Pflicht zum Gespräch bei Initiativbewerbung (Einstellung)

Christoph, Hessen, Monday, 14.05.2018, 15:46 (vor 2173 Tagen)

Hallo,
es ging eine Initiativbewerbung einer schwerbehinderten Menschen ein. Die Personalstelle leitete die Bewerbung auch an die SBV weiter. Der Arbeitgeber (AG) möchte dem Bewerber eine Absage schicken. Der Bewerber hat in seinem Anschreiben auf ein Urteil hingewiesen, dass öffentliche Arbeitsgeber zur Einladung zum Gespräch verpflichtet.
Besteht die verpflichtende Einladung von schwerbehinderten Menschen nur für ausgeschriebene Stellen?
So sieht es der AG.
Der AG hatte keine mögliche Stelle für den Bewerber gesehen. Die SBV hat sich jetzt schon 2-3 mögliche Stellen überlegt. Diese werden wir natürlich noch dem AG benennen. Muss der AG, wenn es offene Stellen gibt, den Bewerber zum Gespräch einladen, auch wenn er sich nicht ausdrücklich auf eine Stelle beworben hat?

Danke,
Gruß
Christoph

Pflicht zum Gespräch bei Initiativbewerbung

garda, Berlin, Monday, 14.05.2018, 17:06 (vor 2173 Tagen) @ Christoph

Hallo Christoph,

du schreibst:

Der Bewerber hat in seinem Anschreiben auf ein Urteil hingewiesen, dass öffentliche Arbeitsgeber zur Einladung zum Gespräch verpflichtet.

Ist dir dieses Urteil bekannt?

Besteht die verpflichtende Einladung von schwerbehinderten Menschen nur für ausgeschriebene Stellen?
So sieht es der AG.

Na dann fragen wir mal das Gesetz:

§ 165 Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 156). Mit dieser Meldung gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

Also hier die Kriterien:

1, Erfolglose interne Prüfung
2. frei werdende und neu zu besetzende Arbeitsplätze oder
3. neue Arbeitsplätze
4. Ausschreibung/Veröffentlichung über die Agenturen für Arbeit
5. Haben sich sbMenschen um einen solchen Arbeitsplatz beworben.

Hier also die Gegenfrage: sind diese Bedingungen erfüllt? Erlaubt bzw. erfordert das angeführte, mir nicht bekannte, Urteil eine andere Sichtweise?

Der AG hatte keine mögliche Stelle für den Bewerber gesehen. Die SBV hat sich jetzt schon 2-3 mögliche Stellen überlegt. Diese werden wir natürlich noch dem AG benennen. Muss der AG, wenn es offene Stellen gibt, den Bewerber zum Gespräch einladen, auch wenn er sich nicht ausdrücklich auf eine Stelle beworben hat?

Mit der gebührenden Vorsicht wäre hier meine Antwort, dass allein aus dem SGB IX die Begründung schwierig ist.

--
Mit freundlichen Grüßen

Michael

Pflicht zum Gespräch bei Initiativbewerbung

Ironie, Tuesday, 15.05.2018, 08:54 (vor 2172 Tagen) @ Christoph

Guten Morgen,

meines Erachtens greift hier §178, Abs.2 (ehemals §95):


§ 178 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung

...
(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten,
die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren,
unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören;
er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen
Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen;
sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen,
die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam.
Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren
nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur
für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen
das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen
und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

Einen schönen Tag wünsche ich allen!

Ironie

Pflicht zum Gespräch bei Initiativbewerbung

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 15.05.2018, 19:13 (vor 2172 Tagen) @ Christoph

Hallo,

ich sehe das genauso wie Garda:
Sofern kein konkreter Arbeitsplatz ausgeschrieben ist, muß der AG zwar die SBV unterrichten und mit ihr den Fall erörtern, eine Pflicht zum Vorstellungsgespräch besteht jedoch nicht.
Sind denn die "freien" Arbeitsplätze, von denen Du schreibst, nicht ausgeschrieben ?

--
&Tschüß

Wolfgang

Pflicht zum Gespräch bei Initiativbewerbung

WoBi, Tuesday, 15.05.2018, 20:45 (vor 2172 Tagen) @ Christoph

Hallo Christoph,

die Frage von albarracin „Sind denn die "freien" Arbeitsplätze, von denen Du schreibst, nicht ausgeschrieben?“ bedarf einer weiteren Frage.

Sind diese neu zu besetzenden oder freiwerdende Arbeitsplätze vorangehend vor einer internen/externen Ausschreibung auf eine Besetzung von bereits beschäftigten schwerbehinderten oder gleichgestellten Kolleginnen und Kollegen durch den Arbeitgeber mit Beteiligung der SBV und PR geprüft worden?

Rechtsgrundlage: § 164 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 6 SGB IX.
Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können.
. …….
Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Absatz 2 und hören die in § 176 genannten Vertretungen an.

Diese Prüfpflicht wurde durch das Bundesteilhabegesetz für öffentliche Arbeitgeber in § 165 Satz 1 SGB IX besonders hervorgehoben.

Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 156). ....

Ist doch „schön“ wenn ein Arbeitgeber die Gesetzeslage kennt und anwendet. Die SBV hat darauf zu achten, dass die Gesetze zu Gunsten von Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber angewendet werden. Und die SBV hat nach § 178 Abs. 1 SGB IX zu wachen, dass insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden.

--
Gruß
Wolfgang

Pflicht zum Gespräch bei Initiativbewerbung

Christoph, Hessen, Wednesday, 16.05.2018, 17:20 (vor 2171 Tagen) @ WoBi

Hallo!
garda, Ironie, albarracin, WoBi vielen Dank für eure Antworten.

Wir haben der GL jetzt mitgeteilt, dass wir Möglichkeiten eines Einsatzes sehen. Wenn es doch nicht zu einem Gespräch kommen wird, werden wir den Bewerber einfach noch mal auf die ausgeschriebenen Stellen aufmerksam machen.
Gruß
Christoph

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