BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch (BEM)

Pernille, Wednesday, 05.09.2018, 10:51 (vor 2054 Tagen)

Eine MA wurde mit Änderungskündigung bedroht, weil sie zu viele Fehler macht, sagte man. Die SBV konnte dieses abwimmeln.
Im BEM-Gespräch kam es doch zu einer Konfrontation mit dem Vorgesetzten, der aggressiv zum Gespräch kam mit Fehlervorwürfen. Die "viele Fehler" konnte er nicht belegen und wollte nicht sagen, was für Bewertungsmethoden er nutzt und ob der schwerbehinderte MA mehr Fehler (oder weniger) als andere. Er war im BEM-Gespräch sehr genervt, dass die SBV nach seiner Dokumentation und Methode diesbezüglich fragte. Am Ende des BEMs kam doch eine Einigung und es soll so weiter gehen, dass der Vorgesetzte jede Woche ein Jour Fixe mit dem MA *alleine* führt.

Die (viele) Themen, die der Vorgesetzte auf der Agenda gesetzt hat für diese Meetings macht mich stutzig (siehe unten). Es kommt dann doch vor als würde er in diesen Gesprächen die Chance nutzen zu beweisen, dass der MA nicht fähig ist/Fehler macht. Der Vorgesetzte wird nicht wissen, dass BEM-Gespräche nicht im Personalakt eingefügt werden kann.

Wie geht die SBV ambesten vor?

Hier die Email vom Vorgesetzten:

Hallo Frau xxx

folgende Themen sollten wir in den Terminen besprechen:

1. Ihre Aufgaben
xxx
xyz
Nachprüfung von xyz
xxx – unbearbeitete xyz
xx buchen
xxListe xxx
xy Nachprüfung von
xx Produkte

2. Arbeitsbelastung
3. Qualität der Arbeit / Ihre Leistungen
4. Integration im Team / Urlaubsvertretung
5. Diverses

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 05.09.2018, 15:26 (vor 2054 Tagen) @ Pernille

Moin Moin Pernille,

also das liest sich so, als wenn das Gespräch sehr einseitig werden könnte.
Ich würde die Schwerbehinderte dort nicht alleine "hinschicken" sondern anbieten, als Begleitung mitzukommen.
Sollte der Vorgesetzte bei dem Gespräch ähnlich genervt, aggressiv o.ä. agieren, würde ich gemeinsam mit dem BEM auf moderierte Gespräche drängen.
Falls die Vorwürfe der Minderleistung gerechtfertigt sein sollten, bring ggf. den Integrationsfachdienst ins Spiel, damit dieser in den gemeinsamen Gesprächen prüfen kann, ob hier evtl. Ausgleichszahlungen des Integrationsamts bei außergewöhnlicher Belastung des Arbeitgebers sinnvoll sein können.

Dieses mal als ein paar Tipps.

Liebe Grüße

Hendrik

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

Pernille, Tuesday, 11.09.2018, 12:22 (vor 2048 Tagen) @ Hendrik1

Hendrick, danke sehr für deine Einschätzung. Das hilft mir weiter.

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

KaivonderKüste, Thursday, 06.09.2018, 13:30 (vor 2053 Tagen) @ Pernille

Moin,

weiß dein Arbeitgeber, dass es im Gesetz kein BAM (Betriebliches Ausgliederungsmanagement) gibt?

Das BEM im Sinne des § 167 Abs.2 SGB IX hat schon vom Gesetzestext her eindeutig das Ziel, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und (mit Hilfen) vorzubeugen, um den Arbeitsplatz zu erhalten.

Das, was als Vorgabe geschildert wurde, spricht eindeutig für eine Anwendung des § 167 Abs. 1 SGB IX!! Hier wäre dem Arbeitgeber klar vorzugeben, dass nach seinen Schilderungen ein Präventionsgespräch unter Beteiligung des Integrationsamtes angezeigt ist. Alles, was er vor Information der SV angeschoben hat, könne er vergessen, es sei denn, es wird durch das Ergebnis des Präventionsgespräches eindeutig angesprochen und bestätigt.

BEM und Prävention sind eindeutig zwei verschiedene Paar Schuhe. Sie können, müssen aber nicht zusammenfallen. Und nach der Schilderung geht es hier nicht um die Wiedereingliederung des Betroffenen und die zukünftige Vermeidung von Krankheitszeiten. Dem Arbeitgeber sollte dies noch einmal deutlich von der SV vor Augen geführt werden. Auch dass einer (Änderungs-)Kündigung von Seiten der SV unter diesen Rahmenbedingungen nie zugestimmt werden könne.
Dem betroffenen Mitarbeiter sollte klar gemacht werden, dass er aktuell unter keinen Umständen alleine mit dem Arbeitgeber Gespräche führt. Hier hat Hendrik 1 bereits Hinweise zum Verfahren gegeben, die ich teilen kann.

Mögliches weiteres Verfahren: Mit dem betroffenen Mitarbeiter klären, ob und wie er auf Arbeit unterstützt werden kann, um zukünftige Ausfälle durch seine Erkrankung zu vermeiden. Dieses in einem vom Integrationsamt moderierten Gespräch mit dem Arbeitgeber klären und Absprachen zum Verfahren verbindlich treffen.
Zum Abschluß kann ein Folgetermin mit dem gleichen Personenkreis getroffen werden, in dem dann über möglicherweise bestehende Leistungseinschränkungen gesprochen wird. Dem betroffenen Mitarbieter sollte dabei klar gemacht werden, dass es dann nicht um seine derzeitige Stelle geht, sondern dass dann geklärt wird, ob und in welcher Form er gegebenenfalls weitere Unterstützung oder Förderung erhält.
Vielelicht gibt es auch Möglichkeiten, bestehendes Wissen durch eine Schulung oder einen (internen / externen) Kursus aufzufrischen und zu erweitern.

Soweit meine Gedanken von der Küste

Kai

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

Pernille, Tuesday, 11.09.2018, 12:25 (vor 2048 Tagen) @ KaivonderKüste

Diese Antwort ist sehr gut und sehr hilfreich. Es regt Sachen an, woran ich nicht gedacht hatte. Ich lerne immer dazu. Das Forum hier ist eine große Hilfe dafür. Danke an allen wie du Kai die sich die Zeit nehmen.
Dieser Fall ist nicht leicht für mich als SBV, da der Vorgesetzte hier nicht aufgeben wird, den Druck auszuüben. Da ist eine starke SBV gefordert. Die Stärke bekomme ich dann u.a. durch solche Antworte von dir.

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

Hr.Rautenberg, Wednesday, 12.09.2018, 00:33 (vor 2047 Tagen) @ Pernille

Hallo Pernille!

Das ist ein klassischer Fall von fehlenden Wissen von Rechtsraumabgrenzungen. Und zwar bei den gesetzlichen Interessenvertretern.

Dem Arbeitgeber ist sonnenklar, dass seine Verpflichtung aus § 167 (2) SGB IX eine hoheitliche Aufgabe ist. Er muss das durchführen, auch wenn es keinen Betriebsrat, Personalrat oder Schwerbehindertenvertrauensperson gibt. Allerdings wird diese Regelung damit auch nicht mitbestimmt. Die Verpflichtung zur Mitbestimmung ergibt sich auch für Betriebs- und Personalräte aus § 167 SGB IX. Mitbestimmung bedeutet hier, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Verpflichtungen vollumfänglich dazu beiträgt alle arbeitsplatz-,arbeitsorganisatorisch oder arbeitszeitbedingten Widrigkeiten, die zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit führen könnten durch eine Gefährdungsbeurteilungen inkl. psychische Gefährdungen durch Vorgesetzte [siehe Gesprächsleitfaden] oder Kolleg[inn]en personenbezogen ermittelt muss. Ein mitbestimmter Gesprächsleitfaden, an dem man sich sklavisch halten muss sieht deutlich anders aus.

Aber auch hier gibt es Arbeitgeber, die so tun, als gäbe es einen Unterschied zwischen dem BEM und Krankenrückkehrgesprächen (Fürsorgespräche u. a. Synonyme) insoweit [und so sieht der Gesprächsleitfaden aus], da das BEM nur zwingend ist für Fehlzeiten oberhalb von 41 Kalendertagen bzw. sechs Wochen. Das kann sogar dazu führen, dass mitbestimmte sanfte BEM Gespräche geführt werden und gleichzeitig knallharte Krankenrückkehrgespräche. Hier hat unser Anwalt schon vor unserer Zeit einen höchstrichterlichen BAG Riegel vorgeschoben, weil auch solche Gespräche [abgeleitet unter 42 Kalendertagen] erzwingbar mitbestimmungspflichtig sind [AZ.: 1 BAG 8.11.1994 ABR 22 / 94]. Die BEM Regelung kam sogar erst später auf den Markt.

Es besteht also wegen fehlender Ausübung der Mitbestimmung die Gefahr, dass ein Betriebs- oder Personalrat selbst so tut, als würde er nicht existieren und eine SBV kann hier nichts machen, weil es keine erzwingbaren Mitbestimmungsrechte hat.

Der nächstliegende Schritt kann also nur sein mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht des Vertrauens als Betriebsrat eine einstweilige Verfügung wegen Verstoßes gegen diverse Rechte aus § 87 BetrVG [Hinweis Aktenzeichen s.o.] zu erwirken und unmittelbar den Arbeitgeber zu Verhandlungen zu einer umfassenden BV BEM aufzufordern. Alles andere wäre Schaumschlägerei, die zu nichts führt und Zeit vergeudet.

Dies ändert jedoch nichts an der hoheitlichen Arbeitgeberpflicht zum BEM. Ein Betriebsrat hat hier höchsten Handlungsdruck. Ich verweise hier auf die Betriebsvereinbarungssammlung der Hans Böckler Stiftung:

Hans Böckler Stifung Auswertungs- / Gestaltungshilfen

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 12.09.2018, 11:12 (vor 2047 Tagen) @ Hr.Rautenberg

Guten Tag,

auch hier werfen Sie offensichtlich nur mit halbverstandenem Wissen um sich:


Dem Arbeitgeber ist sonnenklar, dass seine Verpflichtung aus § 167 (2) SGB IX eine hoheitliche Aufgabe ist.

Es tut mir leid, aber auch das ist einfach nur hanebüchen. Sie sollten sich einmal mit der Begriffsbestimmung beschäftigen. Der Arbeitgeber ist als Person des Privatrechts per se schon mal kein "Hoheitsträger". Es gibt aber auch in Zusammenhang mit dem § 167 SGB IX keinerlei Verleihung von Hoheitsrechten pauschal an die Arbeitgeber.
Das BEM als Element des Arbeitsrechts ist prinzipiell Bestandteil des Privatrechts. Daran ändert auch eine Bußgeldandrohung nichts.

--
&Tschüß

Wolfgang

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

Hr.Rautenberg, Friday, 14.09.2018, 02:18 (vor 2045 Tagen) @ albarracin

Hallo albarracin!

Quelle: BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012, Az: 2 BvR 133/10. Diese Übertragung nennt sich Beleihung. Die Unternehmen werden als Beliehene bezeichnet. Für die Beleihung gibt hier letztlich keine Brancheneinschränkung oder ein Rechtsgebietvorbehalt.

BEM-Gespräch als Personalbeurteilungsversuch

albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 14.09.2018, 10:29 (vor 2045 Tagen) @ Hr.Rautenberg

Ich weiß, daß im Einzelfall eine Privatperson mit Hoheitsrechten beliehen werden kann.
Aber wo gibt es diese ausdrückliche vorherige "Beleihung" mit staatlichen Hoheitsrechten im Zusammenhang mit BEM ?

--
&Tschüß

Wolfgang

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