Arbeitserprobung nach langer EU Rente (Rente / Pension / ATZ)

Hans, Hessen, Thursday, 29.10.2015, 09:28 (vor 3100 Tagen)

Hallo zusammen,
ich habe eine schwerbehinderte Kollegin, welche von 2006 - 31.12.2014 eine EU Rente
bezogen hat. Durch die lange Dauer waren alle Qualifikationen welche sie zur Ausübung braucht erloschen. Somit konnte sie nicht wie selbst von ihr geplant einfach ab 01.01. wieder bei uns anfangen. Ihr alter Arbeitsplatz hat sich natürlich im Laufe der Zeit sehr verändert. Ausserdem sind alle Stellen besetzt. Trotzdem hat man ihr eine Arbeitserprobung welche durch die AfA finanziert wurde ermöglicht.
Die Erprobung ging bis 30.06.2015. Seit 01.07.2015 beziehtsie wieder Gehalt.

Meine Fragen....
Wie sieht ihr Urlaubsanspruch für 2015 aus? Zählt bis 30.06. nur der gesetzliche Mindesturlaub und ab 01.07. der des tariflichen des AG ? ( plus noch der gesetzl Mindesturlaub aus 2014 gem. BAG Urteil).

Kann sie verlangen, dass sie nur auf ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt werden darf, obwohl der AG im Moment keine Planstelle dafür hat?
Kann sie andere Job-Angebote des AG ablehnen, welche eine niedrigere Gehaltsgruppe haben als sie ? Kann der AG hier von seinem Direktionsrecht gebrauch machen unter Einhaltung der für sie geltenden Einschränkungen?

Gruß
Hans

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 29.10.2015, 10:41 (vor 3100 Tagen) @ Hans

Hallo,

so leid es mir tut, aber hier haben wohl alle Beteiligten ziemlich rechtswidrig gehandelt bzw. in ihrer Schutzfunktion versagt.

1.
Bei einer befristeten Erwerbsminderungsrente muß der spezielle oder ein gleichwertiger Arbeitsplatz frei gehalten werden. Dies ist für den AG planbar und deswegen zumutbar. Ggfs ist eine derartige Rente ein zulässiger Sachgrund iSd TzBfG, falls ein Ersatz eingestellt wird. BR und SBV hätten hier von Anfang an darauf achten müssen. Der BR hätte die unbefristete Besetzung der Stelle notfalls gem. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verhindern müssen.

2.
Die Vermittlung von benötigten Qualifikationen im Rahmen einer Belastungserprobung war ebenfalls eine rechtswidrige Diskriminierung der ANin. Grundsätzlich hat die laufende Vermittlung der vom AG gewünschten Qualifikationen in der bezahlten Arbeitszeit stattzufinden. Dies galt ja schließlich in den vergangenen Jahren auch für die weiterhin Beschäftigten des Betriebes. Es wundert mich sehr, daß sich Reha-Träger, SBV und BR darauf eingelassen haben.

3.
Für den Urlaubsanspruch ist es uninteressant, wie der Status der ANin war. Das BAG hat 2012 (9 AZR 353/10) entschieden, das Urlaubsanspruch auf bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Erwerbsminderungsrente im vollem Umfang entsteht. Der ANin steht also zweifelsfrei der gesamte Urlaub für 2015 zu. Darüber hinaus hat sie auch noch bis 31.03.2016 Anspruch auf den gesetzlichen Urlaub aus 2014 - 20 Tage Mindesturlaub sowie ggfs. 5 Tage aus § 125 SGB IX, sofern sie in 5-Tage-Woche gearbeitet hat.

4.
Natürlich kann die ANin verlangen, auf Grundlage ihres Arbeitsvertrages auf ihrer alten oder zumindest einer gleichwertigen Stelle beschäftigt zu werden. Alles andere wäre eine grobe und unzulässige behinderungsbedingte Diskriminierung. Kann der AG wegen eigener Versäumnisse (s.o.) eine derartige Stelle nicht bereit stellen, befindet er sich im permanenten Annahmeverzug nach § 615 BGB und muß trotzdem vergüten - unabhängig davon, für was, in welchem Umfang und ob überhaupt die ANin beschäftigt wird.

Was mich bei diesem ganzen Gemurkse (lt. Deiner Fallschilderung) noch interessiert:


- war denn in diesem ganzen Vorgang mal das Integrationsamt oder der IFD eingebunden und was hat es dazu gesagt ?
- ist denn irgendeiner der Beteiligten auf Arbeitnehmerseite mal auf die Idee gekommen, der ANin das Einholen von Rechtsrat (Fachanwalt, gewerkschaftlicher Rechtsschutz) zu empfehlen ?

--
&Tschüß

Wolfgang

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

Hans, Hessen, Thursday, 29.10.2015, 11:10 (vor 3100 Tagen) @ albarracin

Zunächst mal vielen Dank für die Antwort.

Die Kollegin hat eine psychische Erkrankung und war deshalb fast 10 Jahre in EU Rente.
Im Vorfeld..also 2014 wurden vom Berufsförderungswerk erweiterte Belastungserprobungen gemacht.
Als Empfehlung ging daraus hervor, dass die Kollegin grundsätzlich wieder arbeitsfähig ist, allerdings mit Einschränkunen...diese sind....keine Stressbelastung...kein Schichtdienst...und keine Vorgesetztenposition.

All diese aufgeführten Einschränkungen treffen aber auf den Arbeitsplatz zu, sodass eigentlich der AG die Kollegin dort schon garnicht einsetzten darf, da er ja sonst gegen die Vorgaben handeln würde.
Somit bleiben also nur Bereiche in denen kein Schichtdienst gemacht wird und die anderen Einschränkungen beachtet werden können.

Die durchgeführte Maßnahme wurde in Absprache bzw. mit Förderung durch den IFD und die AfA durchgeführt. Alle waren im Vorfeld beteiligt. Die Arbeitsinhalte des alten Arbeitsplatzes hatten sich im laufe von 10 Jahren maßgeblich geändert, ausserdem existiert die Arbeitsstelle welche die Kollegin besetzt hatte in dieser Form nicht mehr. Etwas "freihalten" fast 10 Jahre was nicht mehr in dieser Form existiert ist nicht dem AG zumutbar. Er hätte ja auch die Abteilung schliessen können und sie unter neuem Namen wieder bzw. mit erweitertem Aufgabengebiet wieder öffnen können.

Ich bin schon der Meinung, dass alle Beteiligten in diesem speziellen Fall versucht haben hier das beste für die Kollegin darzustellen.
Ich habe allerdings die Befürchtung dass die Kollegin auf die Beschäftigung in ihrer in der alten Form nicht mehr existierrenden Abteilung bestehen wird.

Hans

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

Hans, Hessen, Friday, 30.10.2015, 13:16 (vor 3099 Tagen) @ Hans

Ich habe heute erreich, dass ihr Urlaubsanspruch neu gerechnet wurde.
Bei Personal war man der Meinung dass bei EU Rente kein gesetzl Urlaub angerecvhnet wird.
Nach meinen Ausführungen wurde dies neu berechnet und die Kollegin hat jetzt mit 60 Tagen Urlaub das Jahr 2015 begonnen.

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

albarracin, Baden-Württemberg, Saturday, 31.10.2015, 16:20 (vor 3098 Tagen) @ Hans

Hallo,

Zunächst mal vielen Dank für die Antwort.

Bitte sehr

Im Vorfeld..also 2014 wurden vom Berufsförderungswerk erweiterte Belastungserprobungen gemacht.

Das macht die Sache nicht besser. Es war also noch mehr Vorlaufzeit vorhanden, um sich um einen adäquaten Arbeitsplatz für die ANin zu bemühen.

Als Empfehlung ging daraus hervor, dass die Kollegin grundsätzlich wieder arbeitsfähig ist, allerdings mit Einschränkunen...diese sind....keine Stressbelastung...kein Schichtdienst...und keine Vorgesetztenposition.

All diese aufgeführten Einschränkungen treffen aber auf den Arbeitsplatz zu, sodass eigentlich der AG die Kollegin dort schon garnicht einsetzten darf, da er ja sonst gegen die Vorgaben handeln würde.

Das ist nicht das grundsätzliche Problem

Somit bleiben also nur Bereiche in denen kein Schichtdienst gemacht wird und die anderen Einschränkungen beachtet werden können.

Das ist ja auch das Recht der ANin gem. § 81 Abs. 4 SGB IX. Allerdings wird gerne übersehen, daß diese Vorschrift auch den Schutz vor "Degradierung" durch sog. "Schonarbeitsplätze" beinhaltet und auch bei fortbestehender Behinderung das Recht auf berufliche Weiterentwicklung.


Die durchgeführte Maßnahme wurde in Absprache bzw. mit Förderung durch den IFD und die AfA durchgeführt.

Diese beteiligten sind manchmal leider vorschnell zufrieden.

Alle waren im Vorfeld beteiligt. Die Arbeitsinhalte des alten Arbeitsplatzes hatten sich im laufe von 10 Jahren maßgeblich geändert, ausserdem existiert die Arbeitsstelle welche die Kollegin besetzt hatte in dieser Form nicht mehr.

Das kommt vor

Etwas "freihalten" fast 10 Jahre was nicht mehr in dieser Form existiert ist nicht dem AG zumutbar.

Du hast nur recht, soweit es um den alten konkreten Arbeitsplatz geht. Einen gleichwertigen Arbeitsplatz grundsätzlich frei zu halten, ist sehr wohl auch über eine längere Zeitspanne möglich und auch zumutbar. Dafür gibt es ja zB das Instrument der Befristung mit Sachgrund.
Er hätte ja auch die Abteilung schliessen können und sie unter neuem Namen wieder bzw. mit erweitertem Aufgabengebiet wieder öffnen können.
Sorry, aber das ist pauschal Quatsch. So einfach ist das beileibe nicht und höchstwahrscheinlich für den AG sehr teuer


Ich bin schon der Meinung, dass alle Beteiligten in diesem speziellen Fall versucht haben hier das beste für die Kollegin darzustellen.

Daran bestehen nach dem Gesamtbild Deiner Schilderungen mE nach wie vor Zweifel.

Ich habe allerdings die Befürchtung dass die Kollegin auf die Beschäftigung in ihrer in der alten Form nicht mehr existierrenden Abteilung bestehen wird.

Wieso "Befürchtung"? Es ist das gute Recht der ANin, diese Maßnahme arbeitsrechtlich überprüfen zu lassen und Du als SBV solltest sie ausdrücklich auf dieses Recht hinweisen - das gehört zu Deinen Aufgaben.


Hans

--
&Tschüß

Wolfgang

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

Hans, Hessen, Monday, 02.11.2015, 08:54 (vor 3096 Tagen) @ albarracin

Die Kollegin hat vom AG einen Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung angeboten bekommen. Die Vorgaben des durch die bestehenden einschränkungen können dort umgesetzt werden. Die Höhe der Bezüge bleibt unverändert. Da der neue Arbeitsplatz allerdings mit einer Lohngruppe weniger dotiert ist, wird sie in vorraussichtlich zehn Jahren bedingt durch die Stufensteigerungen erst gegenüber der alten Lohngruppe benachteiligt.

Die Frage wäre: Muss sie auf einem Arbeitsplatz mit der GLEICHEN Lohngruppe eingesetzt werden? Oder ist es dem AG überlassen ihr per Weisungsbefugnis ihr einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, der ihren Fähigkeiten und Einschränkungen entspricht?
Hier finde ich im Gesetz nicht unbedingt eine klare Aussage. Fakt ist, auf dem alten Arbeitsplatz ist keine Planstelle offen und im laufe der Zeit wurde die Abteilung verkleinert, sodass auch andere Kollegen umgesetzt werden mussten.

Ein Angebot des AG auf einen anderen Arbeitsplatz liegt vor, die Kollegin verweigert diesen aber.

Hans

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

albarracin, Baden-Württemberg, Monday, 02.11.2015, 10:13 (vor 3096 Tagen) @ Hans

Hallo,

"Gleichwertigkeit" bezieht sich natürlich auch auf die Vergütung.

Wenn also zwar die Eingruppierung nicht geändert wird, aber Stufensteigerungen "angerechnet" werden, bis das Niveau einer niedrigeren Vergütungsgruppe erreicht wird, liegt natürlich sehr wohl faktisch eine Herabgruppierung vor.

Wenn der AG diesen Weg gehen will, ist die ANin natürlich nicht verpflichtet, diesem im Wege einer Einigung zuzustimmen, weil sie dadurch sämtliche Möglichkeiten der rechtlichen Überprüfung aufgibt.
Ggfs. (je nach arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen) muß der AG deswegen dann eine Änderungskündigung aussprechen, die die ANin im Rahmen des § 2 KSchG mit dem Vorbehalt der rechtlichen Überprüfung annehmen kann.

http://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__2.html

--
&Tschüß

Wolfgang

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

Hans, Hessen, Monday, 02.11.2015, 11:41 (vor 3096 Tagen) @ albarracin

Sorry,
evtl. ist da was falsch rübergekommen.
Der Angebotene Job ist eine Gehaltsstufe niedriger.
Die Höhe der Vergütung bleibt gleich der alten.
Die Jahressteigerungen sind in der niedrigerren Gehaltsklasse höher als in der jetzigen.

Die Aufgabenstellung ist im Hinblick auf die Behinderung und die Einschränkungen
gut vereinbar.

Der jetzige Job welcher ihr früherer war und zur Arbeitserprobung genommen wurde, erfüllt nicht die Vorgaben der Einschränkungen. Faktisch müsste der AG ihr eine andere Tätigkeit suchen. Was er ja auch tut, zumal keine Planstellen frei sind.

Die Kollegin lehnt aber eine Umsetzung ab.
Da sie nicht mehr vollschichtig arbeiten kann, ist sie bei den Zeiten in denen die
Hauptarbeit ist nicht einsetzbar.
Im angebotenen Job würde dies nicht hinderlich sein.

Geld verliert sie also auf keinen Fall.

Arbeitserprobung nach langer EU Rente

albarracin, Baden-Württemberg, Monday, 02.11.2015, 12:16 (vor 3096 Tagen) @ Hans

Hallo,

Sorry,
evtl. ist da was falsch rübergekommen.

Ich hatte es schon so verstanden

Der Angebotene Job ist eine Gehaltsstufe niedriger.

Es ist also eine Herabstufung

Die Höhe der Vergütung bleibt gleich der alten.
Die Jahressteigerungen sind in der niedrigerren Gehaltsklasse höher als in der jetzigen.

Ob die ANin sofort herabgestuft wird oder aber im Laufe der Zeit "abgeschmolzen" wird, ist unerheblich. Auch das "Abschmelzen" ist dann ggfs. eine Änderung von arbeits- und/oder tarifvertraglichen Bedingungen. Grundsätzlich unproblematisch ist lediglich der Wegfall von Zeit- oder Schichtzuschlägen


Die Kollegin lehnt aber eine Umsetzung ab.

Was ihr gutes Recht ist, wenn sie Geld verliert.

Da sie nicht mehr vollschichtig arbeiten kann, ist sie bei den Zeiten in denen die
Hauptarbeit ist nicht einsetzbar.

Das spielt nicht unbedingt eine Rolle, wenn es um einen vergleichbaren Arbeitsplatz geht. Da geht es in erster Linie um Arbeitsinhalte und weniger um konkrete Arbeitszeit


Geld verliert sie also auf keinen Fall.

Natürlich verliert sie lt. Deiner Darstellung durch die "Abschmelzung" Geld und landet auf einem niedrigeren Entgeltniveau.

Nochmal: Wenn die ANin mit den Konditionen der Umsetzung unzufrieden ist, ist es ihr gutes Recht, das arbeitsrechtlich überprüfen zu lassen. Es gehört zu Deinen Aufgaben als SBV, sie auf dieses Recht hinzuweisen.

--
&Tschüß

Wolfgang

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