Nachholung Beteiligung der SBV (Umgang mit Arbeitgeber)

Martinus95, Thursday, 12.03.2020, 14:38 (vor 1498 Tagen)

Ein schwerbehinderter Kollege wurde Ende 2019 gegen seinen Willen innerbetrieblich versetzt. Die SBV wurde über diesen Vorgang nicht informiert, somit hat der Arbeitgeber gegen die Regelungen gem. § 178 SGB IX verstoßen. Da der Mitarbeiter seit dem AU ist, hat die SBV nur durch Zufall von dem Vorgang erfahren. Der Arbeitgeber hat die Beteiligung der SBV bisher nicht nachgeholt, die "Sieben Tage Frist" ist somit längst abgelaufen. Ist die Maßnahme des Arbeitgebers somit unwirksam?

Schon jetzt vielen Dank für eure Hilfe und liebe Grüße

Martin

Nachholung Beteiligung der SBV

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 12.03.2020, 16:42 (vor 1498 Tagen) @ Martinus95

Hallo,

da die Einhaltung der Beteiligungsrechte der SBV gem. § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX leider keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist, ist die trotzdem durchgeführte Maßnahme auch nicht unwirksam.

Trotzdem sollte die SBV natürlich die Information und Anhörung einfordern - schon allein deswegen, um die Erfüllung der AG-Pflicht nach § 167 Abs. 1 prüfen zu können und auch, ob der AG hier nicht im Zuge der Versetzung eine Änderungskündigung hätte aussprechen müssen.

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&Tschüß

Wolfgang

Nachholung Beteiligung der SBV

WoBi, Friday, 13.03.2020, 11:55 (vor 1498 Tagen) @ Martinus95

Hallo Martinus95,

die Beantwortung ist bedingt durch den Arbeitgeber und seiner Sonderstellung schwieriger. Denn das BetrVG oder Personalvertretungsgesetze kommen nicht zur Anwendung. Das SGB IX gilt als Arbeitsschutzrecht grundsätzlich für alle Arbeitsverhältnisse, die dem deutschen Recht unterworfen sind.
Hier ist grundsätzlich im juristischen Sinne zu verstehen, also Ausnahmen sind die Regel. Das SGB IX ist nur in Teilen anerkannt.

Auch im Arbeitsrecht ist zu berücksichtigen, dass den Kirchen in Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht garantiert wird.
Wegen der Weimarer Verfassung (WRV), die in einigen Bestimmungen heute noch gültig ist, besteht im kirchlichen Bereich die Befugnis, bestimmte Regelungen zur Schwerbehindertenvertretung in den §§ 176 ff SGB IX für nicht anwendbar zu erklären, auszuschließen bzw. einzuschränken wegen des verfassungsrechtlich geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG).
In diesem Zusammenhang ist der zwischen dem Heiligen Stuhl (Vatikan) und dem Deutschen Reich geschlossene Staatskirchenvertrag vom 20. Juli 1933 von Bedeutung. In diesem, als „Reichskonkordat“ bezeichneten, Vertrag wurde das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche geregelt. Er wird heute noch für die Bundesrepublik Deutschland als Staatvertrag gemäß den internationalen Gepflogenheiten für gültig betrachtet. Dort ist in Artikel 2 der Fortbestand des Bayerischen Konkordats von 1924, des Preußischen Konkordats von 1929 und des Badischen Konkordats von 1932 vereinbart.

Wurde die MAV beteiligt und hat diese im Rahmen der Mitberatung nach der MAVO zugestimmt?

Ein Ablauf der 7-Tagesfrist führt nicht automatisch zu einer vermuteten Zustimmung der SBV, wie dies z.B. in der Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 BetrVG für den BR vorgesehen ist.
Vielmehr stellt sich hier die Frage, ob die Frist überhaupt zu laufen begonnen hat, nachdem eine unverzügliche und umfassende Unterrichtung nicht erfolgt ist. Die Maßnahme ist deshalb "schwebend unwirksam".
Der Rechtsweg zur staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit ist aber nicht gegeben, sondern dieses müsste beim kirchlichen Gericht für Arbeitssachen geklärt werden.

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Gruß
Wolfgang

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