apanatshi

Stellvertretung

hackenberger, Wednesday, 08.08.2007, 15:09 (vor 6144 Tagen) @ Apanatshi

Hallo Apanatshi,

Du schreibst es doch schon selbst ganz richtig. Die Aufgaben der SchwbV sind im SGB IX geregelt. Auch ist es richtig, dass Mandatsaufgaben Vorrang haben. Auch die Möglichkeiten der Vertretung, also den Einsatz des Stellis ist im SGB IX abschließend geregelt.

Verweise also Deinen AG einfach nochmals auf das SGB IX und die hierzu (zu diesen Themen) ergangene Rechtssprechung, auch BAG-Rechtsprechung.

Spreche auch einmal den AG darauf hin an, dass Du zwar durchaus Verständnis für Überlegungen hast welche er hier hat, aber Du auch davon ausgehst, dass der AG hier dich nicht in der Ausübung Deines Mandates behindern möchte, wäre Strafbar.

Aber auch diesen Hinweis von mir am Schluss. Auch ich habe in der langen Zeit als VPSchwb in welcher ich nicht voll freigestellt war, stets die betrieblichen Notwenigkeiten und die Mandatsarbeit in der Wichtigkeit gegeneinander abgewägt. Also stets dem den Vorrang gegeben, was z.Zt. gerade Vorrang haben musste. Dieses war dann auch ggf. die betrieblichen Belange (also die "normale" Arbeit). So kam es dann auch schon mal vor, dass ich BR-Sitzungen oder Ausschusssitzungen nicht in der Gänze beigewohnt habe, weil zu Beispiel Themen behandelt wurden wo ich keine Besonderheiten für Schwerbehinderte sah. Beratungen kann man sehr oft verschieben, denn hier kommt es i.d.R. nicht auf die Sekunde/Stunde an. Ich habe sogar teils den Koll. angeboten diese außerhalb der Arbeitszeit/-ort zu machen, also auch einmal ein Anruf abends zu Hause. Diese war vielen Koll. auch teils viel lieber so.

Der AG hat dieses Handeln von meiner Seite auch stets anerkannt. Vielleicht war dieses auch der Grund warum ich sehr vieles für das Thema und die Koll. erreichen konnte.

Ich kannte auch SchwbV in meinem Unternehmen welche dieses anders sahen und auch anders handeln. Diese hatten dann aber teils auch es nicht so einfach wie ich bestimmte Dinge umzusetzen.

In meiner Funktion als GVPSchwb habe ich in diesen und sich hieraus ergebenen Themen vermittelt. Bin als vom AG als Vermittler hinzugebenten worden.

Stellvertretung

Apanatshi, Bayern, Thursday, 09.08.2007, 10:37 (vor 6143 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

ich kann Deine Vorgehensweise nur bestätigen. Bis dato habe ich auch so gehandelt und Prioritäten gesetzt was die berufliche Tätigkeit und die Wahrnehmung der Aufgaben als SBV betrifft und habe einige Dinge nicht wahrgenommen, weil sie mir momentan nicht wichtig erschienen oder habe sie an die Stellvertretung, ja sogar an den Betriebsrat delegiert. Ich hatte bisher auch keine Probleme, manche Termine auch außerhalb meiner Arbeitszeit zu legen, besonders bei den Personen, die nicht während der Arbeitszeit die SBV aufsuchen wollen. Auch wurden Anträge an Rehaträger, Arbeitsamt/Mehrfachanrechnung/Gleichstellung und an das Integrationsamt ausschließlich von mir bearbeitet und für das lfd. Jahr sind mit mehr als 40000€ an Zuschüssen zu rechnen. Ich fordere vom Arbeitgeber ein Mindestmaß an Zusammenarbeit, was er mir verweigert. Verstöße allein gegen §95, 96 sind an der Tagesordnung, es werden Informationen vorenthalten usw. Könnte eine lange Liste aufführen. Diese extreme Verhaltensänderung ist eingetreten, nachdem ein WEchsel in der Führungsriege erfolgt ist. Vorher waren viele Dinge so geregelt, dass man bzw. ich als SBV damit leben konnte und nicht in meiner Arbeit behindert worden bin. Dies ist nicht mehr gegeben. Bewerbungsunterlagen werden der SBV 3 Tage vor Bewerbungsgespräch ausgehändigt ...., personelle Entscheidungen werden ohne Einbeziehung der SBV getroffen etc., Selbst Betriebsvereinbarungen werden nicht mehr eingehalten!
Ich bin was Zusammenarbeit betrifft in Vorleistung getreten und wurde in den letzten Monaten direkt und indirekt behindert und nicht zuletzt persönlich als Arbeitnehmerin und SBV unter Druck gesetzt worden. Leider wird der Weg unter Umständen, wenn es nicht eine Kehrtwendung in absehbarer Zeit gibt, zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, was ich nicht gerne anstrebe. Im anderen Fall mache ich mich aber unglaubwürdig, darüber sind wir uns ja wohl einig> Geredet, geschrieben und verhandelt wurde nun genug. Dies wird auch vom Betriebsrat so vertreten.
Gruß A.

Stellvertretung

hackenberger, Friday, 10.08.2007, 10:10 (vor 6142 Tagen) @ Apanatshi

Hallo Apanatshi,

es scheint bei euch ein grundsätzliches Problem entstanden zu sein, es war wohl einmal anders. So etwas geschieht immer dann leicht, wenn im Management oder in den Führungspositionen neue, oftmals junge Koll., vielleicht auch frisch von den Unis nachrücken.

Dieses grundsätzliche Thema solltet ihr, SchwbV und BR, gemeinsam erst einmal angehen. Ich unterstelle einmal, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen SchwbV und BR klappt, denn dieses ist die grundsätzliche Voraussetzung.

Ihr sollte als ein Gespräch gem. § 74 BetrVG ansetzen und hier die Themen „Vertrauensvolle Zusammenarbeit und hierzu zählt auch die Einhaltung von Gesetzen, BVn usw.“ behandeln. Dieses auch alles entsprechend protokollieren. In diesem Gespräch muss es dem AG klar verständlich gemacht werden, dass es zu den Aufgaben der Mandatsträger gehört auf die Einhaltung der Regeln zu achten/hinzuwirken und dass die Mandatsträger hier ihre Aufgaben/Pflichten ernst nehmen. Hierzu gehört dann auch sollte es leider anders nicht möglich sein, die rechtlichen Möglichkeiten gem. der geltenden gesetzlichen Regelungen voll auszuschöpfen, was aber keiner möchte, auch weil hier ja vermeidbare Kosten entstehen würden. Mann ziele weiter auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit ab.

Sollte dieses dann nicht zum Ziel führen, muss man leider die rechtlichen Möglichkeiten nutzen. Dieses wäre im ersten Schritt den AG abzumahnen. Ja, nicht nur der AG kann Mitarbeiter abmahnen, es geht auch umgekehrt. So können auch MA-Vertretungen den AG abmahnen. Die nächsten Schritte wären dann die gerichtlichen Schritte lt. BetrVG oder in Deinem Falle, die Möglichkeiten des SGB IX, z.B. § 156 oder soweit gegeben auch arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren.

Arbeitsgerichte sehe es immer sehr gerne, wenn die MA-Vertretungen im Vorfeld stets versuchen mit Gesprächen und den „milden“ Mitteln den AG zu gesetzmäßigen Handeln zu veranlassen bevor sie die Arbeitsgerichtsbarkeit bemühen. Dann wird wohl auch im letzten Falle ein Ordnungsgeld zu verhängen leichter entsprochen.

Die SchwbV hat weiter ja auch bei nicht ordnungsgemäßer Einbindung die Möglichkeit der Aussetzung von Maßnahmen. Dieses wäre z.B. bei Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen, die Möglichkeit sofern man wegen verspäteter oder unzureichender Möglichkeit der „Einsichtnahme“ in die Bewerbungsunterlagen, also nicht das Überlassen, die Aussetzung der Maßnahme, hier des Vorstellungsgespräches. Bitte aber auch beachten, die SchwbV hat nur den Anspruch auf Einsichtnahme, nicht auf überlassen der Unterlagen. Das Thema „Einsichtnahme“ ist abschließend im Arbeitsrecht geregelt. Es bedeutet z.B. auch man darf sich Notizen machen nicht alles abschreiben oder kopieren.

Aber auch umgehend ist abschließend geregelt. Es bedeutet, so schnell wie möglich, also nach Sichtung durch den AG.

Ich persönlich halte aber auch die Möglichkeit 3 Tage vor den Gesprächen die Unterlagen zu sichten (Einsichtnahme) für gut, denn dann habe ich beim Gespräch noch frische Eindrücke/Erinnerungen. Die SchwbV hat ja das Recht, sofern nur eine Bewerbung eines Schwerbehinderten eingeht, an allen Vorstellungsgesprächen teilzunehmen und alle Unterlagen einzusehen.

Stellvertretung

Golem, Thursday, 09.08.2007, 07:14 (vor 6143 Tagen) @ Apanatshi

» Hallo liebe Kollegen,
» wer kann mir zu folgender Frage eine niet-und nagelfeste Information
» geben.
;-) >>>nur einen Kommentarauszug...

Kommentar zum Schwerbehindertenrecht, Feldes/Kamm/ Peiseler/von Seggern/Unterhinninghofen/Westermann/Witt zu §96 Abs. 4 SGB IX (RN11):

Die Tätikeiten der Schwerbehindertenvertetung findet überwiegend während der Arbeitszeit statt. Aus diesem Grunde ist der Arbeitgeber nach Abs. 4 Satz 1 verpflichtet, die Vertrauensperson zur Wahrnehmung und erledigung ihrer Aufgaben nach §95 von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Dabei darf das Arbeitsentgelt nicht gemindert werden. Da die Schwerbehindertenvertretung in ihrer Funktion an keinerlei Weisungen weder durch den Arbeitgeber, den Betriebsrat oder sonstige innerbetriebliche wie außerbetriebliche Stellen bebunden ist, entscheidet sie selbst, wann, wie oft, und zu welchem Zweck es erforderlich ist, tätig zu werden.. Die Erledigung der Aufgabe als Interessenvertretung der schwerbehindertern Menschen hat Vorrang vor der Tätigkeit inder Eigenschaft als Arbeitnehmer.

Liebe Grüße
Golem

Stellvertretung der Vertrauensperson

Wolfgang E., Thursday, 09.08.2007, 21:05 (vor 6143 Tagen) @ Apanatshi

» Der Arbeitgeber ist der Meinung, ich sollte zu meiner eigenen Entlastung meine Stellvertretung einbinden.

Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Das Gesetz sieht nur eine Verhinderungsvertretung bei Abwesenheit der Vertrauensperson oder bei Wahrnehmung anderer Amtsaufgaben wie Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats oder seiner Ausschüsse vor (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) abgesehen von den Sonderfällen des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Die Vertretungsfälle sind demnach vom Gesetzgeber abschließend geregelt, wie Bernhard richtig feststellte, und stehen nicht zur Disposition.

Das kann er zwar verlangen von seinem Beauftragten und der Stellvertretung des Beauftragten nach [link=http://beck-online.beck.de/default.aspx>typ=reference&y=400&w=NeumannPMPSGBIXKO_12&name=ID_596]§ 98 SGB IX[/link], weil er da als Unternehmer ein Organisationsrecht hat. Das geht aber schon deswegen nicht beim Amt der gewählten Schwerbehindertenvertretung, weil das im Ergebnis einer (teilweisen) Amtsenthebung gleichkäme und weil die Amtsaufgaben der SBV anders als die Aufgaben des AGB gerade nicht "im Auftrag" des AG erfolgen.

Die Schwerbehindertenvertretung ist kein Gremium, kein Kollektivorgan wie der Betriebsrat oder der Personalrat. Amtsinhaber ist allein die Vertrauensperson (Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Rdnr. 8 zu § 94 SGB IX). Das Amt ist regelmäßig von der Vertrauensperson höchstpersönlich auszuüben. Der Arbeitgeber hat ebenso wie beim Betriebsrat kein Weisungsrecht bezüglich der Mandatsausübung.

Dieses Ansinnen ist auch deshalb rechtswidrig, da damit faktisch der Wählerwille umgangen bzw. damit das Wahlergebnis verfälscht würde. Der Arbeitgeber hat kein Recht, sich quasi die Schwerbehindertenvertretung „auszusuchen“ bzw. sich über das Wahlergebnis hinwegzusetzen; es kann daher nicht "wegdiskutiert" werden.

Die Unternehmenstätigkeit kann nur im Rahmen der Rechtsordnung, also der geltenden Gesetze wie etwa dem Schwerbehindertenrecht, erfolgen. Wenn der Gesetzgeber wie hier abschließend entschieden hat, steht dem Arbeitgeber kein eigenes Entscheidungsrecht und insbesondere kein vom Gesetz abweichendes zu.

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