Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte? (Allgemeines)

sabsezicke, Friday, 09.08.2019, 07:41 (vor 1715 Tagen)

Hallo,

mal angenommen, eine schwerbehinderte Person war bei bei einem AG im ÖD bereits angestellt, nicht verbeamtet. Damals kündigte diese Person, weil sie sich beruflich verändern wollte. Jetzt bewirbt sich diese Person irgendwann wieder bei diesem AG im ÖD auf eine ausgeschriebene Stelle in einem anderen Bereich, als in dem sie zuerst tätig gewesen ist. Die Schwerbehinderung wird in der Bewerbung wieder angegeben und belegt. Es spricht aufgrund der Stellenausschreibung und der Bewerbung und des Lebenslaufs nichts gegen eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Die Person wäre offensichtlich geeignet. Es lagen weder damals noch heute sachgrundlose Befristungen vor.

Jetzt weiß man aus der damaligen Anstellung eine von drei folgenden Dingen (entweder 1. oder 2 oder 3..):

1. Aus einer damaligen amtsärztlichen Untersuchung nach der Probezeit ging hervor, dass eine psychische Erkrankung zum damaligen Zeitpunkt vorliegt.
2. Die Person hatte damals bereits in der Probezeit Konflikte mit KollegInnen, die sich aber auflösten. Nach der Probezeit gab es aber erneut Konflikte mit KollegInnen und dann auch mit Vorgesetzten.
3. Die Person wurde nach der damaligen Probezeit sehr oft quatschend mit anderen KollegInnen auf Fluren und anderen Büros gesehen.

Es gab allerdings keine Abmahnungen, sondern "nur" entsprechende Aktenvermerke in der Personalakte.

Darf jetzt einer dieser Gründe dazu führen, dass eine nicht offensichtlich ungeeignete Person nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden muss?

Danke Euch.

GLG

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

sabsezicke, Friday, 09.08.2019, 08:43 (vor 1715 Tagen) @ sabsezicke

Was wäre in dem Fall, wenn die Person bereits in den aktuell ausgeschriebenen Bereich tätig war, aber damals innerhalb der Probezeit gekündigt wurde?

Könnte man jetzt sagen, "Die Person hats damals nicht gebracht, also wird das dieses Mal auch wieder nichts!"?

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

WoBi, Friday, 09.08.2019, 09:35 (vor 1715 Tagen) @ sabsezicke

Hallo sabsezicke,

hier kommt es auf die Zeit an.
War die Probezeitkündigung vor 2 Wochen und es wird sich um den durch die eigene Kündigung freiwerden Arbeitsplatz beworben, könnte die vorhandene aktuelle Beurteilung eine Berücksichtigung finden. Lag die Probezeitkündigung bereits Jahre zurück und die Person könnte z.B. sich qualifizieren und weiterentwickeln, sollte es keine Rolle mehr spielen. Hier ist Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten.
Soll der Arbeitgeber es erstmal nach § 164 Abs.1 Satz 7-9 SGB IX begründen, falls die Beschäftigungsquote nicht eingehalten wird und die SBV bzw. PR nicht einverstanden sind.

Es ist zudem das Maßregelungsverbot in § 612a BGB zu beachten:
"Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt."

Dass dieses und der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird, ist allgemeine Aufgabe der SBV nach § 178 Abs. 1 Nummer 1 SGB IX und die des PR je nach zuständigem Personalvertretungsgesetz.

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Gruß
Wolfgang

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

WoBi, Friday, 09.08.2019, 09:06 (vor 1715 Tagen) @ sabsezicke

Hallo sabsezicke,

hier kommt § 165 Abs. 3 SGB IX zum Tragen. Ein öffentlicher Arbeitgeber hat einen vorgeschlagenen Schwerbehinderten oder sich bewerbenden Schwerbehinderten um einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 165 Abs. 4 SGB IX kann eine Einladung nur entbehrlich sein, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

Ein sich bewerbender schwerbehinderter Mensch, der offensichtlich nicht fachlich vollkommen ungeeignet für die Stellenausschreibung ist, ist demzufolge zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Nachweis der offensichtlich fachlichen Uneignung hat der Arbeitgeber im Falle einer AGG-Klage für die Bewerbung nachzuweisen und ggf. zu beweisen.
Eine Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch kann ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einem in § 1 in Verbindung mit § 7 AGG genannten Merkmal sein. Dann nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG sind Bewerber Beschäftigte.

Bitte auch die Suchfunktion nutzen

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Gruß
Wolfgang

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

sabsezicke, Monday, 12.08.2019, 01:13 (vor 1712 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

dann darf also die berufliche Vergangenheit bei dem gleichen Arbeitgeber keine Rolle spielen und dürfte im Falle einer AGG-Klage auch der AG nicht angeben dürfen, um eine Entschädigungszahlung zu umgehen?

Danke.

GLG

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

WoBi, Monday, 12.08.2019, 11:41 (vor 1712 Tagen) @ sabsezicke

Hallo sabsezicke,

"darf" und "dürfen", wir leben in einem freien Land. Dies gilt auch für ein mögliches AGG-Verfahren mit ungewissen Ausgang für beide Seiten. Es ist nicht Aufgabe einer Interessensvertretung Richter zu spielen, sondern die Interessen von (behinderten) Beschäftigten zu vertreten. Also nicht, der X hat die Kündigung verdient, sondern Hintergründe ergründen und Gegenargumente nennen.

Bei Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz gibt es keine Einschränkung bezüglich, hat sich noch nicht bei der Behörde beworben. Selbst wenn vor x Jahren es z.B. Probleme mit dem Umgang von Kunden aus behinderungsbedingten Gründen (Anfallleiden, Tourrette, ..) gegeben haben sollte, könnte die SBV heute argumentieren, dass dieses durch Verbesserung der Medikamentierung sich erheblich geändert hat.

Erfüllt die Anforderungen der Ausschreibung, anderer Arbeitsplatz, andere Anforderungen, anderes Umfeld, hat sich Weiterentwickelt, zweite Chance, Vergänglichkeit und vergessen das wäre die Argumentationslinie.
Als Beispiel sei auf den Wandel bezüglich Tätowierungen als Einstellungshindernis im öffentlichen Dienst hingewiesen. Die dazugehörige Rechtsprechung ist auch nicht von alleine gekommen, sondern wurde durch betroffene Personen veranlasst.
Ein anderes älteres Beispiel wäre der "Radikalenerlass", bei dem ein gewisser Wandel eingetreten ist. Falls es sich um einen derartigen Altfall handeln sollte.:-)

Eine AGG-Klage ist normalerweise beschränkt auf Entschädigung und Schadensersatz. So § 19 Abs. 7 1. Halbsatz AGG.
Bei einem öffentlichen Arbeitgeber greift aber § 19 Abs. 7 2. Halbsatz AGG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG bei der ein Anspruch auf Übertragung einer ausgeschriebenen Stelle in Betracht kommen kann. Auch dies könnte ein Argument der SBV sein, um den Arbeitgeber die Erfüllung seiner Verpflichtungen zu empfehlen.

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Gruß
Wolfgang

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

albarracin, Baden-Württemberg, Monday, 12.08.2019, 14:57 (vor 1712 Tagen) @ sabsezicke

Hallo sabsezicke,

die Pflicht zum Vorstellungsgespräch bezieht sich allein auf die fachliche Eignung. Ist diese gegeben, muß zwingend eingeladen werden.
Alles Andere kann dann im Vorstellungsgespräch besprochen werden. Wer weiß, vielleicht kann ja der sb Bewerber die Vorbehalte auch ausräumen bzw. eine glaubhafte andere Sicht der Dinge darlegen ?

--
&Tschüß

Wolfgang

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

garda, Berlin, Wednesday, 14.08.2019, 08:11 (vor 1710 Tagen) @ albarracin

Hallo sabsezicke,

die Pflicht zum Vorstellungsgespräch bezieht sich allein auf die fachliche Eignung. Ist diese gegeben, muß zwingend eingeladen werden.
Alles Andere kann dann im Vorstellungsgespräch besprochen werden. Wer weiß, vielleicht kann ja der sb Bewerber die Vorbehalte auch ausräumen bzw. eine glaubhafte andere Sicht der Dinge darlegen ?

Grundsätzlich stimme ich dir da zu. Aus den Umständen des Einzelfalles ist aber durchaus auch eine fehlende persönliche Eignung denkbar. Paradebeispiele: die rollstuhlfahrende Stewardess, der insulinpflichtige Pilot, der blinde Lokführer usw. Alles schon passiert (na gut, für den blinden Lokführer habe ich kein Beispiel).

--
Mit freundlichen Grüßen

Michael

Gründe für Nichteinladung Schwerbehinderte?

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 14.08.2019, 09:21 (vor 1710 Tagen) @ garda

Hallo Garda,

die von Dir genannten Eigenschaften sind ebenfalls Bestandteil der fachlichen Eignung, falls die Beschäftigung bestimmte körperliche Eigenschaften zwingend (durch öffentlich-rechtliche Vorschrift) voraussetzt.

--
&Tschüß

Wolfgang

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