Kann das Folgen haben? (AGG)

maiklewa, Thursday, 17.11.2016, 20:24 (vor 2689 Tagen)

Hallo,

ein Schwerbehinderter wurde schriftlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen (Stelle war ausgeschrieben, Bewerbung ging ein ...).

Er meldete sich nicht, kam nicht zum Gespräch.

Er erhielt eine schriftliche Absage.

Dieser Beweber fragte daraufhin telefonisch nach, warum er eine Absage erhalten habe und nicht eingeladen worden wäre.

Daraufhin bemerkte man, dass die Einladung an eine falsche Adresse geschickt wurde. Komischerweise kam diese falsch adressierte Einladung aber nicht zurück.

Jetzt will der Bewerber Schadensersatz, weil er angeblich wegen der Schwerbehinderung nicht eingeladen worden ist.

Aber einen Anspruch darauf hat er doch nicht, oder!? Er sollte ja eingeladen werden. Also kann die Schwerbehinderung ja kein Indiz für die dann erfolgte Absage sein, oder!? Dass die Einladung jetzt an eine falsche Adresse geschickt wurde, ist natürlich ein dummes Versehen. Aber kann dieses dumme Versehen letztlich dazu führen, dass man dem Bewerber Schadensersatz zahlen muss?

Gruß

Kann das Folgen haben?

MatthiasNRW, Friday, 18.11.2016, 07:19 (vor 2688 Tagen) @ maiklewa

Hallo,

ein Schwerbehinderter wurde schriftlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen (Stelle war ausgeschrieben, Bewerbung ging ein ...).

Er meldete sich nicht, kam nicht zum Gespräch.

Er erhielt eine schriftliche Absage.

Dieser Beweber fragte daraufhin telefonisch nach, warum er eine Absage erhalten habe und nicht eingeladen worden wäre.

Daraufhin bemerkte man, dass die Einladung an eine falsche Adresse geschickt wurde. Komischerweise kam diese falsch adressierte Einladung aber nicht zurück.

Jetzt will der Bewerber Schadensersatz, weil er angeblich wegen der Schwerbehinderung nicht eingeladen worden ist.

Aber einen Anspruch darauf hat er doch nicht, oder!? Er sollte ja eingeladen werden. Also kann die Schwerbehinderung ja kein Indiz für die dann erfolgte Absage sein, oder!? Dass die Einladung jetzt an eine falsche Adresse geschickt wurde, ist natürlich ein dummes Versehen. Aber kann dieses dumme Versehen letztlich dazu führen, dass man dem Bewerber Schadensersatz zahlen muss?

Ich würde die Frage gerne umformulieren:

Wie viele Arbeitgeber, die bewusst diskriminieren wollen, würden "versehentlich" eine falsche Adresse nutzen, um einen missliebigen Bewerber vom Verfahren fernzuhalten, wenn sie wüssten, dass dies anstandslos als Ausrede akzeptiert würde?

Angesichts der Vielzahl der Versehen (alleine hier im Forum nun der zweite Fall, der innerhalb eines Monats dargestellt wird) stellt sich schon fast die Frage, wie amateurhaft Stellenbesetzungsverfahren gehandhabt werden.

Der Bewerber wurde nicht eingeladen (Zugang der Einladung ist offenbar nicht nachweisbar). Der Arbeitgeber darf sich nun in der Beweislast nach § 22 AGG sehen, sofern die Bewerbung des sbM nicht aufgrund von offensichtlicher Über- oder Minderqualifikation an Ernsthaftigkeit mangeln lässt.

Bestimmte Versehen können manchmal teuer werden. Vielleicht lernt der Arbeitgeber daraus.

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albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 18.11.2016, 08:51 (vor 2688 Tagen) @ MatthiasNRW

Hallo,

ich sehe das ähnlich wie Matthias, daß der AG halt im Zweifelsfall für sein amateurhaftes Verhalten "Lehrgeld" zahlen muß.

In fast allen AGG-Verfahren, die ich kenne, wird idR Dummheit und/oder Dreistigkeit des AG bestraft. Die verurteilten AG haben idR regelrecht darum "gebettelt", irgendwann mal zu Schadensersatz verurteilt zu werden.

Der AG sollte nun mal ggfs. den Zugang der Einladung beweisen können. Kann er das nicht, kann es sehr wohl sein, daß das Gericht zugunsten des Bewerbers entscheidet.

Dem AG sollte es Anlass bieten, seine Abläufe in Bewerberverfahren zu überdenken und zu optimieren.

--
&Tschüß

Wolfgang

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maiklewa, Friday, 18.11.2016, 10:03 (vor 2688 Tagen) @ albarracin

Woraus geht hervor, dass der AG den Zugang der Einladung beweisen muss und wenn er das nicht kann, schlechte Karten hat?

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MatthiasNRW, Friday, 18.11.2016, 11:31 (vor 2688 Tagen) @ maiklewa

Woraus geht hervor, dass der AG den Zugang der Einladung beweisen muss und wenn er das nicht kann, schlechte Karten hat?

Hier geht es um Grundsätze der Beweislast im rechtlichen Verfahren.

Grundsätzlich hat jemand zu beweisen, dass etwas vorliegt. Das würde bedeuten, dass ein Bewerber beweisen müsste, benachteiligt worden zu sein.

Dies würde allerdings dem Rechtschutzgedanken des AGG zuwider laufen, da der Beweis einer Diskriminierung oft nur schwerlich zu führen ist.

Der § 22 AGG verlangt daher nur einen Indizienbeweis dafür, dass eine ungerechtfertigte Benachteiligung vorliegen könnte und kehrt die Beweislast dann zum "Beschuldigten" um, der seinerseits belegen muss, nicht benachteiligt zu haben.

Konkret: Die nicht erfolgte Einladung ist ein Indiz für eine mögliche ungerechtfertigte Benachteiligung, da jemand einen Job nicht erhalten hat, ohne sich in einem Vorstellungsgespräch präsentieren zu können.

Weiterhin liegt es regelmäßig nicht in der Sphäre des Empfängers eines Briefes, die Nicht-Zustellung zu beweisen (wie will ich beweisen, ein Poststück nicht erhalten zu haben?).

Es liegt aber durchaus im Einflussbereich des Versenders, eine Zustellung zu belegen (indem eine entsprechende Versandform gewählt wird).

Kann das Folgen haben?

maiklewa, Friday, 18.11.2016, 10:19 (vor 2688 Tagen) @ MatthiasNRW

Es gibt doch irgendwo einen Passus nach dem es wohl so heißt:

Die Wirkung einer Sanktion, in diesem Falle – Entschädigungszahlung - ist gerade auch in ihrer potenzierten Form vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (Lernen durch Schmerz).

Wo steht das?

Kann das Folgen haben?

MatthiasNRW, Friday, 18.11.2016, 11:37 (vor 2688 Tagen) @ maiklewa

Es gibt doch irgendwo einen Passus nach dem es wohl so heißt:

Die Wirkung einer Sanktion, in diesem Falle – Entschädigungszahlung - ist gerade auch in ihrer potenzierten Form vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (Lernen durch Schmerz).

Wo steht das?

Ansatzpunkt könnte die Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 2 AGG sein:

"(...) Die Höhe der Entschädigung muss angemessen sein. (...) In diesem Zusammenhang stellt die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Anforderung, dass zur Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes eine Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (EuGH RS C-180/95 vom 22. April 1997 – Draehmpaehl, DB 1997, 983 ff.).(...)"

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