Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung - darf Stellvertreter wählen (Wahlen)

fisch21, Wednesday, 19.12.2018, 17:13 (vor 1952 Tagen)

Hallo,

die amtierende Gesamt-SBV-Vertretung hat uns (die örtlichen Vertrauenspersonen) zur Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung eingeladen. Da wir die Wahl vor Ende der Amtszeit im Rahmen einer Jahresversammlung durchführen, dürfen wir das vereinfachte Wahlverfahren anwenden.

In der Einladung steht, dass das Wahlrecht PERSONENGEBUNDEN ist und das bei Verhinderung der örtlichen Vertrauensperson das Wahlrecht NICHT auf einen Stellvertreter delegierbar ist.

Ich habe jedoch auch schon gegenteilige Meinungen gelesen. Ist es korrekt, dass das Wahlrecht bei der GSBV-Wahl PERSONENGEBUNDEN ist bzw. das nur die jeweiligen gewählten örtlichen Vertrauenspersonen wahlberechtigt sind und auch bei Verhinderung einer örtlichen Vertrauensperson der Stellvertreter nicht wählen darf.

Im voraus vielen Dank für Eure Antworten.

Viele Grüße
Karl

Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung - darf Stellvertreter wählen

WoBi, Wednesday, 19.12.2018, 20:24 (vor 1951 Tagen) @ fisch21

Hallo fisch21,

das aktive Wahlrecht zur Wahl der GSBV steht den SBVen zu. Die SBV wird durch die Vertrauensperson vertreten. Ist diese an der Teilnahme zur Ausübung des Wahl- und Vorschlagrechts verhindert, nimmt nach § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX das (erste) stellvertretende Mitglied diese Rechte wahr. Denn nach § 179 Abs. 3 Satz 2 besitzt das stellvertretende Mitglied die gleiche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung.
Die Anwendbarkeit der genannten Regelungen ist im § 180 Abs. 7 SGB IX genannt.

Eine Beschränkung auf eine "personenbezogene" Wahlausübung entspricht nicht den gesetzlichen Regelungen. Dies wird deutlich, dass in § 180 Abs. 1 SGB IX ", wählen die Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung." steht.
Wenn diese Wahlausübung nur den gewählten Vertrauenspersonen zustehen würde, müsste dort stehen, dass die Vertrauenspersonen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen die GSBV wählen.

Frage doch einfach nach der Rechtsgrundlage für die Beschränkung des Wahl- und Vorschlagsrechtes. Bin gespannt, was hierfür genannt werden wird.

--
Gruß
Wolfgang

Verhinderungsvertretung bei einer Wahl der Gesamt-SBV

Cebulon, Wednesday, 19.12.2018, 22:29 (vor 1951 Tagen) @ fisch21

In der Einladung steht, dass das Wahlrecht PERSONENGEBUNDEN ist und das bei Verhinderung der örtlichen Vertrauensperson das Wahlrecht NICHT auf einen Stellvertreter delegierbar ist.

Hallo Karl,

das ist Müll hoch drei. Hier gehts um klassische Verhinderungsvertretung kraft Gesetzes nach dem § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX und nicht um eine Delegation. Darüber hat die GSBV nicht zu befinden, auch nicht die örtl. Vertrauensperson! Das ist ein kapitaler Fehler! Das würde GSBV-Wahlen ggf. klar anfechtbar machen, weil bei Verhinderung der Stelli selbstverständlich das Vorschlags- und Stimmrecht hat, also beides. Ist entgegen diesem früheren Thread für Wahl der GSBV "direkt" und unmittelbar aus dieser Norm ableitbar auch ohne Verweisung in § 180 SGB IX nach dem klaren Wortlaut in § 177 SGB IX.

Vermutlich hat GSBV das aus Druckausgabe der Wahlbroschüre auf Seite 105 hergeleitet, in der folgender ominöse Satz im Formular für förml. Wahlen für die Stufenvertretung steht in Nr. 3: "Eine Vertretung bei der Stimmabgabe durch die stellvertretenden Mitglieder ist nicht zulässig." Auch dieses ist aus dem gleichen Grund falsch bzw. irreführend, sagt Prof. Düwell u.a. in dem neuen Kommentar LPK-SGB IX zu § 180 Rn. 7:

"Soweit die BIH pauschal die Meinung vertritt, die Vertretung bei der Stimmabgabe sei unzulässig,23 ist das irreführend. Unzulässig wäre es nur, das der SBV zustehende Abstimmungsrecht einem stellvertretenden Mitglied abzutreten. Das schließt nicht aus, dass das Stimmrecht von dem mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglied im Verhinderungsfall wahrgenommen wird. Dann wird nicht das Stimmrecht unzulässigerweise übertragen, sondern im Weg des zeitweisen Nachrückens wahrgenommen.24"

Gruß,
Cebulon

Verhinderungsvertretung bei einer Wahl der Gesamt-SBV

Rolli1965, Thursday, 20.12.2018, 09:43 (vor 1951 Tagen) @ Cebulon

Genau diese Frage scheint nicht wirklich geklärt zu sein. Von der BIH bekommt man in deren Broschüre und auch persönlich die Auskunft, dass das Wahlrecht gemäß den allgemeinen Grundsätzen zum Wahlrecht personengebunden ist. Die ungeklärte Frage bezieht sich auf den Vertretungsfall und ob dieser für das aktive Wahlrecht Anwendung finden kann. Daneben stehen die Regelungen des förmlichen Wahlverfahrens, nach welchen eine Liste der Wahlberechtigten zu erstellen ist. Für die Wahl zu einer GSBV beinhaltet die Liste die Wahlberechtigten örtlichen hauptamtlichen SBVen. Die Stellvertretenden sind in dieser Wählerliste nicht enthalten. Daher stellt sich die Frage, ob hier wirklich ein Vertretungsfall anwendbar ist. Und die Liste der Wahlberechtigten kann sich nicht nach Anwendung des Wahlverfahrens unterscheiden dürfen. So lange dieser Fall nicht gesetzlich konkretisiert wird oder höchstrichterlich entschieden ist, steht die Frage nach einer Gültigkeit einer solcherart durchgeführten Wahl ungeklärt im Raum. Der Wahlleiter muss sich auf die Wahlordnung und die von den zuständigen Stellen herausgegebenen Broschüren verlassen können. Also stellt sich hier nicht zusätzlich die Frage nach einer fahrlässigen Pflichtverletzung, sondern ob eine Wahlberechtigung entgegen des Grundsatzes der Personengebundenheit auch auf ein Mandat erstrecken kann und damit die Stellvertreter Regelung im Verhinderungsfall angewendet werden kann.

Verhinderungsvertretung bei einer Wahl der Gesamt-SBV

Cebulon, Thursday, 20.12.2018, 10:43 (vor 1951 Tagen) @ Rolli1965

Die ungeklärte Frage bezieht sich auf den Vertretungsfall und ob dieser für das aktive Wahlrecht Anwendung finden kann.

Die "Teilnahme stellvertretender Mitglieder an der Wahlversammlung" ist doch verständlich erklärt und stichhaltig begründet von Prof. Düwell in dem LPK-SGB IX, § 180 Rn. 8 und 13. Und Düwell war schließlich Vorsitzender Richter am BAG. Da gibt es auch keine unterschiedlichen Lehrmeinungen. Ungeklärt im Raum steht da nichts.

Folgenden Satz in Nr. 3 im Formular der BIH-Wahlbroschüre, Seite 105, für die förmliche Wahl der SBV-Stufenvertretung halte ich für falsch sowie irreführend: „Eine Vertretung bei der Stimmabgabe durch die stellvertretenden Mitglieder ist nicht zulässig.“ Dem hat die Literatur entschieden widersprochen, weil viel zu pauschal. Offenbar hat auch die BIH ihren Fehler entdeckt – und bereits in ihren Formularen online korrigiert und dort diesen irreführenden Satz komplett gestrichen ...

Auskunft, dass das Wahlrecht gemäß den allgemeinen Grundsätzen zum Wahlrecht personengebunden ist.

Das ist Unfug! Würde die Wahlen verzerren! Einen solchen Grundsatz gibt es nicht für die Stufenwahlen. Das mag so sein bei den örtlichen Wahlen, aber eben nicht bei Stufenwahlen. Da gibt es gerade keinen Grundsatz der Personengebundenheit, wie WoBi gestern ja schon so wunderbar erklärt hat. Sowohl bei Wahlvorschlägen als auch bei der Briefwahl ist Verhinderungsvertretung möglich gemäß § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. Außerdem ist in § 22 Absatz 1 der SchwbVWO die sinngemäße Anwendung angeordnet und nicht unsinnige wörtliche Anwendung der Vorschriften für die örtlichen Wahlen. Gleiches gilt selbstverständlich für Wahlversammlung entsprechend. Vor allem aber steht in § 180 Abs. 1 SGB IX, dass „Schwerbehindertenvertretungen“ wählen und nicht exklusiv lediglich die „Vertrauenspersonen“, was im Verhinderungsfall die Stellvertretung mit umfasst.

Gruß,
Cebulon

Verhinderungsvertretung bei einer Wahl der Gesamt-SBV

Rolli1965, Thursday, 20.12.2018, 10:59 (vor 1951 Tagen) @ Cebulon

Danke für die Erläuterung, da gab es wohl doch eine Aktualisierung gegenüber der letzten Wahl vertretenen Meinung de BIH. Kannst Du vielleicht freundlicherweise den link zur online Info des BIH zur Verfügung stellen?
"Das schließt nicht aus, dass das Stimmrecht von dem mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglied im Verhinderungsfall wahrgenommen wird. Dann wird nicht das Stimmrecht unzulässigerweise übertragen, sondern im Weg des zeitweisen Nachrückens wahrgenommen.24"
Aus dem Zitat schliesse ich dass nur die "echte" Vertretung gemeint ist, bei welcher das Mandat übernommen wird, also nicht die parallele Hinzuziehung, oder?
LG Rolli

Verhinderungsvertretung bei einer Wahl der Gesamt-SBV

Cebulon, Thursday, 20.12.2018, 11:38 (vor 1951 Tagen) @ Rolli1965

Kannst Du vielleicht freundlicherweise den Link zur online Info des BIH zur Verfügung stellen?

Wahlausschreiben Stufenvertretung

Aus dem Zitat schliesse ich, dass nur die "echte" Vertretung gemeint ist, bei welcher das Mandat übernommen wird, also nicht die parallele Hinzuziehung, oder?

Echte Vertretung? Parallele Hinzuziehung? Was ist das? Verstehe nur Bahnhof? Kenne diese Begriffe nicht. Gemeint ist stets der sog. erste Stellvertreter nach § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX.

Gruß,
Cebulon

Verhinderungsvertretung bei einer Wahl der Gesamt-SBV

WoBi, Thursday, 20.12.2018, 14:43 (vor 1951 Tagen) @ Rolli1965

Hallo Rolli1965,

bitte beachten, dass meine Antwort sich auf die Fragestellung einer GSBV-Wahl in einer Wahlversammlung anlässlich einer SBV-Versammlung in Organisation der (alten) GSBV im vereinfachten Wahlverfahren bezogen hat.

Meine Antwort bitte nicht mit dem förmlichen Wahlverfahren mit schriftlicher Stimmabgabe bei einer GSBV-Wahl vermischen. Hier stehen die örtlichen Vertrauenspersonen in der Liste der Wahlberechtigten. Sollte sich z.B. durch Ausscheiden der Vertrauensperson und Nachrücken eine Änderung ergeben haben, ist dieses durch Einspruch gegen die Liste der Wahlberechtigten gegenüber dem Wahlvorstand durchzuführen.

In einer Wahlversammlung (vereinfachtes Verfahren) führt der durch die anwesenden Personen gewählte Wahlleiter eine aktuelle Liste der Wählberechtigten, nach Prüfung der Wahlberechtigung und vermerkt dort die Stimmabgabe von jedem Wähler für die beiden Wahlgänge.

--
Gruß
Wolfgang

Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung - darf Stellvertreter wählen

Rolli1965, Thursday, 20.12.2018, 09:44 (vor 1951 Tagen) @ fisch21

Hallo,

die amtierende Gesamt-SBV-Vertretung hat uns (die örtlichen Vertrauenspersonen) zur Wahl der Gesamtschwerbehindertenvertretung eingeladen. Da wir die Wahl vor Ende der Amtszeit im Rahmen einer Jahresversammlung durchführen, dürfen wir das vereinfachte Wahlverfahren anwenden.

In der Einladung steht, dass das Wahlrecht PERSONENGEBUNDEN ist und das bei Verhinderung der örtlichen Vertrauensperson das Wahlrecht NICHT auf einen Stellvertreter delegierbar ist.

Ich habe jedoch auch schon gegenteilige Meinungen gelesen. Ist es korrekt, dass das Wahlrecht bei der GSBV-Wahl PERSONENGEBUNDEN ist bzw. das nur die jeweiligen gewählten örtlichen Vertrauenspersonen wahlberechtigt sind und auch bei Verhinderung einer örtlichen Vertrauensperson der Stellvertreter nicht wählen darf.

Im voraus vielen Dank für Eure Antworten.

Viele Grüße
Karl

Genau diese Frage scheint nicht wirklich geklärt zu sein. Von der BIH bekommt man in deren Broschüre und auch persönlich die Auskunft, dass das Wahlrecht gemäß den allgemeinen Grundsätzen zum Wahlrecht personengebunden ist. Die ungeklärte Frage bezieht sich auf den Vertretungsfall und ob dieser für das aktive Wahlrecht Anwendung finden kann. Daneben stehen die Regelungen des förmlichen Wahlverfahrens, nach welchen eine Liste der Wahlberechtigten zu erstellen ist. Für die Wahl zu einer GSBV beinhaltet die Liste die Wahlberechtigten örtlichen hauptamtlichen SBVen. Die Stellvertretenden sind in dieser Wählerliste nicht enthalten. Daher stellt sich die Frage, ob hier wirklich ein Vertretungsfall anwendbar ist. Und die Liste der Wahlberechtigten kann sich nicht nach Anwendung des Wahlverfahrens unterscheiden dürfen. So lange dieser Fall nicht gesetzlich konkretisiert wird oder höchstrichterlich entschieden ist, steht die Frage nach einer Gültigkeit einer solcherart durchgeführten Wahl ungeklärt im Raum. Der Wahlleiter muss sich auf die Wahlordnung und die von den zuständigen Stellen herausgegebenen Broschüren verlassen können. Also stellt sich hier nicht zusätzlich die Frage nach einer fahrlässigen Pflichtverletzung, sondern ob eine Wahlberechtigung entgegen des Grundsatzes der Personengebundenheit auch auf ein Mandat erstrecken kann und damit die Stellvertreter Regelung im Verhinderungsfall angewendet werden kann.

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