Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz (Einstellung)

PolWol, Tuesday, 30.01.2018, 11:42 (vor 2276 Tagen)

Hallo,

durch einen Beitrag hier im Forum bin ich auf die Pflicht zur Beteiligung von SBV und BR vor einer Stellenausschreibung aufmerksam geworden. Habe meinen Beauftragten und die Geschäftsleitung auf den neuen § 164 hingewiesen. Habe jetzt als Antwort erhalten, dass alle Plätze grundsätzlich für Schwerbehinderte geeignet sind. Nur bei einer Ausnahme wegen besonderen Anforderungen am Arbeitsplatz von dieser generellen Eignung würde ich zur Prüfung der Voraussetzungen eingebunden werden. Die haben dies beim Arbeitgeberverband nachgefragt.

Das kann doch nicht alles sein?
Was wird bei euch geprüft und wie wird die SBV und der BR eingebunden?

Danke für die Anregungen:-)

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

Monica99, Tuesday, 30.01.2018, 13:23 (vor 2276 Tagen) @ PolWol

Hallo,

Habe jetzt als Antwort erhalten, dass alle Plätze grundsätzlich für Schwerbehinderte geeignet sind. Nur bei einer Ausnahme wegen besonderen Anforderungen am Arbeitsplatz von dieser generellen Eignung würde ich zur Prüfung der Voraussetzungen eingebunden werden. Die haben dies beim Arbeitgeberverband nachgefragt.

Das kann doch nicht alles sein?

So ist es!!!

Denn, diese Aussage "generellen Eignung " sagt ja nichts dazu aus, ist der betroffene AP auch für BLINDE/ ROLLSTUHLFAHRER/ MOTORICHEINGESCHRÄNKTE usw. geeignet, bzw bedarf es bei beistimmten Behinderungen dort besondere AP-Ausstattungen. Also muss man jeweils mit der SBV prüfen, so wie es das Gesetz ganz eindeutig aussagt. Das Gesetz sieht eben hier KEINE Ausnahme vor, dass mit einer solchen Aussage diese gesetzliche Prüfung/Pflicht des AG nicht beachtet/erfüllt werden muss.

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mfg Monica

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

WoBi, Tuesday, 30.01.2018, 21:20 (vor 2275 Tagen) @ Monica99

Hallo Monica99,
Arbeitgeber würden gerne die Prüfpflicht auf den realen Arbeitsplatz begrenzen, um die unternehmerische Freiheit beim Einstellen von Personal zu erhalten. Auf diesen Erhalt und die Verhinderung von Einfluss auf eine Personalauswahl zielt meines Erachtens die Aussage des Arbeitgeber(verbande)s in dieser pauschalen Form ab. Es wurde von dir der zweite Schritt bei einer Besetzung oder wenn es ein neu zu schaffender Arbeitsplatz entstehen soll, wie dieser bereits in der Planung barrierefrei gestaltet werden kann, beschrieben.

Bei der Prüfpflicht vor einer Stellenausschreibung hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob bereits beschäftigte schwerbehinderte oder gleichgestellte Kolleginnen und Kollegen für den freien / frei werdenden Arbeitsplatz versetzt oder befördert werden können. Die Prüfung hat nach den Anforderungen der Stellenausschreibung zu erfolgen. Hier ist auf ein diskriminierungsfreies Anforderungsprofil zu achten.
Tipp: Bei einer später erforderlichen Ausschreibung sollte kontrolliert werden, ob die gleichen Anforderungen wie bei der internen Prüfung genannt sind!

Wenn eine Versetzung/Umsetzung/Beförderung erfolgen soll, ist ggf. eine Anpassung an die behinderungsbedingten Einschränkungen an den realen Arbeitsplatz erforderlich, falls dies bei der Arbeitsplatzplanung nicht bereits ausreichend berücksichtigt worden ist.

Die Prüfpflicht ist z.B. durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil 9 AZR 839/08 vom 17.08.2010 ab der Randnummer 37 gut beschrieben. Ausschnitte daraus wurden im Thread zitiert.

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Gruß
Wolfgang

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

WoBi, Tuesday, 30.01.2018, 20:34 (vor 2275 Tagen) @ PolWol

Hallo PolWol,

ob die Antwort vom Arbeitgeberverband kommt oder nicht, sei dahingestellt. Die Aussage ist falsch.
Eine typische Antwort, um SBV oder andere Interessensvertretungen einzulullen. Durch diese Antwort sollen die Interessensvertretungen abgehalten werden, die Einhaltung der Gesetze, hier § 164 Abs. 1 SGB IX zu Gunsten behinderter Menschen zu überwachen.

Die SBV erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden.

Arbeitgeber sind nach § 164 Abs. 1 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen , insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Durch das Auslassen von „, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen,“ ist der volle Umfang der Prüfpflicht erkennbar.

"Die Prüfungspflicht nach § 81 (jetzt neu 164) Abs. 1 Satz 1 SGB IX beschränkt sich nicht auf bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldete Menschen. Das folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut. Danach hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze „insbesondere“ mit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Die Hervorhebung dieser Personengruppe weist darauf hin, dass die Pflicht auch gegenüber anderen nicht arbeitslosen oder arbeitssuchenden schwerbehinderten Menschen bestehen soll. Damit ist der Arbeitgeber auch verpflichtet zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit einem bereits bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer besetzt werden kann. "
so das Bundesarbeitsgericht (BAG), 9 AZR 839/08 vom 17.08.2010 in der Randnummer 38

oder

„c) Auch bei dieser Prüfung ist die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 81 (jetzt neu 164) Abs. 1 Satz 6 iVm. § 95 (jetzt neu 178) Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu beteiligen. Das entspricht dem Regelungszweck der weiteren Bestimmungen in § 81 SGB IX. In § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX wird nicht unterschieden, ob es sich um einen externen oder internen Bewerber handelt. Aus § 81 (jetzt neu 164) Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB IX wird deutlich, dass der Arbeitgeber auch zu einer besonderen Förderung des beruflichen Weiterkommens des schwerbehinderten Menschen verpflichtet ist (Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - zu B IV der Gründe, BAGE 114, 299). Der Arbeitgeber hat daher unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu prüfen, ob auch für einen bereits bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der freie Arbeitsplatz in Betracht kommt.“
so das Bundesarbeitsgericht (BAG), 9 AZR 839/08 vom 17.08.2010 in der Randnummer 39

Es ist vor einer Stellenausschreibung (intern oder intern/extern), anhand der Anforderungen der Stellenausschreibung, zu prüfen, ob bereits beschäftigte behinderte Kolleginnen und Kollegen auf den freien oder frei werdenden Arbeitsplatz versetzt oder befördert werden können.
An dieser Prüfung durch den Arbeitgeber ist die SBV und andere Interessensvertretungen (§ 176 SGB IX) gemäß § 164 Abs. Satz 6 zu beteiligen und die SBV nach § 178 Abs. 2 SGB IX anzuhören.

Hier greifen die Paragrafen ineinander wie die Zahnräder in einem Uhrwerk. Es hat nichts mit dem greifbaren Arbeitsplatz zu tun, sondern ob schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen die Anforderungen für den Arbeitsplatz erfüllen und auf dem Arbeitsplatz arbeiten wollen.

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Gruß
Wolfgang

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

PolWol, Wednesday, 31.01.2018, 07:36 (vor 2275 Tagen) @ WoBi

Hallo WoBi,
Danke für deine Antworten. Jetzt habe ich eine Grundlage für eine Antwort, dass ich immer zu beteiligen bin. Doch wie soll das mit dem Prüfen nach dem BAG gehen?

Damit ist der Arbeitgeber auch verpflichtet zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit einem bereits bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer besetzt werden kann.

Und wie soll ich kontrollieren, dass die Personalabteilung das mit dem Prüfen auch richtig macht?
Grüße und Danke

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

WoBi, Wednesday, 31.01.2018, 19:07 (vor 2275 Tagen) @ PolWol

Hallo PolWol,

es gibt keinen vorgegebenen Prüfungsablauf oder Beschreibung des Umfangs der Prüfungspflicht im SGB IX. Dies aus guten Grund, denn um alle Umstände, Besonderheit oder Ausnahmen in einem Gesetzestext zu erfassen und rechtssicher zu beschreiben, würde den Rahmen eines Gesetzes sprengen. Hier ist ein Gestaltungsraum gegeben, der durch die Mitbestimmung des BR/PR und durch die Erkenntnisse der SBV ausgefüllt werden kann. Hier sind Ideen und Anforderungen unter Berücksichtigung der örtlichen Begebenheiten verlangt. Definiert ist im SGB IX § 164 nur, dass der Arbeitgeber die Prüfung durchzuführen hat. Dies unter Beteiligung der SBV nach § 178 Abs. 2 SGB IX und der Anhörung von BR/PR.

Mögliche Anforderungen für den Prüfumfang durch den Arbeitgeber - nicht vollständig und bitte selbst erweitern:

  • Berufliche Weiterentwicklung von Schwerbehinderten
  • Schwerbehinderte im BEM-Verfahren
  • Behinderungsbedingte Veränderungsnotwenigkeit z.B. Attest
  • Am Arbeitsplatz von Schwerbehinderten sind Veränderung geplant
  • Anstehende (betriebliche) Kündigung von Schwerbehinderten
  • Teilzeitwunsch von Schwerbehinderten
  • Versetzungswunsch von Schwerbehinderten
  • Vorschläge der SBV und/oder des BR/PR zu Schwerbehinderte

Diese Liste ist ein Auszug aus einem PowerPoint-Vortrag von mir - Wenn der Vortrag gewünscht ist, einfach per Briefumschlag neben dem Nutzernamen anfordern.
Vielleicht haben andere Mitleser/-schreiber noch weitere Anregungen was geprüft werden sollte, dann bitte posten.

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Gruß
Wolfgang

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

PolWol, Monday, 05.02.2018, 11:56 (vor 2270 Tagen) @ WoBi

Hallo Wobi,
die Folien werde ich übermorgen in der BR-Sitzung zeigen und den Redetext vorlesen. Der BR hat nichts von den Änderungen durch das BTHG in der Betriebsverfassung mitbekommen. Bin auf die Reaktion bei der internen Prüfpflicht gespannt. Bei mir war es ein Wow. In keiner Schulung wurden mir diese Möglichkeiten gezeigt. War froh, dass die Abfragen bei der AfA durch die Firma erfolgt sind. Bin an der Prüfung der Eignung des Arbeitsplatzes hängen geblieben, wie von Monica geschrieben.
Danke für die Anregungen:-P

Beteiligung der SBV bei Prüfung von Arbeitsplatz

PolWol, Thursday, 26.04.2018, 16:09 (vor 2190 Tagen) @ WoBi

Hallo WoBi,
habe Dank deiner Anregungen die Prüfung vor Ausschreibung der Stelle in den Stellenbesetzungsprozess einbringen können. Bin gespannt wie dies durch die behinderten Kollegen angenommen wird.
Sehe die erste Probe, wenn ein Behinderter gekündigt werden soll und eine geeignete Stelle soll ausgeschrieben werden.
Vielen Dank nochmals für den Vortrag und Grüße

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