Fragestellung zur Arbeitsfreistellung eines chronisch Erkrankten (Allgemeines)

jatzkowski, Hamburg, Tuesday, 02.01.2018, 20:09 (vor 2303 Tagen)

Hallo zusammen, mal eine Fragestellung zur Arbeitsfreistellung eines chronisch Erkrankten (gleichgestelllter SchwB):
Der Mitarbeiter war heute bei mir zu folgender Fragestellung
Situation: Chronisch Erkrankter MA der aufgrund seiner schweren neurologischen Erkrankung wöchentlich Termine innerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen muss, da nicht anders möglich. (Therapeut vergibt spätestens bis 16 Uhr Termin). Laut IG Metall Tarifvertrag ist eine unbezahlte Freistellung vorgesehen (wir arbeiten mit einem Anerkennungstarifvertrag der Bezug dazu nimmt), nun lese ich aber im Entgfg nach §9 das hier (lt. meiner Auslegung) durchaus der AG leisten muss, da die Therapie von der KK verordnet wurde und als rehab. Maßnahme angesetzt wird. Anspruch auf Krankengeld besteht bei dem MA nicht, da wieder Vollzeit tätig. Die Ausfallzeit beträgt ca.10 - 12 Stunden im Monat.
Hier sollte auch noch der Verweis auf Schaub Randnote 184 ff und Däubler Randnote 42 beachtet werden.

Fragestellung zur Arbeitsfreistellung eines chronisch Erkrankten

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 03.01.2018, 09:55 (vor 2302 Tagen) @ jatzkowski

Hallo,

es kann grundsätzlich dahingestellt bleiben, ob es sich jetzt um Heilbehandlung oder Reha handelt, da gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG für die Lohnfortzahlung bei Reha dieselben Grundsätze wie für Heilbehandlung gelten.

Da aber das EFZG keine "Teil"-AU kennt, wenn der AN an einem Tag seine quantitative ( = Arbeitsstunden) Arbeitsleistung nicht in vollem Umfang wegen notwendiger Behandlung erbringen kann (ErfK, Reinhard, § 3 EFZG Rn 12 mit Verweis auf BAG v. 29.1.1992), kommt ggfs. nur eine volle AU für den Behandlungstag in Betracht.
Dieser Grundsatz kann auch nicht durch TV zum Nachteil des AN verändert werden. Gem. § 12 EFZG sind u.a. die §§ 3, 9 nicht tarifdisponibel zum Nachteil des AN.

Ein Teil der Kommentatoren hält in diesem Fall § 616 BGB für einschlägig. Allerdings ist § 616 BGB in vielen Arbeits- und Tarifverträgen (rechtswirksam) abbedungen. Deswegen kann eine Prüfung, ob § 616 BGB herangezogen werden kann, nur in Kenntnis der exakten arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vereinbarungen stattfinden. Da die IG Metall deutlich mehr als nur einen TV abschließt, ist Dein allgemeiner Hinweis auf Anwendung nicht hilfreich.

Genauso wenig hilfreich ist ein Verweis auf Rn von Kommentaren, wenn die Fundstelle (Titel, evtl. Bearbeiter, Gesetz, §, Rn) nicht exakt genannt wird.

In diesem Fall wäre es m.E. sinnvoll, unter Hinzuziehung des IA nach einer für beide seiten sinnvollen Lösung zu suchen und ggfs. Kompensationsmöglichkeiten für dem AG evtl. entstehende Nachteile zu erörtern.

--
&Tschüß

Wolfgang

Fragestellung zur Arbeitsfreistellung eines chronisch Erkrankten

knorpeli, Tuesday, 09.01.2018, 09:50 (vor 2296 Tagen) @ albarracin

Hallo,
eine Anregung zum Thema:

Ein Passus in einer DV oder BV über Arbeitszeitregelungen dazu ist hilfreich, wie z.B diese:

"Die Regelungen zur Arbeitsbefreiung ergeben sich aus dem § 29 des TV-L. Darüber hinaus erhalten Beschäftigte mit dem Status der Schwerbehinderung Arbeitsbefreiung für medizinisch notwendige ärztliche Behandlungen, sofern diese während der Arbeitszeit - auch in der Funktionszeit - stattfinden müssen. Die erforderliche Abwesenheit ist nachzuweisen und wird dem zeitkonto in vollem Umfang inkl. Wegezeiten gutgeschrieben."

Über diese vorhandene Regelung wird auch einvernehmlich erreicht, dass nicht nur notwendige Untersuchungen, sondern auch Behandlungen, einschl. z.B. KG falls notwendig während der AZ stattfinden können.

Beim nächsten "Relaunsch" müsste sie noch etwas präziisert werden.

Herzlichen Gruß

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