Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!? (Einstellung)

kraemerchen, Frankfurt, Monday, 05.10.2020, 08:48 (vor 1292 Tagen)

Hallo,

im Hause geht ein sozusagen Gerücht um, dass man jemanden einstellen kann, ohne dass man die SBV und die Bundesagentur für Arbeit involvieren muss.

Aber das ist doch bitte nicht korrekt, oder!?

Hintergedanke ist wohl, wie ich erfahren habe, dass eine Stelle auf einen initiativen Bewerber so zurechtgeschnitten werden kann, dass die Personalabteilung weder die BA über einen freien bzw. freiwerdenden Arbeitsplatz, der mit einem Schwerbehinderten besetzt werden kann, noch die SBV über diese Stelle bzw. Einstellung informieren muss. So nach dem Motto "Ach, guck mal, wir haben hier rein zufällig einen Bewerber, der zu 100 % auf die just heute frei gewordene Stelle passt.".

Aber das stinkt doch gewaltig zum Himmel, oder!? Tut mir Leid für diesen Ausdruck!

Wie sieht das bitte rechtlich korrekt aus? Was kann ich als SBV dagegen unternehmen, sodass das zumindest gar nicht vorkommt oder evtl. eine "Aktion", bei dem der PR auch noch seine Zustimmung zur Einstellung erteilt hat, gar rückgängig gemacht werden muss?

Lieben Dank und liebe Grüße

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

Hendrik1, Niedersachsen, Monday, 05.10.2020, 09:38 (vor 1292 Tagen) @ kraemerchen

Moin Moin,

es gibt im öffentlichen Dienst den Begriff "Verzicht auf Ausschreibung". Dieser muss beim PR beantragt werden.
In den Sitzungen ist auch die SBV dabei und kann auch beantragen, dass diesem Verzicht nicht stattgegeben wird.
Wenn die SBV will und die Voraussetzungen gegeben sind,, kann sie einen gegenteiligen Beschluss des PR nach § 178,4 SGB IX aussetzen. Dann muss hierüber erneut beraten werden.

Liebe Grüße

Hendrik

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Monday, 05.10.2020, 11:13 (vor 1292 Tagen) @ Hendrik1

Hallo Hendrik.

danke soweit.

Daran hatte ich auch gedacht, aber das befreit uns bzw. den Arbeitgeber, die Personalabteilung doch nicht von den Pflichten des 164 und 165 SGB IX, oder!?

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

Hendrik1, Niedersachsen, Monday, 05.10.2020, 15:50 (vor 1291 Tagen) @ kraemerchen

Moin Moin Kraemerchen,

doch, wenn der PR zustimmt - z.B. weil eine Azubiene übernommen werden soll, oder jemand, der in einem anderen Projekt in der Abteilung beschäftigt war und die letzten drei Monate eines anderen Projektes weiter unterstützen soll oder es sich um einen Beruf handelt, bei dem Bewerber*innen nicht so mal eben aus der Kiste springen, dann gibt es das auch bei uns.

Liebe Grüße

Hendrik

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Monday, 05.10.2020, 17:37 (vor 1291 Tagen) @ Hendrik1

Hallo Hendrik,

ja, bei diesen positiven internen Beispielen stimmt das natürlich.

Aber bei negativen externen Beispielen (ich nenne das mal so), kann das doch nicht Sinn und Zweck sein, oder!?

Muss trotz Stellenausschreibungsverzicht eine Stelle nicht trotzdem der Schwerbehindertenvermittlung von der BA gemeldet werden? Ich meine, dass es da eine gesetzliche Regel gab, aus der hervorging, dass man Stellen nur nicht melden muss, wenn diese für eine gewisse max. Zeit befristet sind oder eine gewisse max. Stundenanzahl nicht übersteigt.

LG

Edit: ich habe mich auch an anderer Stelle mal erkundigt - ich hoffe, dass das ok ist :-) Da wurde mir auf meine Eingangsfrage so geantwortet:

"der "Zuschnitt" einer Stelle ist grundsätzlich Sache des AG - ggfs. noch unter Mitbestimmung bzw. Mitwirkung des PR.

Aber auch der spezielle Zuschnitt einer Stelle befreit den AG nicht von seiner Verpflichtung, vor Beginn des eigentlichen Bewerberverfahrens die Prüfung gem. § 164 Abs. 1 Satz 1 nachzukommen. Von dieser Prüfpflicht kennt das Gesetz auch keine Ausnahme.
Und es ist nun mal Aufgabe einer SBV, diese ernsthafte Prüfung einzufordern und ggfs. auch durch aktive Vorschläge zu begleiten, statt über AG-Tricks zu lamentieren."

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Tuesday, 06.10.2020, 07:11 (vor 1291 Tagen) @ Hendrik1

Guten Morgen Hendrik,

ich habe den § gefunden:

§ 156 SGB IX
Begriff des Arbeitsplatzes
(3) Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.

Bedeutet doch im Umkehrschluss, dass alle anderen Stellen dennoch der Schwerbehindertenvermittlung bei der BA gemeldet werden müssen, oder!?

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

WoBi, Tuesday, 06.10.2020, 10:33 (vor 1291 Tagen) @ kraemerchen

Hallo,

eine persönliche Anmerkung zu § 156 SGB IX und die 18 Wochenstunden.

Diese zeitliche Begrenzung ist hinderlich bei der Einstellung/Beschäftigung von Personen mit einer vollen Erwerbsminderungsrente. Denn diese Personen können noch bis zu 3 Stunden am Tag arbeiten. Die Begrenzung mag mit Blick auf eine früher gängige 6-Tagewoche noch in Ordnung gehen, aber wie lange haben wir jetzt bereits die 5-Tagewoche?

Auch bei tariflichen Regelungen z.B. im Bereich der Metall- und Elektroindustrie mit 35 Wochenstunden, wäre Teilzeitarbeitsplätze mit 50 % Umfang keine Arbeitsplätze mehr!

Hier hinkt die Anpassung einfach hinterher und es bedarf einer rechtlichen Anpassung. Sonst gibt es bald „solche Arbeitsplätze“ nicht mehr, was zudem z.B. die Unterrichtungsrechte der SBV im öffentlichen Bereich schmälert.

--
Gruß
Wolfgang

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Tuesday, 06.10.2020, 11:26 (vor 1291 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

sehr interessante, logische und nachvollziehbare Anmerkung. Vielen Dank dafür! Ich stimme dir zu, dass es da Nachholbedarf gibt.

Ansonsten stimmst du meinen letzten beiden Ausführungen zu? Kurz: Selbst wenn es einen Antrag auf Verzicht auf Ausschreibung gibt und alle (PR, SBV, GleiB) dem zustimmen, muss dennoch die Schwerbehindertenvermittlung (Reha, Inga ...) der BA informiert werden.

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

WoBi, Tuesday, 06.10.2020, 13:47 (vor 1290 Tagen) @ kraemerchen

Hallo kraemerchen,

es handelt sich um einen öffentlichen Arbeitgeber der neben § 164 SGB IX zusätzlich den § 165 SGB IX zu beachten hat und um eine externe Einstellung nach dem jeweiligen Personalvertretungsrecht. Habe ich das Korrekt erfasst?
Es wurde hier bereits auf § 156 SGB IX, zur Definition was ein Arbeitsplatz ist, hingewiesen.

Der öffentliche Arbeitgeber plant Arbeitsplätze als "Ferienjobs", auch größer/gleich 18 Stunden anzubieten. Hier greift die maximal 8 Wochen in § 156 Abs. 3 SGB IX, dass es sich nicht um einen "solchen Arbeitsplatz" nach § 165 SGB IX handelt und keinen Anspruch auf ein Vorstellungsgespräch besteht und die Unterrichtung der Agentur für Arbeit nach § 165 SGB IX entfällt.
Hier ist bei einer Verlängerung über 8 Wochen aufzupassen. Denn dann handelt es sich um einen Arbeitsplatz nach § 156 Abs. 1 SGB IX.

Der öffentliche Arbeitgeber plant einen Arbeitsplatz mit z.B. 17 Wochenstunden (17 Stunden, damit sich die vollerwerbsgeminderten Personen nicht bewerben können, ohne die Rente zu verlieren) auf Dauer. Hier greift die Regel nach weniger als 18 Wochenstunden in § 156 Abs. 3 SGB IX, dass es sich nicht um einen "solchen Arbeitsplatz" nach § 165 SGB IX handelt und keinen Anspruch auf ein Vorstellungsgespräch besteht und die Unterrichtung der Agentur für Arbeit nach § 165 SGB IX entfällt.
Hier ist "wöchentlich" aufzupassen, dass die 18 Stunden nicht überschritten werden, sonst handelt es sich um Arbeitsplätze nach § 156 Abs. 1 SGB IX. Besondere Vorsicht bei Mehrarbeit, Abgeltung von Mehrarbeit, Prämienvereinbarungen zur Abgeltung von Mehrleistungen, Vereinbarungen zur Leistungserbringung (Zielorientierte Vereinbarung ohne Zeitbezug), Überhöhten Erledigungs-/Fallzahlenvorgaben, …

Ziel kann es sein, erstmal die Person unter "Umgehung" der SBV einstellen und später Maßnahme z.B. Erweiterung der Arbeitsstunden nach einer "Scharmzeit" durchführen. Was einem nicht gleich erkennbaren / offensichtlichen Mehrstufenkonzept zur Umgehung rechtlicher Regelungen folgt.
Mögliche Begründungen des Arbeitgebers:

  • Die Person ist bereits so gut eingearbeitet, dass es keiner Ausschreibung bedarf.
  • Denn kein anderer (externer) Bewerber kann die Anforderungen erbringen.
  • Die Person hat belegt, dass die Aufgabe erfüllt.
  • Der Arbeitsumfang hat sich erhöht.
  • Zuweisung weiterer Arbeitsinhalte.
  • Versetzung auf anderen Arbeitsplatz (geplantes / provoziertes freiwerden eines Arbeitsplatzes im Arbeitsbereich)

Um die Beteiligung von PR, ob hier Mitbestimmungsrechte betroffen sind, kommt der öffentliche Arbeitgeber nicht herum. Ebenso die Darlegung, welche Gründe vorliegen, die Stelle mit diesen Anforderungen auszustatten. Also die Prüfung der Erforderlichkeit von § 164 Abs. 1 SGB IX analog warum soll eine öffentliche Stelle nur intern ausgeschrieben werden.
Öffentliche Stellen unterliegen Art. 33 Abs. 2 GG. Ohne Bewerbungsmöglichkeit auch keine "Bestenauslese".

Hier kann ein Pfad angelegt werden, der über das Begehen zu einer "Autobahn" werden kann. Vom "Testballon" zur ständigen Vorgehensweise. Bis hier ein Missbrauch der Regelungen erkannt wird und diese "Lücke" rechtlich berücksichtig wird, vergeht Zeit in der Legislative.
Ich halte ein vorsätzliches Handeln eines (öffentlichen) Arbeitgebers mit dieser Absicht verwerflich, insbesondere deshalb, weil Teilzeitarbeitsplätze unter 15 Wochenstunden besonders für erwerbsgeminderte Personen benötigt werden.
Da hier dann durch die praktizierte Vorgehensweise gezielt bestehende Schutzbestimmungen für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen umgangen werden sollen, halte ich es als ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG und damit in Folge ein Verstoß gegen ein Merkmal von § 1 AGG.
Auf die steigende Anzahl von Arbeitslosigkeit betroffenen schwerbehinderten Personen sei hier hingewiesen. Hier hat "Corona" bereits zugeschlagen und weiter für Anstieg sorgen.

Es sei auch auf den "Missbrauch" des Teilzeit- und Befristungsgesetzes z.B. bei Einstellungen mit verminderter Stundenzahl aber geplanter Beschäftigung bis zur Vollzeit und darüber bei manchen Arbeitgebern z.B. in der Logistikbranche hingewiesen. Anwendung gesetzlicher Ausnahmebestände im großen Still zur Steigerung der Gewinne und Abhängigkeit der Beschäftigten. Könnte eine neue "Baustelle" werden.

--
Gruß
Wolfgang

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Tuesday, 06.10.2020, 14:06 (vor 1290 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

wow!!! Danke für den sehr langen und ausführlichen Text.

Aber damit wir uns nicht missverstehen:

es geht um einen unbefristeten Vollzeitarbeitsplatz, der zur Besetzung frei ist. Seitens einer Person oder eines Amts, vielleicht vom Personalamt selbst, wird ein Antrag auf Verzicht auf Ausschreibung beim Personalrat gestellt. Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragte sind damit einverstanden. Just an dem Tag, einen Tag vorher oder einen Tag danach oder in sonstiger zeitlicher Nähe geht eine Initiativbewerbung ein, oder ist eingegangen oder wird noch eingehen (hat vielleicht ein Mitarbeiter schon in der Tasche!?). Diese Initiativbewerbung ist von jemandem, der Vitamin B in der Behörde hat.

Muss man trotz des Verzichts auf Ausschreibung, diese Stelle der Bundesagentur für Arbeit melden?

Nochmals danke.

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

WoBi, Tuesday, 06.10.2020, 14:51 (vor 1290 Tagen) @ kraemerchen

es geht um einen unbefristeten Vollzeitarbeitsplatz, der zur Besetzung frei ist.

Hier ist die Vorprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 6 SGB IX erforderlich. Der Arbeitgeber hat über alle schwerbehinderten/gleichgestellten Beschäftigten zu prüfen, ob diese für den Arbeitsplatz geeignet sind und eine dieser geeigneten Personen diesen Arbeitsplatz will. Die SBV und der PR können von sich aus geeignete Beschäftigte vorschlagen.

Die Frage ist Einstellung (extern) oder Versetzung/Beförderung (intern) für die SBV bezüglich der Information der Agentur der Arbeit. Bei einer externen Einstellung ist die Agentur für Arbeit zwingend zu informieren und die Vermittlung von geeigneten arbeitssuchenden / arbeitslosen Menschen zu beauftragen.

Just an dem Tag, einen Tag vorher oder einen Tag danach oder in sonstiger zeitlicher Nähe geht eine Initiativbewerbung ein, oder ist eingegangen oder wird noch eingehen (hat vielleicht ein Mitarbeiter schon in der Tasche!?). Diese Initiativbewerbung ist von jemandem, der Vitamin B in der Behörde hat.

Die Frage ist hier ob eine interne oder externe Bewerbung, die letztendlich zur Einstellung führen soll vorliegt. Bei "extern" greift die Verpflichtung zur Information "insbesondere" der Agentur für Arbeit und anderer Stellen und die Beauftragung der Vermittlung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX für alle Arbeitgeber.
Diese allgemeine Verpflichtung wird in § 165 Satz 1 SGB IX für öffentliche Arbeitgeber verstärkt.
Die Information der Agentur für Arbeit hat immer "frühzeitig" zu erfolgen. Also nicht zeitgleich oder annähernd zeitgleich mit der Veröffentlichung der Ausschreibung. Den die (Bundes-)Agentur für Arbeit braucht "Vorlauf" um die Aufgaben nach § 187 Abs. 5 SGB IX zu erfüllen.

Wenn der Arbeitgeber dies nicht durchgeführt hat, kann der PR die externe Einstellung im Rahmen der Mitbestimmung die Zustimmung verweigern. Dies ist mit der Einhaltung rechtlicher Vorgaben, hier § 164/165 SGB IX mit der Nichtdurchführung der Vorprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, Nichtbeteiligung von PR und SBV bei der Vorprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX zu begründen. Hier wird schwerbehinderten/gleichgestellten Menschen der Zugang zu einen Arbeitsplatz vorenthalten und damit gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen.
Damit wäre eine Verweigerung durch den PR gegenüber dem Dienstherrn begründet.

Es liegt also am PR und wie dieser der Argumentation der SBV folgt.

--
Gruß
Wolfgang

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Wednesday, 07.10.2020, 18:08 (vor 1289 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

nochmals vielen Dank für Deine erneut sehr ausführlichen Informationen.

Was mir keine Ruhe lässt, leider, was ist, wenn ein anderer Externer das herausfindet und sich an unsere Behördenleitung (oder an andere Stelle, vielleicht die BA!? ich weiß gar nicht, welche Stellen da noch infrage kommen könnten) wendet, was könnte da schlimmstenfalls passieren? Müsste man sich von dem neu Eingestellten wieder trennen? Müsste man "Strafe" zahlen? ...?

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

WoBi, Thursday, 08.10.2020, 18:11 (vor 1288 Tagen) @ kraemerchen

Hallo kraemerchen,

ob hier eine mögliche Geltendmachung und ggf. AGG-Klage zu einer monetären Entschädigung führt? Auf hoher See und vor Gericht bist du in Gottes Hand.

Hier als Ergänzung zu meinen Ausführungen und zur Untermauerung noch ein Auszug aus dem Knittel-Kommentar zum § 164 Abs. 1 SGB IX - Randnummer 111:
"Nach § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX hat der Arbeitgeber nicht das Recht, diese Prüfung allein vorzunehmen, sondern er muss die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX beteiligen. Das bedeutet eine Unterrichtung über Vorstellungen des Arbeitgebers und dann eine Erörterung mit der Schwerbehindertenvertretung mit dem Willen zur Einigung. Wenn dann in der Erörterung ein gemeinsames oder konträres Ergebnis über die Eignung der Stelle für Schwerbehindertenbeschäftigung (einschließlich der Frage, ob und wie man die Stelle durch Vorkehrungen geeignet machen kann) gefunden ist, hat der Arbeitgeber zu dem Erörterungsergebnis den Betriebsrat anzuhören (§ 164 Abs. 1 Satz 6 Halbs. 2 SGB IX; vgl. hierzu auch jurisPK-SGB IX/Fabricius § 81 Rn. 11 ff.; LPK SGB IX/Düwell 5. Aufl. § 164 Rn. 11 ff.)."

Hier wird durch den Kommentartor die Bedeutung der Prüfungspflicht vor einer möglichen Ausschreibung, die Beteiligung der Interessensvertretung und die drei Phasen von Unterrichtung, Anhörung und Mitteilung in knappen Sätzen verdeutlicht. Was mich als SBV freut, ist die deutliche Trennung der Unterrichtung der SBV zu der späteren Erörterung mit dem BR/PR/..

--
Gruß
Wolfgang

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Thursday, 08.10.2020, 19:43 (vor 1288 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

ja, genau. Danke. Was man ja auch verstehen könnte, wenn man einem eine Chance verwehrt worden ist ... Allerdings wird es danach wohl nie zu einer Einstellung kommen!? Wer möchte schon jemanden einstellen, der einen vorher verklagt hat?

Aber nach alldem wären die Chancen auf Entschädigung ja relativ gut. Aber gut, darum gehts nicht.

Mich würde viel eher interessieren, wie groß die Chancen sind, wenn man als anderer infragekommender Bewerber das Prozedere der Behördenleitung mitteilt und diese Stelle für sich in Anspruch nehmen möchte, statt einer Entschädigung. Das wird wohl nicht klappen, anders als vielleicht bei Beamten von wegen Konkurretenklage ...

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Monday, 07.12.2020, 00:45 (vor 1229 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

ich musste die Tage wieder an diesen Fall denken und fand bisher keine expliziten Antworten.

1.) Wenn es eine rein interne Ausschreibung ist, darf doch niemand Internes diese interne Ausschreibung an einen Externen Bekannten weitergeben, der sich dann auf diese Stelle bewirbt und dann u. U. auch noch, durch Vitamin B, eingestellt wird? Oder? Intern muss doch intern bleiben, oder!?

2.) Wenn jetzt ein Dritter von einem solchen Gebaren Wind bekommt, welche Fristen würden denn zwecks evtl. Entschädigung nach AGG gelten? Auch diese zwei Monate nach Erhalt einer entsprechenden Info? Nehmen wir mal an, dieser Dritte ist ein bei der BA Arbeitssuchend Gemeldeter, bevor diese Stelle intern, und nur intern, ausgeschrieben wurde, er aber, obwohl für diese Stelle infragekommend, nicht für diese Stelle vorgeschlagen wurde. Monate später erfährt er von dieser Stelle usw. usf. und möchte nun gegen die Behörde vorgehen. Hätte dieser Dritte sich beworben und hätte eine Absage bekommen, ohne eingeladen worden zu sein, hätte dieser Dritte zwei Monate nach Erhalt der Absage Zeit gehabt, eine Entschädigung geltend zu machen. Aber in einem solchen Fall!? Monate später!?

Danke nochmals.

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

albarracin, Baden-Württemberg, Monday, 07.12.2020, 09:01 (vor 1229 Tagen) @ kraemerchen

Hallo,

1.
Wie kommst Du darauf? Initiativbewerbungen müssen in jedem Fall bearbeitet werden. Ob "geschlossene" interne Verfahren rechtlich möglich sind, ist in der Literatur strittig, die Mehrzahl der Kommentatoren lehnt eine Beschränkung ab (ablehnend zB Düwell in LPK-SGB IX, § 164 Rn 113). Diese Ablehnung von "geschlossenen" internen Bewerberverfahren folgt der Gesetzeslogik von SGB IX und AGG, die in allen Aspekten eines Bewerberverfahrens externe Bewerber*innen den "Beschäftigten" gleichstellt - zB ausdrücklich in § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
Für öffentliche AG hat der Gesetzgeber mit der Ergänzung in § 165 Satz 1 SGB IX die interne Stellenbesetzung ohne Kontaktierung der AA ermöglicht, trotzdem müssen auch in diesem Fall vorliegende externe Bewerbungen berücksichtigt werden, wie § 165 Satz 2 SGB IX ausdrücklich feststellt.

2.
Wird eine freie Stelle - auch intern wieder zu besetzend - nicht der AA gemeldet, ist dies zwar ein Gesetzesverstoss, der aber noch keinen AGG-Anspruch begründet.
Wird aber der externe Bewerber einfach nicht berücksichtigt, obwohl eine Bewerbung (unabhängig von beabsichtigter interner oder externer Besetzung) vorliegt, beginnt die Frist zur Geltendmachung von Schadensersatz gem. § 15 Abs. 4 AGG
https://www.gesetze-im-internet.de/agg/__15.html
erst mit Kenntnisnahme der Nichtberücksichtigung. Das ist auch richtig so, denn dann kann der AG nicht hoffen, durch Verschweigen einen Rechtsanspruch zu sabotieren.

--
&Tschüß

Wolfgang

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

kraemerchen, Frankfurt, Monday, 07.12.2020, 09:41 (vor 1229 Tagen) @ albarracin

Hallo,

danke.

1.) Irgendwo, so meinte ich zumindest, vielleicht auch veraltet oder eher falsch, in meinen privaten Aufzeichnungen etwas gehabt zu haben.

2.) Gegen welches Gesetz verstößt der öffentliche AG, wenn es doch eine Ausnahme für diesen bei internen Ausschreibungen gibt?

LG

Einstellung ohne Beteiligung von SBV und BA!?

WoBi, Monday, 07.12.2020, 12:20 (vor 1229 Tagen) @ kraemerchen

Hallo Kraemerchen,

aus welchen Gründen hat hier ein öffentlicher Arbeitgeber eine Stelle nur zur internen Besetzung ausgeschrieben?
Hierfür sind wichtige Gründe z.B. begrenzte Haushaltsmittel, Haushaltsprerre erforderlich, um das Grundrecht, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte hat, auszusetzen.

Würden die Gründe bei der Prüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 165 SGB IX vor der Stellenausschreibung mit der SBV und dem PR erörtert. Denn bei dieser Prüfung ist gemäß § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX die Interessensvertretungen zwingend zu beteiligen. Die SBV ist im Rahmen von § 178 Abs. 2 SGB IX vom Arbeitgeber zu unterrichten und anzuhören.
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 178 Absatz 2 Satz 1 erster Halbsatz die SBV nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet oder nicht oder nicht rechtzeitig anhört.

Sobald externe Bewerber zu Vorstellungsgespräche eingeladen werden, ist es keine reine interne Ausschreibung mehr. Und die rechtlichen Verpflichtungen, einschließlich der frühzeitigen Information und Beauftragung zur Vermittlung bei der Agentur für Arbeit, sind durch den Arbeitgeber notwendig.

Die Frage wurde bereits gestellt und mehrfach beantwortet:
https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=23054

--
Gruß
Wolfgang

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