Interne Ausschreibung-Privatunternehmen (Einstellung)

DB-AK, Thursday, 24.09.2020, 20:44 (vor 1303 Tagen)

Hallo,
brauche Hilfe und habe noch nichts im Forum gefunden!

Folgender Fall:
Privates Unternehmen schreibt Stelle intern und extern aus.
Zahlreiche Bewerbungen intern , wie auch extern, BR wird informiert, erhält auch die einzelnen Bewerbungsunterlagen,
SBV wird nicht informiert, ok soweit. BR wird ausgeschlossen von den Vorstellungsgesprächen, SBV sowieso.

Dem BR wird danach dann die Einstellung (Versetzung) mitgeteilt von einem internen Bewerber,
wie sich dann rausgestellt hat , ist dieser Bewerber Gleichgestellt !
Der BR informiert die SBV, weil die SBV nicht an dem Einstellungsverfahren teilgenommen hat oder auch durch nicht Info davon wußte.
Der Interne Bewerber hat nicht explizit auf seine Gleichstellung hingewiesen.
Aber der AG mußte davon Kenntnis haben,
da der AG den Internen Bewerber in Liste der Schwerbehinderten und Gleichgestellten nach § 80SGB IX aufgeführt hatte.

Wird noch komplizierter, aber erstmal wäre die Frage, was kann die SBV jetzt noch tun, weil SBV nicht beteiligt wurde?
Welche Fristen gibt es ?

Interne Ausschreibung-Privatunternehmen

WoBi, Friday, 25.09.2020, 09:29 (vor 1303 Tagen) @ DB-AK

Hallo DB-AK,

im Sinne des gleichgestellten Beschäftigten, der die Stelle bekommen hat, würde ich Zurückhaltung zeigen. Hier kommt der SBV zugute, dass die Aufgabenstellung nur zur Überwachung gesetzlicher Regelungen nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX "zugunsten schwerbehinderter Menschen" besteht. Hier kann ein Auge zugedrückt werden ;-)

Generell kann der Vorgang als solches Anlass für das Hinterfragen des Stellenbesetzungskonzeptes sein. Denn der Arbeitgeber verstoßt gegen die Regelungen des § 164 Abs. 1 SGB IX mehrfach.
Der gleichgestellte Beschäftige hätte sich gar nicht bewerben müssen, wenn vor Ausschreibung der Arbeitgeber geprüft hätte, ob der neue, frei oder freiwerdende Arbeitsplatz mit einem bereits schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX besetzt werden könnte. Bei der Prüfung von § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber gemäß § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX die SBV und den BR zu beteiligen.

Weiter wurde ggf. die Unterrichtungsverpflichtung über Bewerbungseingänge von schwerbehinderten / gleichgestellten Bewerbern (falls Eigenschaft mitgeteilt) nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verstoßen.
Hier der Hinweis: Auch bei einer internen Bewerbung im Anschreiben / hervorgehoben im Lebenslauf auf die Eigenschaft hinweisen. Nur dann ist der Arbeitgeber in Zugzwang.

Nur für den Fall einer externen Ausschreibung oder die Einstellung von Externen:
Ob "insbesondere" der Agentur für Arbeit die Bedingungen der Stelle mitgeteilt worden sind und die Vermittlung von arbeitslos oder arbeitssuchenden schwerbehinderten / gleichgestellten Menschen beauftragt worden ist, wurde nichts mitgeteilt. Ist dies "frühzeitig" nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX erfolgt?

Suchfunktion dazu nutzen:
https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=27317
https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=26295
https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=23475
https://www.komsem.de/wp-content/uploads/2020/02/ArbG_M%C3%BCnchen_12Ca6331-19_AGG_164.pdf

Kommentare zum § 164 Abs. 1 SGB IX und § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX lesen.

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Gruß
Wolfgang

Interne Ausschreibung-Privatunternehmen

Vertigo, Saarland, Monday, 28.09.2020, 09:25 (vor 1300 Tagen) @ WoBi

"Der gleichgestellte Beschäftige hätte sich gar nicht bewerben müssen, wenn vor Ausschreibung der Arbeitgeber geprüft hätte, ob der neue, frei oder freiwerdende Arbeitsplatz mit einem bereits schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX besetzt werden könnte. Bei der Prüfung von § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber gemäß § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX die SBV und den BR zu beteiligen."

Hallo WoBi,
das heißt doch, dass eine interne Stelle nicht ausgeschrieben werden müsste, wenn es innerhalb des Unternehmens eine/n ausreichend qualifizierte/n schwerbehinderte/n oder gleichgestellte/n Mitarbeiter/in gibt, der/die diese Stelle besetzen könnte und auch möchte.

Sollte eine solche schwerbehinderte/r Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter für die neue Stelle eine kurze Weiterbildung benötigen, müsste sie dann auch eingestellt werden und wäre kein Bewerbungsverfahren nötig?
Er oder sie hätte ja keine gleiche Eignung gegenüber externen Bewerbern oder internen nicht schwerbehinderten
Bewerbern die eine erforderliche Weiterbildung hätten.

Wird schwierig, wenn es beispielsweise interne nicht behinderte Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen gibt, die diese Ausbildung schon vorweisen könnten.

Müssen Stellen nicht immer generell ausgeschrieben werden? Wenn auch nur im Minimum intern?
Die Arbeitgeber argumentieren immer damit, dass andere Bewerber, die vielleicht nicht schwerbehindert oder gleichgestellt sind und eventuell besser qualifiziert sind, dadurch benachteiligt werden.
Auch möchte der Arbeitgeber nicht warten, bis eine Fortbildung/Weiterbildung erreicht ist, sondern die Stelle sofort (am besten gestern schon) mit jemandem besetzen, der die Fortbildung oder Weiterbildung schon hat.

Ich versuche immer durch gute Argumentation oder das Aufzeigen von Hilfen (Antrag auf Teilhabe oder eventuell finanziell unterstützte Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen durch das IA oder die RV) den Arbeitgeber zur Geduld aufzurufen. Und dass diese/r Mitarbeiter/in durch eine Umbesetzung auf Dauer einen leidensgerechteren Arbeitsplatz hätten.
Meist sollen und müssen die Stellen aber umgehend besetzt werden. Der Arbeitgeber möchte nicht warten, bis diese Weiterqualifizierung stattgefunden hat, zumal die Beantragung solcher Hilfen auch noch weitere Zeit in Anspruch nimmt.

Gruß

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Gruß
Vertigo

Interne Ausschreibung-Privatunternehmen

WoBi, Monday, 28.09.2020, 17:28 (vor 1300 Tagen) @ Vertigo

Hallo Vertigo,

das heißt doch, dass eine interne Stelle nicht ausgeschrieben werden müsste, wenn es innerhalb des Unternehmens eine/n ausreichend qualifizierte/n schwerbehinderte/n oder gleichgestellte/n Mitarbeiter/in gibt, der/die diese Stelle besetzen könnte und auch möchte.

Ja, denn der Arbeitgeber hat (sind verpflichtet) vor einer Stellenausschreibung mit Beteiligung der SBV und dem BR zu prüfen, ob die Stelle mit bereits schwerbehinderte/gleichgestellte Beschäftigte besetzt werden kann.

Sollte eine solche schwerbehinderte/r Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter für die neue Stelle eine kurze Weiterbildung benötigen, müsste sie dann auch eingestellt werden und wäre kein Bewerbungsverfahren nötig?

Es wird niemand eingestellt, sondern schwerbehinderte oder gleichgestellte Beschäftigte werden versetzt oder ggf. befördert. Es kann ein Weiterbildungsbedarf ggf. bei der Vorprüfung festgestellt werden. Dieser Bedarf kann zu Maßnahmen zur Förderung des beruflichen Fortkommens führen.

Er oder sie hätte ja keine gleiche Eignung gegenüber externen Bewerbern oder internen nicht schwerbehinderten Bewerbern die eine erforderliche Weiterbildung hätten.

Dies kann zum Zeitpunkt der Vorprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht festgestellt werden. Diese Konkurrenzsituation ist zu diesem frühen Zeitpunkt nicht gegeben. Genau darin liegt die gesetzlich erwünschte Fördermöglichkeit für (schwer-)behinderte Beschäftigte.
Wenn diese "Lücke" kompensierbar ist und die SBV dies mit einer guten Argumentation verkaufen kann.

Wird schwierig, wenn es beispielsweise interne nicht behinderte Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen gibt, die diese Ausbildung schon vorweisen könnten.

Diese Personen werden nicht in die Vorprüfung einbezogen. Stellen also zu diesem Zeitpunkt keine Mitbewerber um die neue, freie oder freiwerdende Stelle dar.
Es stellt sich auch die Frage, warum andere nicht behinderte Beschäftige diese Weiterbildung haben. Hier kann z.B. der Gleichbehandlungsgrundsatz überprüft werden.

Müssen Stellen nicht immer generell ausgeschrieben werden? Wenn auch nur im Minimum intern?

Dies Obliegt für die interne Ausschreibung der Forderung des BR nach § 93 BetrVG. Aber nur für Stellen, die auch nach der Vorprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX noch besetzt werden sollen. Dies wäre dann z.B. der freie Arbeitsplatz, der durch die Versetzung / Beförderung frei würde und ggf. nicht durch die Vorprüfung besetzt werden kann.

Die Arbeitgeber argumentieren immer damit, dass andere Bewerber, die vielleicht nicht schwerbehindert oder gleichgestellt sind und eventuell besser qualifiziert sind, dadurch benachteiligt werden.

Weil ich keine Behinderung habe, kann ich nicht aus behinderungsbedingten Gründen benachteiligt werden. Nichtbehinderung ist kein Merkmal in § 1 AGG.
Es besteht die Verpflichtung zur Förderung von (schwer-)behinderten Menschen und das Verbot der Benachteiligung wegen Behinderung.
Wie war das mit dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach?
Zusätzlich besteht dringender Handlungsbedarf, um die Interessensvertretung unter Druck zu setzen.;-)

Auch möchte der Arbeitgeber nicht warten, bis eine Fortbildung/Weiterbildung erreicht ist, sondern die Stelle sofort (am besten gestern schon) mit jemandem besetzen, der die Fortbildung oder Weiterbildung schon hat.

Deshalb ist die Vorprüfung über alle schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte durchzuführen. Der Arbeitgeber hat die Nichteignung von XX zu begründen und daraus kann sich ein Weiterentwicklungsbedarf ergeben. Es sei hier auf § 164 Abs. 4 SGB IX hingewiesen.

Ich versuche immer durch gute Argumentation oder das Aufzeigen von Hilfen (Antrag auf Teilhabe oder eventuell finanziell unterstützte Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen durch das IA oder die RV) den Arbeitgeber zur Geduld aufzurufen. Und dass diese/r Mitarbeiter/in durch eine Umbesetzung auf Dauer einen leidensgerechteren Arbeitsplatz hätten.

Es wurde bereits auf § 164 Abs. 4 SGB IX und den Anspruch (schwer-)behinderter Menschen gegenüber dem Arbeitgeber hingewiesen. Damit der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nachkommen kann, ist die Vorprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 6 SGB IX erforderlich.

Meist sollen und müssen die Stellen aber umgehend besetzt werden. Der Arbeitgeber möchte nicht warten, bis diese Weiterqualifizierung stattgefunden hat, zumal die Beantragung solcher Hilfen auch noch weitere Zeit in Anspruch nimmt.

Und neue Mitarbeiter stehen an der Ecke und haben keine Kündigungsfristen zu beachten :-P Gibt es keinen Fachkräftemangel? Stellenausschreibung (hier sei auf die "frühzeitige" Kommunikation mit der AfA und die Beauftragung von Vermittlungsvorschlägen erinnert), Bewerbungseingang, Bewerberauswahl, Mitbestimmung brauchen auch ihre Tage.

--
Gruß
Wolfgang

Interne Ausschreibung-Privatunternehmen

Vertigo, Saarland, Thursday, 01.10.2020, 12:48 (vor 1297 Tagen) @ WoBi

Hallo lieber WoBi,

vielen lieben Dank für deine wirklich sehr ausführliche Antwort.
Ich stimme diesen Sachen ja immer voll und ganz zu, ärgere mich allerdings immer, wenn ich jemanden Schwerbehinderten oder Gleichgestellten für eine andere Stelle vorschlage, dass es dann heißt, es gibt vielleicht andere Mitarbeiter im Haus, die eventuell schon eine brauchbare Zusatzqualifikation haben und die direkt übernehmen könnten.
Dann wird auf jeden Fall die Stelle ausgeschrieben und es wird argumentiert, auch die SB oder GG können sich genauso bewerben.
Im Bewerbungsgespräch ist dann natürlich ein SB oder GG Bewerber ohne Zusatzqualifikation nicht mehr gleich geeignet.

Ich werde da zukünftig noch wachsamer sein und auch zeitnah mit unserer Geschäftsführung sprechen, um nochmal auf die Gesetzeslage hinzuweisen.. :-)

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Gruß
Vertigo

Interne Ausschreibung-Privatunternehmen

WoBi, Thursday, 01.10.2020, 17:15 (vor 1297 Tagen) @ Vertigo

Hallo Vertigo,

bitte den BR intensiv einbinden. Nur der BR kann dich hier im Rahmen seiner Mitbestimmung mit Nachdruck gegenüber dem Arbeitgeber unterstützen. Auch der BR kann geeignete schwerbehinderte Beschäftigte vorschlagen. Durch einen Vorschlag wird der Argumentation einer Nichteignung durch den Arbeitgeber vorgegriffen. Denn der BR und/oder SBV schlagen doch nur aus Ihrer Sicht geeignete Kolleginnen und Kollegen vor.;-) Falls der Arbeitgeber nicht selbst auf die vorgeschlagene(n) Person(en) kommt. Der Arbeitgeber hat vorrangig zu prüfen. SBV und BR haben den Arbeitgeber zu überwachen, dass er diese Aufgabe auch durchführt.

Eine fehlende Anforderungen als notwendige Voraussetzung für die Aufgabenerfüllung der Personen darf nicht mit der Aneignung von Fähigkeiten z.B. während der Einarbeitungsphase gleichgesetzt werden.

--
Gruß
Wolfgang

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