MAin hat fortgeschrittene Bulimie (Fragen zu einer Behinderung)

onkel, Monday, 06.08.2018, 15:40 (vor 2062 Tagen)

Liebe KolleInnen und Kollegen,
eine seit vielen Jahren an Bulimie erkranke Kollegin hat stark an Gewicht verloren. Meines Wissens war der körperlich Zustand noch nie so schlecht wie jetzt.. Sie hat einen GdB 40 und wurde gleichgestellt. Die Firma hilft wo es geht und was geht.. Von irgendeiner Arbeitsleistung wollen wir hier nicht reden.Die Kollegin hat in den Jahren etwa 8 Reha Aufenthalte gehabt, viele Reha Aufenthalte (teilweise in sehr guten Spezialkliniken) erfolglos abgebrochen. Mehrfach wurde Sie in Akutkrankenhäuser mit Infusionen aufgebaut. Sie hat sich dann meistens nach kurzer Zeit selbst entlassen. Zur Zeit ist es extrem schlimm, da die Kollegin Stunden in der Sonne sitzt um schwarzbraun zu werden. Dadurch soll man die Knochen nicht so sehen. Die sieht man aber gut.
Jetzt zu meiner Frage: W§as kann der Betrieb noch tun? Viele
MitarbeiterInnen sind geschockt bei dem Anblick Sie läuft in Sommerkleidung rum.
Kann man die Kollegin zu irgendetwas zwingen? Sicher nicht .Sie ist juristisch völlig frei in allem was sie tut. Mache geben ihr nur noch wenige Wochen.? Ich denke, da geht nix gegen Ihren Willen .Oder?
Vielen Kolleginnen und Kollegen kann man den Anblick nicht jeden Tag unbegrenzt zumuten.

Gruß
onkel

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carpe diem!

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

C3PO, Monday, 06.08.2018, 15:58 (vor 2062 Tagen) @ onkel

Eine Idee wäre, daß ihr euch mal beim örtlichen, sozialpsychiatrischen Dienst beraten lasst, da sitzen Experten, die sich mit so etwas auskennen und vielleicht gute Tips und Hilfestellungen bieten oder sogar von sich aus tätig werden und auf die Kollegin zugehen.

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 07.08.2018, 08:57 (vor 2061 Tagen) @ onkel

Hallo,

war denn in dem bisherigen Prozess zu irgendeinem Zeitpunkt das IA bzw. der IFD beteiligt ?

Wurde schon mal das Thema Erwerbsminderung - ggfs. befristet - angesprochen ?

--
&Tschüß

Wolfgang

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 07.08.2018, 09:48 (vor 2061 Tagen) @ onkel

Moin Moin Onkel,

die Frage ist nicht, was kann man tun, sondern was muss getan werden.
Solange die Kollegin für sich nicht realisiert, dass sie Hilfe braucht, weil sie alleine mit der Situation nicht klar kommt, wird sich nichts ändern.
So hart es sich anhört, sie in Watte zu packen, wie es die Firma macht, unterstützt ihre Bulimie nur. Sie muss ja nichts ändern, muss nicht arbeiten, kann stundenlang in der Sonne liegen und ..... alle akzeptieren das.

Eine Chance auf Veränderung besteht nur, wenn ihr selber bewusst wird, dass sie Hilfe braucht.
Dieses kann der Arbeitgeber beispielsweise mit einem Präventionsverfahren nach § 167,1 SGB IX tun.
Dort können ihr auch Auflagen gemacht werden, an die sie sich halten muss, von nachgewiesener Therapie über weitere Unterstützungsmaßnahmen etc., wenn sie an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses interessiert ist.

Ein anderer Weg ist der sie zum betriebsärztlichen Dienst zu schicken. Wenn dieser die Arbeitsunfähigkeit erkennt, kann er sie auch auffordern, sich krankschreiben zu lassen. Spätestens bei dem Abrutschen in das Krankengeld wird es für die Beschäftigte ersichtlich, dass es so nicht weitergeht. Zudem verliert sie die sozialen Kontakte zur Arbeit und sollte realisieren, dass sie nur bei Einleitung von Maßnahmen wieder in das Erwerbsleben zurückkehren kann. Der Arbeitgeber kann auch die Auflage machen, dass sie vor einer erneuten Arbeitsaufnahme erneut zum BÄD gehen muss, damit dieser die Schritte, die sie begonnen hat, überprüfen kann.

Du kannst Dich auch an eine Selbsthilfegruppe für Essstörungen oder den Integrationsfachdienst wenden, falls diese weitere/andere Ideen haben.

Wenn ihr so weiter macht, wird sich meiner Meinung nach die Kollegin nicht ändern, weil sie keine Notwendigkeit dafür sieht.

Liebe Grüße

Hendrik

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

onkel, Tuesday, 07.08.2018, 10:26 (vor 2061 Tagen) @ Hendrik1

Moin
Danke für eure Hilfen,
die Kollegin ist bereits seit Jahren in Teilerwerbsminderungsrente. Außerdem wurde ein privates Insolvenzverfahren eröffnet das in wenigen Jahren fertig sein könnte. in beiden Angelegenheiten haben GF, BR und die Schweb. sehr geholfen. Das Integrationsamt wurde nicht eingeschaltet. Der Betriebsärztin ist der Fall in allen Einzelheiten bekannt. Ich werden nochmals mit ihr reden. Intern vertritt die Ärztin die Auffassung das nach 8 Reha/Krankenhausaufenthalten die Dame aus therapiert ist. Ihr Verhalten gegenüber KollegInnen ist oftmals sehr aggressiv, dadurch hat sie wenig Sympathie .im Haus. Wegen den vielen Au`s ist sie faktisch von allen Arbeiten befreit. Natürlich hat sie bereits alle Abteilungen "durchgearbeitet".
Vielen AN tut der Anblick der Kollegin weh. Man kann der Firma auch nicht alles zumuten. Besonders nicht den Kollegen im gleichen Büro. "Das muss ich mir als AN nicht jeden Tag antun". "Sollen wir zuschauen bis sie stirbt?" Das ist der Tenor im Haus.
Aus meiner Sicht steht hier die Vollverrentung ins Haus. Fraglich ab sie da mitmacht.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht besteht hier nicht die Möglichkeit unter Zahlung des Restgehaltes jemand dauerhaft
nach Hause schicken?
Was unsere GF sagt ist wieder eine andere Sache.

Gruß
onkel

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carpe diem!

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 07.08.2018, 12:17 (vor 2061 Tagen) @ onkel

Moin Moin Onkel,

"Aus arbeitsrechtlicher Sicht besteht hier nicht die Möglichkeit unter Zahlung des Restgehaltes jemand dauerhaft
nach Hause schicken?"

theoretisch ist es möglich, sie bei Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freizustellen. Die Befristung muss der Arbeitgeber festlegen, sie kann dann auch verlängert werden.

Die Entscheidung, was der Arbeitgeber macht, muss er selber treffen, man kann ihm dies aber vorschlagen.

Liebe Grüße
Hendrik

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

Downunder, Baden-Württemberg, Wednesday, 08.08.2018, 22:24 (vor 2060 Tagen) @ Hendrik1

Hallo,

möchte diese Ausführungen von Hendrik1 nachdrücklich unterstützen!!!

Bei 8 Reha Aufenthalten vermute ich, dass die Rahmenfrist nach 167 Abs 2 SGB IX erfüllt ist. Wurde der Betroffenen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten?

Es gibt somit genügend Ansatzpunkte für den AG tätig werden zu müssen

--
Gruß

Downunder

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

garda, Berlin, Monday, 13.08.2018, 12:51 (vor 2055 Tagen) @ onkel

Hallo Onkel,

ausdrücklich ergänzend zu dem was hier schon an sehr guten Hinweisen gekommen ist, möchte ich noch eine andere Schiene aufmachen.

Hat jemand von euch mal ein Suchtseminar besucht? Aus dem was ich dort gelernt habe und der praktischen Erfahrung würde ich euch alle in irgendeiner Form als Co-Abhängige bezeichnen. Ihr macht genau das, was es der kranken Frau erlaubt weiterzumachen und so macht sie eben weiter.

Macht euch bitte ganz klar, dass die Kollegin süchtig ist. Fortgeschrittene Sucht bedeutet, dass es irgendwann zum Knack kommt. Entweder kommt sie weg oder sie wird auch tatsächlich früher oder später sterben. Punkt. Aua, das tut weh aber so ist es.

Eure Aufgabe ist es, Hilfe anzubieten und die hatte sie bereits reichlich. Nach 8 Rehas wird ihr ein BEM auch nicht helfen.

Mein Vorschlag lautet ganz anders: zur Arbeit heranziehen und sie wird nichts leisten, dann Gespräch, es ändert sich wieder nichts, also Abmahnung, dann wieder Gespräch, es ändert sich wieder nichts dann 2. Abmahnung, es ändert sich wieder nichts, dann Kündigung. Schaut euch mal die Muster-Betriebsvereinbarung der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren an, da seid ihr an mehreren Eskalationsstufen bereits vorbei. Ihr tut der Frau keinen Gefallen weiter zuzusehen und euch auch nicht. Wacht sie dabei auf und schafft es aus dem Teufelskreis, habt ihr sie gewonnen, wenn nicht könnt ihr der Frau sowieso nicht helfen und müsst auch nicht beim Sterben zusehen, denn dazu seid ihr nicht verpflichtet.

Das hört sich jetzt ganz hart an und das ist es auch. Entscheidend ist es dabei, dass ihr an jeder Stelle und bei jedem Gespräch einerseits Hilfe angeboten wird aber auch die Konsequenzen erläutert werden.

Wenn möglich zieht euch einen Suchtberater zur Unterstützung bei.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

ciralifan, Tuesday, 14.08.2018, 08:04 (vor 2054 Tagen) @ garda

Genau so ist es,Michael.Wir hatten einen ähnlichen Fall ( Alkohol Suchtkrank), Nach Druckaufbau fing er sich zum Glück und ist heute trocken und glücklich am arbeiten.

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

garda, Berlin, Tuesday, 14.08.2018, 10:23 (vor 2054 Tagen) @ ciralifan

Genau so ist es,Michael.Wir hatten einen ähnlichen Fall ( Alkohol Suchtkrank), Nach Druckaufbau fing er sich zum Glück und ist heute trocken und glücklich am arbeiten.

Gut das es geklappt hat!

Gerade bei Sucht gilt was ich schon im ersten Grundseminar SBV gelernt habe: man kann nicht jedem helfen.

In meinem zweiten Suchtseminar hatten wir einen trockenen Teilnehmer dem genau so geholfen wurde. Der hat ganz klar gesagt, dass er sonst heute nicht mehr leben würde, wenn man ihm nicht die Kündigung glaubwürdig angedroht hätte.

Viele Menschen schrecken vor der Härte zurück, "man kann doch nicht..." doch man muss sogar! Am Ende macht man sich gerade wegen der fehlenden Konsequenz möglicherweise mitschuldig.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

onkel, Tuesday, 14.08.2018, 10:21 (vor 2054 Tagen) @ onkel

Guten Morgen, lieben Kolleginnen und Kollegen
ich möchte mich an dieser Stelle für eure ausführliche Hilfe bedanken.
Da es einen solcher Fall in der Firmengeschichte noch nie gab, lernen
zur Zeit alle mit der Angelegenheit vertrauten KollegInnen:
Die Entwicklung war abzusehen. Aber keiner wollte einschreiten.

Nochmals Dankeschön!

LG
onkel

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carpe diem!

MAin hat fortgeschrittene Bulimie

Hendrik1, Niedersachsen, Tuesday, 14.08.2018, 11:43 (vor 2054 Tagen) @ onkel

Moin Moin Onkel,

noch ein Wort für Dich und die anderen Beteiligten auf Arbeitgeber und -nehmerseite in diesem Fall.

Grenzt Euch ab.
Macht Euch nicht verantwortlich, wenn sie nicht auf Euch hört.

Macht ihr Hilfsangebote gepaart mit Auflagen und klaren Ansagen der Konsequenzen. Wenn sie dann immer noch die Augen verschließt,, führt ein Präventionsverfahren, dann kann auch eine außenstehende Stelle wie Integrationsamt zu ihr Stellung beziehen und versuchen, den Ernst der Lage zur erklären.
Will/kann sie dann den Ernst der Lage immer noch nicht erkennen und das Präventionsverfahren scheitert, dann muss sie mit den Konsequenzen / Kündigung leben.

Es kann auch sein, dass sie erst dann wach wird, wenn ihr vermeintliches Sicherheitsnetz incl. finanzieller Absicherung komplett zerrissen ist und sie dieses Ereignis zu der Erkenntnis, ich muss mein Leben ändern, wenn ich weiterleben will, führt.
Wie sie sich auch entscheidet, es ist ihre Entscheidung.

Liebe Grüße

Hendrik

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