SBV bei einem 450-Euro-Job? (Allgemeines)

Sima, Monday, 16.07.2018, 18:23 (vor 2102 Tagen)

Hallo zusammen,

folgender Fall, mit dem ich es gerade zu tun habe:

Ein Schwerbehinderter bewirbt sich auf eine 450-Euro-Stelle. Mein AG wollte die SBV in dem Fall gar nicht informieren und erst recht will er nicht, dass die SBV am Gespräch teilnimmt (falls es eines gibt).

Ich habe daher folgende Fragen:

Muss der AG auch bei einem 450-Euro-Job die SBV informieren, wenn die Bewerbung eines Schwerbehinderten vorliegt?

Muss der AG die SBV in dem Fall am Vorstellungsgespräch teilnehmen lassen?

Muss der AG einen nicht ungeeigneten Bewerber auch einladen?

Tausend Dank im Voraus!

SBV bei einem 450-Euro-Job?

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 17.07.2018, 11:50 (vor 2102 Tagen) @ Sima

Hallo,

der Link beantwortet die Frage nur indirekt.

Ein 450€-Jobber ist in allen arbeitsrechtlichen Dingen ein völlig normaler Teilzeitarbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten.
Besonderheiten dieses Arbeitsverhältnisses sind lediglich im Bereich der Sozialversicherung gegeben.

Kein Arbeitgeber kann sich in irgendeiner Form auf irgendwelche Rechtsvorschriften berufen, die diese AN von arbeitsrechtlichen Pflichten ausnimmt - weil es diese Ausnahmen in keinem arbeitsrechtlichen Gesetz gibt.

"Mini-Jobber" sind nicht ausgenommen von Ansprüchen zB nach EFZG, BUrlG oder SGB IX. Sie dürfen auch nicht aus dem Geltungsbereich von Tarifverträgen herausgenommen werden, wie es in manchen alten Manteltarifverträgen üblich war.

--
&Tschüß

Wolfgang

SBV bei einem 450-Euro-Job?

Cebulon, Tuesday, 17.07.2018, 13:36 (vor 2102 Tagen) @ albarracin

Hallo zusammen, diese Minijobber sind zwar als Beschäftigte wahlberechtigt und werden in die Wählerliste eingetragen. Aber andererseits ist in § 164 SGB IX und § 165 SGB IX ausdrücklich von "Arbeitsplätzen" die Rede. Minijobber arbeiten aber wohl nicht auf Arbeitsplätzen im Sinne dieser Vorschriften wegen § 156 Abs. 3 SGB IX ("Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden"). Daher werden sie ja auch regelmäßig nicht im Verzeichnis zur Ausgleichsabgabe erfasst, oder? Gelten die § 164 Abs. 1 SGB IX sowie ggf. § 165 SGB IX trotzdem generell für Minijobber bei Einstellungsverfahren, obwohl in § 165 SGB IX ja auf den § 156 SGB IX ausdrücklich verwiesen wird in der Klammer?

Gruß,
Cebulon

SBV bei einem 450-Euro-Job?

WoBi, Wednesday, 18.07.2018, 18:24 (vor 2100 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

das Arbeitsplätze unter 18 Stunden wöchentliche Arbeitszeit für die Berechnung der Ausgleichsabgabe und als voller Zahlfaktor nicht generell berücksichtigt werden, mag vom Gesetzgeber gewünscht sein. Die Differenzierung wird in den Ausnahmen für die Anrechnung von Teilzeitbeschäftigten in § 158 SGB IX ausgedrückt. Es gibt in den Vertretungsgesetzen und im Kündigungsschutzgesetz andere Regelungen zur Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten.

Im § 165 SGB IX hat es zur Folge, dass Personen mit voller Erwerbsminderungsrente mit einer täglichen Arbeitszeit bis zu 3 Stunden nicht die volle Unterstützung im Bewerbungsverfahren erhalten können. Also Personen, dies es besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt haben und auf Grund ihrer Einschränkungen auf Teilzeitarbeit zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarf angewiesen sind.
Öffentlicher Arbeitgeber könnten sich mit < 45%-Teilzeitarbeitsplätze aus den Verpflichtungen des § 165 SGB IX verabschieden.

Ebenso ist die Unterstützung von behinderten Bewerbern bei Kurzzeitpraktikumsplätzen / Ferienjobs bei einer zeitlichen Begrenzung bis zu 8 Wochen durch die SBV eingeschränkt.

Diese 18-Stunden-Grenze war Gegenstand der Diskussionen zum BTHG. Wobei die Regelungen in § 165 SGB IX im Kern nicht durch das BTHG geändert worden sind. Es wurde die Pflicht zur Prüfung und die Zustimmung zur Veröffentlichung eingefügt. Diese 18 Stunden Wochenarbeitszeitgrenze ist im Bereich der Unterstützungsmöglichkeit im Stellenausschreibungsverfahren / Stellenbesetzungsverfahren durch die SBV korrekturbedürftig.
Die 18 Wochenstunden ist noch ein Relikt aus Tradition zur Arbeitszeitordnung, welche von einem 8 Stundentag und 6 Arbeitstagen als Basis ausgeht und im Arbeitszeitgesetz weitergelebt wird. Die Arbeitswelt hat sich seit 1924 geändert.

In § 185 Abs. 2, Satz 3 SGB IX ist die zeitliche Grenze zur Förderung auf 15 Stunden bzw. 12 Stunden festgelegt. Es könnte also anders geregelt werden.

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Gruß
Wolfgang

SBV bei einem 450-Euro-Job?

WoBi, Tuesday, 17.07.2018, 12:25 (vor 2102 Tagen) @ Sima

Hallo Sima,

Definition einer 450-Euro-Stelle:
Ist eine geringfügige Beschäftigung in einem Beschäftigungsverhältnis, bei dem das Arbeitsentgelt einen gesetzlich definierten Höchstbetrag nicht überschreitet. Die Stundenanzahl ist nicht begrenzt.
Man spricht auch von einem Minijob oder einem 450-Euro-Job. Die Beschäftigung ist über ein Vertragsverhältnis geregelt.

Ein öffentlicher Arbeitgeber hat Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zu beachten. Der Bedarf nach der Arbeitsleistung ist bekanntgegeben.
Oder geht der oberste Dienstherr auf die Straße und spricht dort die erste Person an bzw. wird eine Stelle dem Neffen eines Schwagers eines Parteifreundes zugedacht?

Frage: Muss der AG auch bei einem 450-Euro-Job die SBV informieren, wenn die Bewerbung eines Schwerbehinderten vorliegt?

§ 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX besagt, dass, über vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und den Personalrat unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Dies gilt auch für Initiativbewerbungen. Hier geht es um eine definierte Arbeitsstelle in einem Minijob.
Vergleich dazu deinen Beitrag im Forum: https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=16840

Frage: Muss der AG die SBV in dem Fall am Vorstellungsgespräch teilnehmen lassen?

Die SBV ist für alle behinderten Beschäftigte im Betrieb zuständig. Auf das Vertragsverhältnis des Beschäftigten kommt es dabei nicht an. Bewerber sind nach § 6, Abs. 1, Satz 2, 1. Halbsatz AGG Beschäftigte.
§ 178 Abs. 2 SGB IX sieht keine Ausnahmen vor, sondern Aufgaben und Rechte der SBV. Hier der Satz 4: "Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen."

Frage: Muss der AG einen nicht ungeeigneten Bewerber auch einladen?

Hier ist zu klären, ob es sich um einen Arbeitsplatz im Sinne von § 156 SGB IX handelt. Wenn es ein Arbeitsplatz nach § 156 SGB IX ist, besteht die Ladungspflicht nach § 165 SGB IX. Unabhängig ob es sich um einen Arbeitsplatz im Sinne § 156 SGB IX handelt, ist stets das GG Art. 33 Abs 2 zu beachten.
Aus dieser Frage, ob es sich um einen Arbeitsplatz im Sinne § 156 handelt, ergibt sich auch die Notwendigkeit, dass Dienststellen von öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden.
Die Regelungen aus § 164 SGB IX sind zusätzlich zu beachten, da § 165 nur weitere / besondere Pflichten für öffentlichen Arbeitgeber definiert.

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Gruß
Wolfgang

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