Bewerbungsverfahren (Allgemeines)

StephanT, Thursday, 09.01.2020, 14:26 (vor 1562 Tagen)

Hallo zusammen,

wenn der AG einen Bewerber mit einem GdB nicht zu einem Bewerbungsgespräch einladen möchte, weil er den Bewerber für nicht geeignet hält oder andere nicht näher erläuternde Gründe vorschiebt, welche Möglichkeiten hat die SBV hier zu intervenieren? Kann die SBV verlangen, dass der Bewerber eingeladen wird?

Vielen DANK für Rückmeldungen.

Viele Grüße
Stephan

Bewerbungsverfahren

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 09.01.2020, 15:02 (vor 1562 Tagen) @ StephanT

Hallo,

die SBV kann verlangen, daß die angebliche Nichteignung detailliert begründet wird und die Begründung dann selbst prüfen - zB im Vergleich mit den in der Ausschreibung verlangten Qualifikationen.

Wenn die Argumente des AG aus Sicht der SBV nicht stichhaltig sind, kann die SBV zwar keine Einladung erzwingen, aber sehr wohl dem AG ihre Einwände mitteilen und dieses auch in ihren Akten niederlegen. Sollte ein Bewerber dann eine AGG-Klage einreichen, dann kann die Darlegung der SBV für das Verfahren relevant werden.

Allerdings sollte man als SBV auch nie aus dem Auge verlieren, daß ein AG bzw. Personaler auch mal mit seiner Einschätzung der (Nicht-)Eignung eines schwerbehinderten Bewerbers richtig liegen kann.

--
&Tschüß

Wolfgang

Bewerbungsverfahren

StephanT, Thursday, 09.01.2020, 16:41 (vor 1562 Tagen) @ albarracin

Hallo Wolfgang,

vielen DANK für Deine Ausführungen, die ich gut nachvollziehen kann.

Was macht die SBV in dem Fall, wenn die Personalabteilung vorher bereits die Bewerbungen aussortiert und die Auffassung vertritt, die aussortierten Bewerber kommen für die Personalabteilung sowieso nicht in Betracht. Dann bekommt die SBV doch nicht mit, wenn ein schwerbehinderter Bewerber sich bewirbt.
Die Personalabteilung vertritt die Auffassung, das Auswahlverfahren nicht mit der SBV klären zu müssen und sowohl dem BR als auch der SBV nur die Bewerber vorzulegen, welche aus Sicht des Personalers in Frage kommen.

Vielen DANK und

beste Grüße
Stephan

Bewerbungsverfahren

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 09.01.2020, 18:15 (vor 1562 Tagen) @ StephanT

Hallo Wolfgang,

Hallo Stephan,

in diesem Fall

Die Personalabteilung vertritt die Auffassung, das Auswahlverfahren nicht mit der SBV klären zu müssen und sowohl dem BR als auch der SBV nur die Bewerber vorzulegen, welche aus Sicht des Personalers in Frage kommen.

solltest Du die Personalabteilung mal fragen, was denn an § 164 Abs. 1 Satz 3
"Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten."
so schwer verständlich wäre. Auch die Fachkommentierung sieht bei diesem Satz keinerlei Interpretationsspielraum.
Ggfs. mußt Du halt durch eine Klage dafür sorgen, daß dem AG die Bedeutung des Satzes vielleicht mal von einem Gericht erläutert wird. :-D

--
&Tschüß

Wolfgang

Bewerbungsverfahren

Cebulon, Thursday, 09.01.2020, 18:32 (vor 1562 Tagen) @ StephanT

Die Personalabteilung vertritt die Auffassung, dem BR als auch der SBV nur die Bewerber vorzulegen, welche aus Sicht des Personalers in Frage kommen.

Hallo, eine solche "Vorauswahl" mag wohl angehen für nichtbehinderte Bewerber: Dies gilt aber nicht für schwerbehinderte und gleichgestellte Bewerber schon laut Gesetzeswortlaut des § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX

Da findet sich nichts, dass es auf die subjektive Sicht eines Personalers und dessen Vorprüfung ankäme beim Inforecht von BR/SBV. Diese Info hat sofort zu erfolgen "unmittelbar nach Eingang" - und nicht etwa erst nach Erfassung und Vorprüfung sämtlicher Bewerbungsmappen.

Gruß,
Cebulon

Bewerbungsverfahren

WoBi, Thursday, 09.01.2020, 22:58 (vor 1562 Tagen) @ StephanT

Hallo StephanT,

die Antwort wurde bereits durch Cebulon erteilt. Der § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist eindeutig und schließt den BR mit ein.
Zusätzlich greift § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX bei der SBV.
Der § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX wird in den Bußgeldvorschriften unter § 238 Abs. 1 Ziffer 7 SGB IX gelistet.

Es soll Bewerber geben, die den Tipp einer SBV verinnerlicht haben und nach einer Bewerbung zusätzlich Kontakt mit der SBV aufnehmen und der SBV z.B. per Mail ein Duplikat der Bewerbung zusenden. Damit kann die SBV zusätzlich kontrollieren, ob der Arbeitgeber auch unverzüglich unterrichtet.:-)

Wichtig ist, dass die SBV von "außen" erreichbar ist. Die Kommunikationsdaten der SBV müssen bekannt sein. Dies ist insbesondere bei größeren Organisationen ein Problem. Hier ist die Telefonzentrale zu unterrichten, damit die richtige Weiterleitung erfolgt.
Man wird ggf. an den Behindertenbeauftragten z.B. bei einer Kommune weitergeleitet.

--
Gruß
Wolfgang

Bewerbungsverfahren

WoBi, Thursday, 09.01.2020, 15:17 (vor 1562 Tagen) @ StephanT

Hallo StephanT,

es hängt von der Erfüllung der Beschäftigungspflicht ab, nachdem ein privater Arbeitgeber vorliegt.
In § 164 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB IX ist der Ablauf erklärt, wenn die SBV oder/und der BR mit der Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden ist.

"Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 176 genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. Alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten."

In diesem Zusammenhang ist bereits die Beteiligung der SBV und BR vor der Veröffentlichung der Stellenausschreibung nach § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX von Bedeutung:
"Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Absatz 2 und hören die in § 176 genannten Vertretungen an."
Denn dann kann die SBV und der BR die Anforderungen und das Bewerbungsprofil abgleichen und bewerten.

Sollte der Arbeitgeber seine Verpflichtungen z.B. die frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit nicht erfüllen, kann der BR die Zustimmung zur Einstellung nach § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG verweigern.

--
Gruß
Wolfgang

Bewerbungsverfahren

StephanT, Thursday, 09.01.2020, 16:50 (vor 1562 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

vielen DANK für die ausführliche Antwort auf meine Frage.
Ich werde mir die §§ dahingehend auch nochmal genau anschauen! Also DANKE!

Wie verhält es sich, wenn der Personaler bereits im Vorfeld eine Auswahl trifft und sowohl der BR als auch die SBV nur die ausgewählten Bewerber vorgelegt bekommt. Bei diesem Verfahren, wissen sowohl der BR als auch die SBV nicht, welche Bewerber insgesamt vorgelegen haben.

Obliegt letztlich die Entscheidung zur Einladung zum Bewerbungsgespräch tatsächlich dem Personaler/AG?

Mir wird die Bedeutung der Stellenausschreibung und des Stellenprofils und der vorgelegten Qualifikationen an dieser Stelle mehr und mehr bewusst.
Ein Entscheidung zu treffen, hinsichtlich der Eignung eines Bewerbers ist demnach häufig nicht ganz einfach.

Vielen DANK nochmals und

viele Grüße
Stephan

Bewerbungsverfahren

WoBi, Friday, 10.01.2020, 13:53 (vor 1561 Tagen) @ StephanT

Hallo StephanT,

die SBV ist bereits bei einer Vorauswahl durch den Arbeitgeber zu beteiligen.
Hier der Link zu einem Handbuch für Arbeitgeber. Der angedachte Leserkreis ist zu beachten!

Zur weiteren Information Auszüge aus Urteilen:

ArbG Marburg, 29.07.2005 - 2 Ca 65/05
Randnummer 33 - 34
Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass der Kläger zwar nicht wegen seiner Schwerbehinderung von der Beklagtenseite diskriminiert wurde. Er wurde jedoch in seiner Bewerbung als Schwerbehinderter gesetzeswidrig benachteiligt. Die Benachteiligung besteht darin, dass seine Bewerbung entgegen der ausdrücklichen Pflicht des § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht unmittelbar der Schwerbehindertenvertretung vorgelegt wurde bzw. diese nicht unmittelbar nach Eingang unterrichtet wurde. Sie konnte deshalb mangels Kenntnis nicht zugunsten des Klägers tätig werden.
Der Beklagtenseite ist völlig darin Recht zu geben, dass der Gesetzgeber nicht vorsätzlich sinnwidrige und sinnlose Gesetze erstellt. Entgegen der Beklagtenansicht sind jedoch nicht alle Gesetze, die auf den ersten Blick unpraktisch erscheinen auch tatsächlich sinnwidrig oder sinnlos.

§ 81 SGB IX (alt) = § 164 SGB IX (neu)

LAG Hessen, 17.03.2016 - 9 TaBV 128/15
Leitsatz:
1. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht zur Teilnahme an sämtlichen Bewerbungsgesprächen, wenn sich ein schwerbehinderter Mensch/gleichgestellt behinderter Mensch innerhalb der Bewerbungsfrist bewirbt. Dies steht in der Regel erst nach Ablauf der Ausschreibungsfrist fest, da diese bis zum letzten Tag ausgenutzt werden kann. Die genaue Art und Weise zur Sicherstellung der Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an sämtlichen Bewerbungsgesprächen bei Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellt behinderten Menschen bleibt der Arbeitgeberin überlassen. Dieser Verpflichtung kann sich die Arbeitgeberin nicht dadurch entziehen, dass sie Vorstellungsgespräche "vorzieht", ohne dass hieran die Schwerbehindertenvertretung teilnimmt. Damit nimmt sie der Schwerbehindertenvertretung die Vergleichsmöglichkeiten, die erforderlich sind, damit die Schwerbehindertenvertretung ihren Auftrag erfüllen kann, für Chancengerechtigkeit der schwerbehinderten Bewerber zu sorgen.
2. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, bei der Bewerbung auch eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellt behinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung vor einer Entscheidung für eine Bewerberin/einen Bewerber anzuhören. Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor der endgültigen Auswahlentscheidung und Verlautbarung dieser Auswahlentscheidung gegenüber dem Konkurrenten entspricht dem Sinn und Zweck der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung am Bewerbungsverfahren.

--
Gruß
Wolfgang

Bewerbungsverfahren

StephanT, Sunday, 19.01.2020, 19:29 (vor 1552 Tagen) @ StephanT

Hallo liebe User,

noch eine Frage zum Bewerbungsverfahren.
Nachdem die Bewerbungsgespräche mit Teilnahme der SBV stattgefunden haben und sich der AG für einen Bewerber ohne Schwerbehinderung entscheidet, die SBV jedoch die Auffassung vertritt, dass auch der Bewerber mit Schwerbehinderung geeignet erscheint, hat dann die SBV irgendwelche Möglichkeiten, dass der Bewerber mit Schwerbehinderung eingestellt wird?
Zählt hier das Argument des AG, der Bewerber passt nicht ins Team? Wie kann man das im Vorfeld sagen?

DANKE für Rückmeldungen.

Viele Grüße
Stephan

Bewerbungsverfahren

garda, Berlin, Monday, 20.01.2020, 07:52 (vor 1552 Tagen) @ StephanT

Nachdem die Bewerbungsgespräche mit Teilnahme der SBV stattgefunden haben und sich der AG für einen Bewerber ohne Schwerbehinderung entscheidet, die SBV jedoch die Auffassung vertritt, dass auch der Bewerber mit Schwerbehinderung geeignet erscheint, hat dann die SBV irgendwelche Möglichkeiten, dass der Bewerber mit Schwerbehinderung eingestellt wird?
Zählt hier das Argument des AG, der Bewerber passt nicht ins Team? Wie kann man das im Vorfeld sagen?


Hallo Stephan,

du kannst natürlich im Rahmen deiner Beteiligung ablehnen, dann bekommst du die Antwort "vielen Dank für ihr Schreiben aber machen wir doch so" und deine Ablehnung wird im jeweils passenden Rundordner abgelegt.

Sinniger ist es, sich hinter BR/PR im ÖD Gleib/Frauenvertreterin zu klemmen, die tatsächliche Durchsetzungskraft haben.

Dann bleiben noch eine AGG-Klage des Betroffenen (ggf. nur Geld) und/oder im ÖD eine Konkurrentenklage - ebenfalls durch den Betroffenen - (ggf. Stelle oder neues Auswahlverfahren). Bei der Konkurrentenklage ist es zwingend eine Einstweilige zu erwirken, sonst ist die Stelle weg und das Hauptsacheverfahren sowieso erledigt.

--
Mit freundlichen Grüßen

Michael

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