parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung? (Umgang mit BR / PR)

steffen ⌂, Hamburg, Thursday, 28.11.2019, 17:04 (vor 1604 Tagen)

moin,

ordentliche br-mitglieder dürfen nach betrvg bei einer br-sitzung nur fehlen, wenn sie erkrankt sind, urlaub haben oder ein "wichtiger grund" vorliegt. kennt ihr rechtsquellen bzw. -sprechung dazu, ob bei vorlage eines doppelmandats (br und sbv) der br-sitzung ferngeblieben werden kann, um einen sbv-termin wahrnehmen zu können?

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lg,
steffen

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

WoBi, Thursday, 28.11.2019, 17:39 (vor 1604 Tagen) @ steffen

Hallo steffen,

nachdem das BR-Mitglied "steffen" durch die SBV-Arbeit als SBV "steffen" im Betrieb tätig ist, kann und darf für das nur bedingt "verhinderte" BR-Mitglied "steffen" kein Ersatz-BR-Mitglied nachgeladen werden. Das BR-Gremium hat somit ein Mitglied in dieser BR-Sitzung weniger.
Was anderes wäre, wenn das BR-Mitglied "steffen" durch die SBV-Arbeit außerhalb des Betriebes tätig wäre. Dann wäre auch das BR-Mitglied "steffen" verhindert und ein Ersatzmitglied müsste geladen werden. Hier ist die Meldung an den BR-Vorsitzenden erforderlich, damit dieser nachladen kann.

Für die verhinderte Vertrauensperson kann an der BR-Sitzung das 1. stellvertretende Mitglied der SBV an der BR-Sitzung teilnehmen. Ist dort allerdings nur mit den Rechten der SBV ausgestattet, also ohne Stimmrecht.

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Gruß
Wolfgang

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 28.11.2019, 18:41 (vor 1604 Tagen) @ WoBi

Hallo

WoBis Differenzierung kann ich nicht folgen. Das Gesetz kennt keine "bedingte" Verhinderung.
Da BetrVG und SGB IX keine "Wertigkeit" der Mandate festgelegt haben, entscheidest Du bei der sog. "Ehrenamtskonkurrenz" nach pflichtgemäßem Ermessen, welchem Ehrenamt Du Vorrang gibst. Und entscheidest Du Dich für die SBV-Tätigkeit - auch innerhalb des Betriebes - muß dann natürlich für Dich im BR als BR nachgeladen werden und Du mußt ggfs. Deine Stellvertretung in die Sitzung entsenden.

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&Tschüß

Wolfgang

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

WoBi, Friday, 29.11.2019, 10:48 (vor 1603 Tagen) @ albarracin

Hallo albarracin,

es sind die zwei unterschiedlichen Verhinderungsgründe in den zwei verschiedenen Gesetzesgrundlagen nach SGB IX und BetrVG zu berücksichtigen.

Da BetrVG und SGB IX keine "Wertigkeit" der Mandate festgelegt haben, entscheidest Du bei der sog. "Ehrenamtskonkurrenz" nach pflichtgemäßem Ermessen, welchem Ehrenamt Du Vorrang gibst.

Die ehrenamtliche Tätigkeit als SBV und BR hat einen Vorrang gegenüber der geschuldeten Arbeitsleistung. Richtig ist, dass es für SBV oder BR keine Wertigkeit gibt. Ist auch gut so, denn kann die Vertrauensperson nach Kriterien und Notwendigkeiten entscheiden.

Für die Vertrauensperson der SBV ist eine Verhinderung nach dem SGB IX bereits gegeben wenn ein weiterer Termin ansteht. Hier ergibt sich für die SBV als Einpersonengremium bereits die Möglichkeit, dass der gewählte Stellvertreter, nach Maßgabe des Wahlergebnisses der Reihenfolge, als Vertretung (§ 179 SGB IX) tätig werden kann. Welcher Termin die Vertrauensperson wahrnimmt, ist dabei ihr überlassen. Das stellvertretende Mitglied der SBV kann dann z.B. den Termin der BR-Sitzung wahrnehmen. Aber nur in der Rolle als SBV.

Ein BR-Mitglied ist nach dem BetrVG verhindert, wenn es z.B. im Urlaub, Krank, eigene Betroffenheit oder in Elternzeit ist. Das Mitglied des BR kann ausdrücklich erklären, dass es z.B. wegen Urlaub oder Krankheit nicht verhindert ist. Bei einem zeitweilig verhinderten Mitglieds des BR rückt ein Ersatzmitglied nach.
Eine Verhinderung liegt nicht vor, wenn das BR-Mitglied trotz Vorrang erforderlicher Betriebsratstätigkeit (§ 37 BetrVG) die Verrichtung von vertragsgemäßen Tätigkeit durchführt. Das BR-Mitglied fehlt rechtswidrig und es ist kein Ersatzmitglied nachzuladen. Wenn er im Betrieb / Dienststelle tätig ist, ist dies keine Hinderung um die Betriebsratstätigkeit auszuüben.

Da BetrVG und SGB IX keine "Wertigkeit" der Mandate festgelegt haben, entscheidest Du bei der sog. "Und entscheidest Du Dich für die SBV-Tätigkeit - auch innerhalb des Betriebes - muß dann natürlich für Dich im BR als BR nachgeladen werden und Du mußt ggfs. Deine Stellvertretung in die Sitzung entsenden.

Deshalb ist es im Doppelmandat wichtig, ob die Vertrauensperson im Betrieb/Dienststelle tätig ist oder ob durch die SBV ein Termin außerhalb z.B. Integrationsamt wahrgenommen wird, denn dies hat Folgen für die Verhinderung oder Nichtverhinderung als BR-Mitglied. Das BetrVG kennt keine Verhinderung wegen SBV-Tätigkeit. Hier ist die Unterrichtung des BR-Vorsitzenden wichtig, damit dieser nach § 29 BetrVG zur Sitzung ggf. nachladen kann. Bei der SBV hat der BR-Vorsitzende keine Nachladepflicht. Die SBV ist zu allen BR-Sitzungen,seiner Ausschüsse und zu gemeinsame Besprechung mit dem Arbeitgeber einzuladen. Ob die SBV an den Sitzungen teilnimmt, entscheidet die SBV selbst.

Das LAG Hessen hat sich mit einer möglichen Interessenkollision zwischen den beiden Wahlämtern BR/SBV zu befassen. Hierbei hat es entschieden, dass das BR-Mitglied im Falle einer aus der Tagesordnung ersichtlichen Interessenkollision zwischen den beiden Ämtern als BR-Mitglied als verhindert ansehen kann.

"Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, die zugleich Betriebsratsmitglied ist, ist, wenn sie als Vertrauensperson an der Betriebsratssitzung teilnehmen will, nicht generell als Betriebsratsmitglied verhindert. Ergibt sich ein Interessenkonflikt im Einzelfall, muss die Vertrauensperson diesen gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden anzeigen. Dies kann so geschehen, dass die Geheimhaltungspflicht gegenüber dem schwerbehinderten Menschen über persönliche Verhältnisse, die der vertraulichen Behandlung bedürfen, nicht verletzt wird. Für den Fall der Verhinderung ist ein Ersatzmitglied zu der Betriebsratssitzung zu laden."
(LAG Hessen, 01.11.2012 – 9 TaBV 156/12)

WoBis Differenzierung kann ich nicht folgen. Das Gesetz kennt keine "bedingte" Verhinderung.

Das LAG Hessen zeigt einige Feinheiten auf, die tief in das BetrVG reichen, deshalb wurde zur Vereinfachung von einer "bedingten Verhinderung" geschrieben, denn ob eine Verhinderung als BR-Mitglied mit Doppelmandat vorliegt hängt von vielen Bedingungen ab. Durch das BTHG wurde z.B. die Verhinderungsgründe für die SBV auf die persönliche Betroffenheit ausgeweitet.

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Gruß
Wolfgang

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WoBi, Friday, 29.11.2019, 11:13 (vor 1603 Tagen) @ WoBi

In Erweiterung zu dem vorgenannten Beschluss des LAG Hessen gibt es im BetrVG-Kommentar von Siebert/Becker eine Checkliste / Vorgehensbeschreibung:

"Im Falle einer vermuteten Interessenkollision ist folgendermaßen vorzugehen:

  • Das BR-Mitglied teilt der Betriebsratsvorsitzenden die vermutete Interessenkollision und seine daraus resultierende Verhinderung mit.
  • Nachdem sich die Interessenkollision wohl in der Regel nur auf einen einzelnen Tagesordnungspunkt beziehen kann, ist er auch bei der Mitteilung zu benennen.
  • Die vermuteten Gründe der Interessenkollision sind nur so darzulegen, dass dabei keine Geheimhaltungspflicht bezüglich schwerbehinderter Menschen verletzt wird.
  • Der Betriebsratsvorsitzende lädt dann für diesen Tagesordnungspunkt das in der gesetzlichen Reihenfolge zuständige Ersatzmitglied nach.
  • Das Ersatzmitglied erscheint für den die Interessenkollision auslösenden Tagesordnungspunkt in der Sitzung.
  • Die Schwerbehindertenvertretung nimmt ausschließlich in dieser Funktion an der Behandlung des Punktes teil. Sie darf demgemäß auch nicht an einer Abstimmung des Betriebsrats teilnehmen, denn sie hat sich als Betriebsratsmitglied für verhindert erklärt und das Ersatzmitglied ist stimmberechtigt.
  • Mit Abschluss des Tagesordnungspunktes verlässt das vorübergehend nachgerückte Ersatzmitglied die Betriebsratssitzung.
  • Das BR/SBV-Mitglied nimmt jetzt auch sein Betriebsratsamt wieder wahr.

Auf dieses Nachladen eines Ersatzmitglieds für den Betriebsrat darf nicht verzichtet werden. Die Folge wäre – zumindest für den fraglichen Tagesordnungspunkt – ein Ladungsfehler, der zu einem unwirksamen Beschluss führen würde. Siehe hierzu § 29 BetrVG"

Im Doppelmandat braucht man wirklich vertiefte Kenntnisse in den Rechtsgrundlagen. Auf das Kollektivwissen im BR-Gremium ist nicht immer Verlass. :-|

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Gruß
Wolfgang

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steffen ⌂, Hamburg, Friday, 29.11.2019, 20:55 (vor 1603 Tagen) @ WoBi

In Erweiterung zu dem vorgenannten Beschluss des LAG Hessen gibt es im BetrVG-Kommentar von Siebert/Becker eine Checkliste / Vorgehensbeschreibung:

"Im Falle einer vermuteten Interessenkollision ist folgendermaßen vorzugehen:

  • Das BR-Mitglied teilt der Betriebsratsvorsitzenden die vermutete Interessenkollision und seine daraus resultierende Verhinderung mit.

es liegt keine interessen- sondern eine terminkollision vor: die doppelmandatstragende person ist in sbv-terminen gebunden und will sich deswegen als verhindert melden. dazu sind zwei fragen offen:

- ist der hinderungsgrund valide, um als ordentliches br-mitglied bei der br-sitzung zu fehlen?
- kann aufgrund dieser verhinderung ein br-ersatz nachgeladen werden?

aus sbv-sicht halte ich den verhalt für unkritisch: wenn die vertrauensperson an der terminwahrnehmung gehindert ist, kann sie die nächste stellvertretung hinzuziehen.


Im Doppelmandat braucht man wirklich vertiefte Kenntnisse in den Rechtsgrundlagen. Auf das Kollektivwissen im BR-Gremium ist nicht immer Verlass. :-|

danke bis hierher für die rege beteiligung zu meiner frage! :)

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lg,
steffen

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

WoBi, Saturday, 30.11.2019, 11:26 (vor 1602 Tagen) @ steffen

Hallo steffen,

es liegt keine interessen- sondern eine terminkollision vor: die doppelmandatstragende person ist in sbv-terminen gebunden und will sich deswegen als verhindert melden.

Muss sich "steffen" zwischen der Wahrnehmung des SBV-Termins und dem Sitzungstermin der BR-Sitzung entscheiden. Welcher Termin erfordert mehr die Person "steffen"! Wie soll/will sich "Steffen" in dieser Situation entscheiden, welche Interessen überwiegen? Die Terminkollision ist letztendlich auch eine Interessenskollision.

- ist der hinderungsgrund valide, um als ordentliches br-mitglied bei der br-sitzung zu fehlen?

Die Ausübung der SBV-Arbeit im Betrieb z.B. Teilnahme Vorstellungsgespräche, BEM-Team ist genauso geeignet wie ein wichtiges Kundengespräch, Teilnahme an der Projektsitzung oder andere Arbeitstätigkeitsinhalte. Aus Sicht BetrVG ist dies keine Verhinderung, um die BR-Arbeit nicht auszuüben.

- kann aufgrund dieser verhinderung ein br-ersatz nachgeladen werden?

Aus Sicht BetrVG geht die BR-Arbeit vor und wer diese BR-Arbeit aus einem anerkannten Verhinderungsgrund nicht wahrnimmt, fehlt. Es ist kein Ersatzmitglied nachzuladen.

Wie führte das LAG Hessen es im Leitsatz aus:

"Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, die zugleich Betriebsratsmitglied ist, ist, wenn sie als Vertrauensperson an der Betriebsratssitzung teilnehmen will, nicht generell als Betriebsratsmitglied verhindert. Ergibt sich ein Interessenkonflikt im Einzelfall, muss die Vertrauensperson diesen gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden anzeigen.

"generell" ist mehr als "grundsätzlich". Bei "grundsätzlich" sind Ausnahmen die Regel. Bei "generell" sind Ausnahmen denkbar. Dies wird auch durch "im Einzelfall" ausgedrückt. Wobei das Gericht nicht von einer Verhinderung während der ganzen Sitzung ausgeht.

Ein BR-Ersatzmitglied ist im Doppelmandat nur nachzuladen, wenn die SBV Termine wie eine z.B. SBV-Schulung oder Gerichtstermin im Beschlussverfahren in eigener Sache wahrnimmt. Also die SBV nicht im Betrieb verfügbar ist.

Dies sind aber Fragen die den Betriebsrat und deren Ladungspflicht betreffen und nicht die SBV.

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Gruß
Wolfgang

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albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 17.12.2019, 19:35 (vor 1585 Tagen) @ WoBi

Hallo WoBi,

die von Dir angeführte Rechtsmeinung hast Du sehr exklusiv. Und Dein angeführtes Urteil hilft da gar nicht weiter, da es dem Fragesteller nicht um eine Interessenkollission geht, sondern um eine "Ehrenamtskonkurrenz", d.h. einen gleichzeitigen Termin aus zwei verschiedenen betrieblichen Ehrenämtern.
Und hier entscheidet die betroffene Person nach eigenem Ermessen, welcher Aufgabe sie den Vorrang gibt und ist für die andere Aufgabe verhindert.

Ich hatte letzte Woche Gelegenheit, im Rahmen eines Seminars mit BAG-Richtern über diese Ehrenamtskonkurrenz zu sprechen. Die waren sehr erstaunt darüber, daß jemand die rechtsgültige Verhinderung (einschließlich Nachladung) eines BR-Mitgliedes, das wegen Wahrnehmung eines Termins als SBV zB zur BR-Sitzung verhindert ist, in Frage stellt.

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&Tschüß

Wolfgang

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Cebulon, Tuesday, 17.12.2019, 20:50 (vor 1585 Tagen) @ albarracin

Und hier entscheidet die betroffene Person nach eigenem Ermessen, welcher Aufgabe sie den Vorrang gibt und ist für die andere Aufgabe verhindert.

Genauso kenne ich das auch für den Bereich des BetrVG (wie hier) für den Betriebsrat gemäß dem BAG. Gilt aber nicht gleichermaßen für Bereich der Personalvertretungsgesetze für den Personalrat in Behörden, da die Richter beim BVerwG in Leipzig insoweit wohl teils völlig anders „ticken“ als diese BAG-Bundesrichter in Erfurt. Das kommt ja immer mal wieder vor - dass die sich nicht einig sind - z.B. teils auch beim BEM.

Gruß,
Cebulon

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WoBi, Wednesday, 18.12.2019, 12:38 (vor 1584 Tagen) @ albarracin

Hallo albarracin,

Und hier entscheidet die betroffene Person nach eigenem Ermessen, welcher Aufgabe sie den Vorrang gibt

Diese Entscheidungsmöglichkeit der SBV wurde nie bestritten. Diese Entscheidungsmöglichkeit hat auch ein Mitglied des Betriebsrates, wenn eine Einladung zur Betriebsratssitzung vorliegt und gleichzeitig z.B. eine Gesamtbetriebsratssitzung stattfinden würde.

und ist für die andere Aufgabe verhindert.

Diese Pauschalität der Annahme einer Verhinderung mit ihren rechtlichen Folgen für den Betriebsrat wird bestritten. Hier ist das Betriebsverfassungsgesetz zu beachten. Weitere ehrenamtliche Funktionen und deren Rechtsgrundlagen haben keine Rolle für den Vorsitzenden des Betriebsrates zu spielen, denn dieser hat nur nach dem BetrVG zu handeln und entscheiden.

Der BR-Vorsitzende hat nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Aufgabe, dass die BR-Mitglieder zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen werden.
Damit der BR-Vorsitzende seinen Aufgaben gerecht werden kann, sind die BR-Mitglieder nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verpflichtet, den BR-Vorsitzenden über eine Verhinderung an der Sitzungsteilnahme unverzüglich zu unterrichten und den Grund dafür mitzuteilen.
Wird dem BR-Vorsitzenden durch ein BR-Mitglied mitgeteilt, dass es nicht an der Sitzung teilnimmt, muss der BR-Vorsitzende zunächst prüfen, ob eine tatsächliche oder rechtliche Verhinderung des BR-Mitgliedes vorliegt. Nur in diesem Fall, muss der BR-Vorsitzende ein Ersatzmitglied des Betriebsrates nach § 29 Abs. 2 Satz 4 BetrVG nachladen.
In einem zweiten Schritt muss der BR-Vorsitzende feststellen, welches BR-Ersatzmitglied nachzuladen ist. Dabei ist das Wahlergebnis, die Quote des Geschlechtes der Minderheit und ggf. die Zugehörigkeit zu einer Liste zu beachten.

Die Aufgabe der Nachladung bei tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung hat der BR-Vorsitzende auch für die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), aber nicht für die SBV.

Der BR-Vorsitzende ist hier in der Verpflichtung für die möglichst vollzählige Zusammensetzung des Gremiums zu sorgen. Hat aber auf der anderen Seite zu achten, dass durch eine Teilnahme eines nicht teilnahmeberechtigten BR-/JAV-Ersatzmitgliedes das „Nichtöffentlichkeitsgebot“ nach § 30 Satz 4 BetrVG nicht missachtet wird.
Die BR-Sitzung ist Mittelpunkt der BR-Arbeit. Die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Gremiums ist zwingende Voraussetzung für die Willensbildung und die Beschlussfassung des Gremiums. Dabei ist eine mögliche Beschlussunfähigkeit oder eine ungültige Beschussfassung wegen der Zusammensetzung des Gremiums zu vermeiden. Dies ist der Rechtssicherheit der gefassten Beschlüsse und damit Gegenüber den zu vertretenden Kolleginnen und Kollegen geschuldet.

Eine rechtliche Verhinderung liegt vor, wenn das BR-Mitglied von einer Beschlussfassung im Betriebsrat selbst unmittelbar betroffen ist. Diese mitteilungspflichtige bzw. zuvor erkennbare Interessenkollision ist noch einfach zu beurteilen und führt in der Regel nicht zu einer vollen Verhinderung für die ganze BR-Sitzung mit mehreren Tagesordnungspunkten, wie bereits das LAG Hessen, 01.11.2012 – 9 TaBV 156/12 dargelegt hat. Hier ist nur eine zeitweise Verhinderung des BR-Mitgliedes gegeben und nur für diese Zeit ist zwingend durch den BR-Vorsitzenden das nächste BR-Ersatzmitglied nach § 25 Abs. 2 BetrVG zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung nachzuladen.

Schwieriger sind die Gründe für eine tatsächliche Verhinderung durch den BR-Vorsitzenden zu beurteilen. Hier hat der BR-Vorsitzende die mitgeteilten Gründe für das Fernbleiben heranzuziehen. Eine tatsächliche Verhinderung liegt vor, wenn es dem BR-Mitglied aus (anerkannten) nachvollziehbaren Gründen objektiv unmöglich oder unzumutbar ist, an der BR-Sitzung teilzunehmen. Tatsächlichen Verhinderung sind z.B. Urlaub, Krankheit, Beschäftigungsverbote, Amts-/Gerichtstermine, Dienstreisen, Auslandsabordnungen, „echte“ Notfälle = nicht planbar!, Seminare, … . Also Gründe, die einen Arbeitnehmer von seinem regulären Arbeitsplatz fernhalten.

Kein Verhinderungsfall liegt vor, wenn das BR-Mitglied mitteilt, es müsse wichtige (also geschuldete) Arbeitsaufgaben z.B. Kundentermin, Besprechung, ... zu erledigen hat. Also das BR-Mitglied unter Beachtung des Vorrangs des Ehrenamtes nach § 37 Abs. 2 BetrVG als BR-Mitglied die Möglichkeit an der BR-Sitzung teilzunehmen hat.

Die Abhaltung z.B. der SBV-Sprechstunde am Standort der BR-Sitzung wird kein ausreichender Grund für eine tatsächliche Verhinderung als BR-Mitglied nach dem BetrVG sein.
Es kommt auf den belegbaren/nachvollziehbaren Grund der Verhinderung an. Aber das sind Probleme eines BR-Vorsitzenden. :-)

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Gruß
Wolfgang

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

Cebulon, Wednesday, 18.12.2019, 15:06 (vor 1584 Tagen) @ WoBi

Kein Verhinderungsfall liegt vor, wenn das BR-Mitglied mitteilt, es müsse wichtige (also geschuldete) Arbeitsaufgaben z.B. Kundentermin, Besprechung, ... erledigen.

Hallo Wobi, ­­ kann man so pauschal zB bei (kurzfristigen) unaufschiebbaren Terminsachen mE nicht sagen (soweit nicht abkömmlich vom Arbeitsplatz), oder ist da nicht im Einzelfall abzuwägen – wie gerade an der Uni Gießen - derzeit „lahmgelegte“ Organisation im „Ausnahmezustand“?

Gruß,
Cebulon

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WoBi, Thursday, 19.12.2019, 14:03 (vor 1583 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

eine tatsächliche kurzfristige Verhinderung von BR-Mitglieder der IT-Abteilung der Uni Gießen wäre für eine BR-Sitzung am Montag ggf. Dienstag direkt nach dem 2. Advent gegeben. Es ist ein unplanbares Ereignis von immenser Auswirkung auf den Betrieb. Inwiefern der BR-Vorsitzende hier noch die richtigen Ersatzmitglieder zur BR-Sitzung nachladen kann, hängt vom zeitlichen Vorlauf der Verhinderungsmitteilung ab. Ein Nachladen muss aber durch den BR-Vorsitzenden auch kurzfristig versucht werden.
Hier könnte ggf. auch eine Unterbrechung/Verschiebung der BR-Sitzung in Frage kommen. Dies vor allem, wenn der BR keine eigene und unabhängige IT-Infrastruktur hat und somit weiter handlungsfähig auf seine Unterlagen zugreifen kann.

Tatsächlichen Verhinderung sind z.B. Urlaub, Krankheit, Beschäftigungsverbote, Amts-/Gerichtstermine, Dienstreisen, Auslandsabordnungen, „echte“ Notfälle = nicht planbar!, Seminare, … .

Eine Verhinderung der BR-Mitglieder aus der IT-Abteilung nach mehr als einer Woche, also ab dem 3. Advent dürfte dagegen nicht mehr als „tatsächliche“ Verhinderung angesehen werden können. Hier ist ausreichend Zeit zur Planung durch den Arbeitgeber gegeben. Dies insbesondere, weil die Sitzungstermine nach § 30 BetrVG dem Arbeitgeber bekannt sind und der BR bereits betriebliche Notwendigkeiten berücksichtigt hat.

Ist eine Krankenschwester, die grundsätzlich an Sitzungstagen des BR für die Notaufnahme eingeteilt wird, an der Sitzungsteilnahme tatsächlich verhindert, weil laufend Notfälle in der Notaufnahme eintreffen?

Es ist das normale Geschäftsmodell und hier hat der Arbeitgeber die Teilnahme an der BR-Sitzung zu ermöglichen. Die Abwesenheit des BR-Mitgliedes vom Arbeitsplatz ist planbar. Kommt das BR-Mitglied nicht zur BR-Sitzung, bleibt der Sitzungsplatz frei. Deshalb der Hinweis auf "echte" Notfälle für tatsächliche Verhinderung. Nicht alles was ein Arbeitgeber als Notfall erklärt, ist auch einer.

Nur in Ausnahmefällen kann es sich bei dienstlichen Belangen um eine tatsächliche Verhinderung handeln. Dies wird z.B. im Bereich von Dienstreisen deutlich.
Wenn ein BR-Mitglied immer im Außendienst ist, dann ist das seine normale vertragsgemäße Tätigkeit. Eine Verhinderung liegt demnach nicht vor.
Ist dagegen das BR-Mitglied mit einem festen Arbeitsplatz ausnahmsweise bei einer Besprechung über mehrere Tage in einer weit entfernten Stadt, könnte eine Verhinderung vorliegen.

Es gibt sicher Urteile und Kommentare von Fitting & Co. über Verhinderungen ohne Nachlademöglichkeit und tatsächliche Verhinderung mit Nachlademöglichkeit.

Das BAG hat sich am 12.02.2004 mit dem Aktenzeichen 2 AZR 163/03 über den Fall einer Nachladung eines Ersatzmitgliedes befasst, das hätte gar nicht geladen werden dürfen oder auch nicht. Randnummer 14:
„Der Schutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG für Ersatzmitglieder tritt ein, wenn der Arbeitnehmer als Vertreter zur Betriebsratsarbeit herangezogen worden ist.“
„Er entfällt auch nicht allein deshalb, weil sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Vertretungsfall in Wahrheit nicht vorgelegen hat.“
„Ausgeschlossen ist der Schutz des § 15 KSchG, wenn der Vertretungsfall durch kollusive Absprachen zum Schein herbeigeführt wird oder das Ersatzmitglied weiß bzw. sich ihm aufdrängen muss, dass kein Vertretungsfall vorliegt.“

Hier geht es um ein Thema für ein BR-Forum und betrifft besonders den BR-Vorsitzenden. Wir haben uns weit vom SGB IX als SBV entfernt. Um auf die Fragestellung zurückzukommen:
Ist SBV-Arbeit ein Verhinderungsgrund im Doppelmandat für den Betriebsrat?
Die Antwort:
Es kommt auf den Verhinderungsgrund an, ob eine Verhinderung im Sinne des § 25 BetrVG vorliegt.

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Gruß
Wolfgang

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Hendrik1, Niedersachsen, Friday, 20.12.2019, 09:01 (vor 1582 Tagen) @ WoBi

Moin Moin Wolfgang,

ich sehe das ähnlich.
Eine Sprechstunde der SBV an normalen Personalrats- bzw. Betriebsratssitzungstagen während der Sitzungszeit zu planen, sehe ich allerdings schon im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit als kritisch an, da hier die Interessenkollision herbeigeführt wird. Beides sind aus meiner Sicht feste Termine, daher sollte dieses unterbleiben.

Bei kurzfristigen Sondersitzungen des BR/PR sieht die Welt anders aus, da muss dann die Vertrauensperson klären, ob ggf. ein Stellie die Sprechstunde durchführen kann, oder ob ein Verhinderungsfall vorliegt und die Sitzungsteilnahme unmöglich ist. Dieses hängt dann auch davon ab, ob ggf. schon Beschäftigte in schwierigen bzw. problembehafteten Arbeitssituationen ihr Kommen zur Sprechstunde angesagt haben o.ä und ob wichtige Punkte für Schwerbehinderte auf der Sitzung besprochen werden sollen.

Liebe Grüße

Hendrik

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

Cebulon, Thursday, 28.11.2019, 19:26 (vor 1604 Tagen) @ steffen

Kennt ihr rechtsquellen bzw. -sprechung dazu, ob bei vorlage eines doppelmandats (br und sbv) der br-sitzung ferngeblieben werden kann, um einen sbv-termin wahrnehmen zu können?

Hallo Steffen, zu dem Thema „Terminkollision“ vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. August 2018 - 60 PV 8.17, für PR. Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BVerwG zurückgewiesen.

Ob diese verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung des OVG/BVerwG für den Personalrat auch auf die Betriebsräte 1:1 übertragbar ist - ist aber fraglich? Da sollte ein Kommentar zum BetrVG weiterhelfen.

Gruß,
Cebulon

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

rollo, Tuesday, 17.12.2019, 12:34 (vor 1585 Tagen) @ steffen

Hallo Steffen,
aus meiner Sicht ist die Lösung ganz einfach. Lege ein Amt nieder um nicht in Interessenkonflikte und Terminkollisionen aufgrund des Doppelmandates zu geraten. Du kannst nicht in Gänze und mit voller Kraft die Aufgaben zweier Interessenvertretungen gleichzeitig abdecken. Die schwerbehinderten und gleichgestellten Mitarbeiter werden es dir danken!

MfG, rollo

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

steffen ⌂, Hamburg, Tuesday, 17.12.2019, 14:23 (vor 1585 Tagen) @ rollo

Hallo Steffen,
aus meiner Sicht ist die Lösung ganz einfach. Lege ein Amt nieder um nicht in Interessenkonflikte und Terminkollisionen aufgrund des Doppelmandates zu geraten.

MfG, rollo

moin rollo,

ich danke dir für deinen vorschlag. der hat weder etwas mit meiner frage zu tun, noch kannst du mmn die situation hier im betrieb beurteilen. auf basis von unkenntnis "ganz einfache lösungen" zu propagieren halte ich für unprofessionell. ich bitte dich, von weiteren ratschlägen für mich abzusehen. danke.

schönen tag dir noch.

ps: es geht auch nicht um mich in der fragestellung, das nur ganz am rande.

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lg,
steffen

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rollo, Thursday, 19.12.2019, 08:39 (vor 1583 Tagen) @ steffen

Guten Morgen Steffen,

wenn du nicht bereit bist, dich mit den Folgen eines Doppelmandates sachlich auseinandersetzen zu wollen, wirst du immer in diese Zwickmühle geraten. Hierdurch schwächst du beide Ämter.

Ich hoffe, die Weihnachtsfeiertage werden dich etwas beruhigen und deine aggressive Grundhaltung mildern. Für eine sachliche Kommunikation bin ich jederzeit gern bereit.

Mit weihnachtlichen Grüßen
rollo

PS. Dies ist ein freies Forum für Schwerbehindertenvertretungen. Wenn du keine Antworten möchtest, dann stell bitte keine Fragen mehr.

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

steffen ⌂, Hamburg, Thursday, 19.12.2019, 13:05 (vor 1583 Tagen) @ rollo

Guten Morgen Steffen,

wenn du nicht bereit bist, dich mit den Folgen eines Doppelmandates sachlich auseinandersetzen zu wollen, wirst du immer in diese Zwickmühle geraten. Hierdurch schwächst du beide Ämter.

Ich hoffe, die Weihnachtsfeiertage werden dich etwas beruhigen und deine aggressive Grundhaltung mildern. Für eine sachliche Kommunikation bin ich jederzeit gern bereit.

Mit weihnachtlichen Grüßen
rollo

PS. Dies ist ein freies Forum für Schwerbehindertenvertretungen. Wenn du keine Antworten möchtest, dann stell bitte keine Fragen mehr.

moin rollo,

die diskussion über die folgen eines doppelmandats diskutiere ich gern im entsprechenden thread dazu. ganz sachlich. ;)

ps: ich suche antworten auf fragen, die ich stelle. und die erhielt ich auch. dank an der stelle an alle, die sich entsprechend der fragestellung konstruktiv beteilig(t)en! <3

--
lg,
steffen

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

mietze_katz, Oberbayern, Thursday, 19.12.2019, 10:32 (vor 1583 Tagen) @ steffen

.....noch kannst du mmn die situation hier im betrieb beurteilen.....

Na hoffentlich können die Verfasser der anderen Antworten auf Deine Frage die Situation in Deinem Betrieb beurteilen.;-)

VG

parallelmandat sbv+br: sbv-termin hinderungsgrund für br-sitzung?

steffen ⌂, Hamburg, Thursday, 19.12.2019, 12:58 (vor 1583 Tagen) @ mietze_katz

.....noch kannst du mmn die situation hier im betrieb beurteilen.....


Na hoffentlich können die Verfasser der anderen Antworten auf Deine Frage die Situation in Deinem Betrieb beurteilen.;-)

VG

ich fragte nicht nach einer beurteilung, sondern nach rechtsgrundlagen zu einer konkreten konstellation. ;)

--
lg,
steffen

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