Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle (Einstellung)

EReich, Tuesday, 10.08.2021, 10:35 (vor 983 Tagen)

Guten Tag zusammen,

ich habe einige Fragen zum Thema Schwerbehindertenrechte bei dem Einstellungsprozess.

- Laut BAG Urteil Az. 8 AZR 759/13 von 2014 muss die Schwerbehinderung in Anschreiben und Lebenslauf deutlich gemacht werden. Was bedeutet nun aber deutlich? Muss das Wort Schwerbehinderung enthalten sein? Oder reichen starke Hinweise?
- Muss ein schwerbehinderter Bewerber auch bei einer Initiativbewerbung zum Gespräch eingeladen werden? Ich habe den anderen Threadeintrag hierzu gesehen, konnte aber keine klare Antwort auf meine Frage daraus ziehen und außerdem ist der ja schon recht alt, evtl. gibt es in der Zwischenzeit weitere Entwicklungen oder Urteile zu dem Thema.
- Was ist, wenn eine Bewerbung in einer Fremdsprache eingeht, in der nur der Satz "Ich bin schwerbehindert" auf Deutsch enthalten ist? Ist hier die Einladung zum Gespräch ebenfalls Pflicht oder entfällt diese hier?

Ich bin über alle Antworten (bitte begründet mit Urteilen/Paragraphen) sehr dankbar!

LG

Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle

garda, Berlin, Tuesday, 10.08.2021, 10:44 (vor 983 Tagen) @ EReich

- Laut BAG Urteil Az. 8 AZR 759/13 von 2014 muss die Schwerbehinderung in Anschreiben und Lebenslauf deutlich gemacht werden. Was bedeutet nun aber deutlich? Muss das Wort Schwerbehinderung enthalten sein? Oder reichen starke Hinweise?

Was verstehst du unter "starken Hinweisen"? Eine SB-Eigenschaft darf nicht durch lustige Ratespiele "erkennbar" sein, sondern muss benannt werden. Ob dazu das Wort oder z. B. GdB 50 zu sagen ist entscheiden in Deutschland Richter im Einzelfall.

- Muss ein schwerbehinderter Bewerber auch bei einer Initiativbewerbung zum Gespräch eingeladen werden? Ich habe den anderen Threadeintrag hierzu gesehen, konnte aber keine klare Antwort auf meine Frage daraus ziehen und außerdem ist der ja schon recht alt, evtl. gibt es in der Zwischenzeit weitere Entwicklungen oder Urteile zu dem Thema.

Grundsätzlich nein. Eine Initiativbewerbung bedeutet nicht, dass nur weil sie vorliegt ein Auswahlgespräch zu führen ist, da es ja kein Auswahlverfahren gibt und auch keine zu besetzende Stelle.

- Was ist, wenn eine Bewerbung in einer Fremdsprache eingeht, in der nur der Satz "Ich bin schwerbehindert" auf Deutsch enthalten ist? Ist hier die Einladung zum Gespräch ebenfalls Pflicht oder entfällt diese hier?

Darf ich dich mal fragen wie du auf solche Beispiele kommst? Welche Fremdsprache? Um welche Branche geht es?

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle

EReich, Tuesday, 10.08.2021, 11:07 (vor 983 Tagen) @ garda

Danke für die Antworten erstmal!
Hast du evtl. auch Belege für deine Aussagen, gerade bei Punkt 2?

Und auf die Beispiele komme ich, weil bei mir auf der Arbeit gerade genau solche Fälle auftauchen. Es handelt sich um die Baubranche und die Bewerbung war komplett auf Polnisch, bis auf den Hinweis auf die Behinderung eben...

LG

Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle

garda, Berlin, Tuesday, 10.08.2021, 14:00 (vor 983 Tagen) @ EReich

Danke für die Antworten erstmal!
Hast du evtl. auch Belege für deine Aussagen, gerade bei Punkt 2?

Ganz ehrlich, wofür sollten die gut sein? Ein Bauunternehmen ist nicht verpflichtet SB-Bewerber einzuladen, dass muss ja nur der öffentliche Dienst.

Und auf die Beispiele komme ich, weil bei mir auf der Arbeit gerade genau solche Fälle auftauchen. Es handelt sich um die Baubranche und die Bewerbung war komplett auf Polnisch, bis auf den Hinweis auf die Behinderung eben...

Kein Bewerber kann sich darauf verlassen, dass eine beliebige Fremdsprache verstanden wird sofern sie nicht branchenüblich ist. Der hinzugefügte deutsche Satz hat ebenfalls keine Bedeutung. Grund s. o. Wird zudem kein Nachweis beigelegt, hat der Satz noch weniger Bedeutung als nichts, nämlich gar nichts.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle

WoBi, Tuesday, 10.08.2021, 15:02 (vor 983 Tagen) @ garda

Hallo Michael,

Der hinzugefügte deutsche Satz hat ebenfalls keine Bedeutung. Grund s. o. Wird zudem kein Nachweis beigelegt, hat der Satz noch weniger Bedeutung als nichts, nämlich gar nichts.

So ganz kann die Anmerkung nicht stehen gelassen werden.
Der Satz bedeutet, dass der Arbeitgeber (privat / öffentlich) die SBV und weitere betriebliche Interessensvertretung über den Bewerbungseingang zu unterrichten hat und das die SBV von nun an in alle Bewerbungsunterlagen Einsicht nehmen und an den Vorstellungsgesprächen teilnehmen kann.

Ein Nachweis muss der Bewerbung nicht beigelegt werden. Der Bewerber hat nur seine Eigenschaft als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter im Anschreiben oder hervorgehoben im Lebenslauf mitzuteilen.
Diese Mitteilung löst bereits die Handlungsverpflichtungen für den Arbeitgeber aus.

§ 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX:
"Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten."

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Gruß
Wolfgang

Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle

garda, Berlin, Thursday, 12.08.2021, 10:38 (vor 981 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang,

das sehe ich im Fall einer fremdsprachlichen Bewerbung nicht so, sofern diese Sprache nicht (branchen)üblich ist und daher dann auch gelesen und verstanden wird. Hier ist ja nicht einmal klar, ob der Bewerber diesen deutschen Satz verstanden hat oder ob der nur sozusagen als Türöffner genutzt wurde, weil er da sowas gehört hat. Mir ist allerdings dazu keine Rechtsprechung bekannt. Vielleicht hat ja hier noch jemand was.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Einstellungen Schwerbehinderten - Sonderfälle

WoBi, Thursday, 12.08.2021, 21:50 (vor 981 Tagen) @ garda

Hallo garda,

der / die Sachbearbeiter*in, als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers, hat die eingereichten Unterlagen als eine Bewerbung angesehen und den mitgeteilten Hinweis auf eine Schwerbehinderung / Gleichstellung erkannt.

1. Damit sind die Voraussetzungen für die Unterrichtung der SBV und BR/PR/.. erfüllt.
2a. Ein privater Arbeitgeber ist nicht zur einer Einladung zum Vorstellungsgespräch verpflichtet. Außer es wird z.B. ein Polier mit polnischen Sprachkenntnisse gesucht, dann könnte dies der gesuchte Bewerber sein.
2b. Ein öffentlicher Arbeitgeber hat zu prüfen, ob eine Ausnahme zur Einladungsverpflichtung zu einem Vorstellungsgespräch nach § 165 Satz 4 SGB IX vorliegt. Der Bewerber muss offensichtlich vollkommen, also ohne jeglichen Zweifel, nicht geeignet nach dem zu besetzenden Arbeitsplatz sein. Dies hat der Arbeitgeber gegenüber den Interessensvertretungen darzulegen. Bei der SBV nach § 178 Abs. 2 SGB IX
3. Ob der Verfasser den mitgeteilten deutschen Satz versteht oder nicht, ist reine Spekulation / Interpretation. Es spielt auch keine Rolle für die Aktivitäten nach dem 1. Punkt.

Wenn die Behinderteneigenschaft nicht nachgewiesen wird z.B. beim Vorstellungsgespräch bzw. bei der Einstellung und als „Türöffner“ missbräuchlich verwendet worden ist, stellt dies eine Täuschung dar und der Arbeitsvertrag könne nichtig sein bzw. eine Kündigung in der Probezeit erfolgen.
Die SBV fördert die Beschäftigung von schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen.

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Gruß
Wolfgang

Einstellung Schwerbehinderter - Bewerbung in Polnisch

Cebulon, Thursday, 12.08.2021, 13:29 (vor 981 Tagen) @ EReich

Was ist, wenn eine Bewerbung in einer Fremdsprache eingeht, in der nur der Satz "Ich bin schwerbehindert" auf Deutsch enthalten ist? Ist hier die Einladung zum Gespräch ebenfalls Pflicht oder entfällt diese hier?

Hallo EReich,
nein – selbstverständlich keine Pflicht zur Einladung:

Für Firmen der Baubranche besteht bekanntlich so oder so keine Pflicht zum Vorstellungsgespräch nach § 165 SGB IX. Und in Dienststellen des öffentl. Dienstes wäre Amtssprache ohnehin Deutsch (vgl. § 19 SGB X).

Gruß,
Cebulon

Einstellung Schwerbehinderter - Bewerbung in Polnisch

Karin73, Schleswig-Holstein, Thursday, 12.08.2021, 18:14 (vor 981 Tagen) @ Cebulon

Hallo zusammen,
auch ich habe gerade eine besondere Situation mit einen SB Bewerber.
Und dazu würde ich gerne Eure Einschätzung hören.
Der SB Bewerber hat 1983 einen Gesellenbrief in einem Handwerklichen Beruf erworben.Danach irgendwann mal eine Zusatzqualifikation im IT Bereich.
Nun hat die Person sich auf eine Ausschreibung im öffentlichen Dienst im IT Bereich beworben.
Die Bewerbung kam digital .Es Gabe kein eindeutiges Anschreiben sondern nur eine Anfrage zu der vakanten Stelle.
Es wurde der Lebenslauf und der Schwerbehindertenausweis mitgeschickt.Mehr nicht.
Die Personalabteilung hat mich darüber informiert das die Bewerbung eingegangen ist und das man die Person angeschrieben hat und Zeugnisse sowohl vom alten Arbeitgeber , die Zusatzqualifikation und den Gesellenbrief nachgefordert hat.
Der SB Bewerber hat geantwortet 1983 gab es noch keinen digitalen Nachweis über den Gesellenbrief und daher würde dieses auch nicht nachgereicht werden..Außerdem hätte das die Person noch nie machen müssen.
Muss der Bewerber nun trotzdem all dem zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden?

Viele Grüße
Karin

Einstellung Schwerbehinderter - Bewerbung ohne Zeugnisse

Cebulon, Thursday, 12.08.2021, 19:07 (vor 981 Tagen) @ Karin73

Der SB Bewerber hat geantwortet, 1983 gab es noch keinen digitalen Nachweis über den Gesellenbrief und daher würde dieses auch nicht nachgereicht werden. Außerdem hätte das die Person noch nie machen müssen.

Hallo Karin, behaupten kann das jeder. Halte solche Antworten einfach nur für ziemlich dumm-dreist. Ob Einladung hängt von der Ausschreibung ab, also dem konkreten Anforderungsprofil. Ausschlaggebend ist dabei, eine Unterscheidung zwischen den „Muss“- und „Soll“-Anforderungen in der Stellenausschreibung festzulegen. Fehlt jedoch eine dieser festgelegten fachlichen Muss-Anforderungen, dann ist dieser Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet i.S. des § 165 Satz 4 SGB IX.

Gruß,
Cebulon

Einstellung Schwerbehinderter - Bewerbung ohne Zeugnisse

Karin73, Schleswig-Holstein, Thursday, 12.08.2021, 22:32 (vor 981 Tagen) @ Cebulon

Danke für die Antwort.
Mit der Zusatzqualifikation würden die Anforderungen des Anforderungsprofil erfüllt werden.
Nur wie Du schon schreibst, behaupten kann das ja jeder.Der Nachweis fehlt einfach.

Würde dir Person nicht schon ausscheiden im Bewerbungsverfahren , weil die Schwerbehinderung nicht offensichtlich im Anschreiben erkenntlich gemacht wurde und nur der Schwerbehindertenausweis angefügt worde?

Würde das vielleicht Sinn machen wenn ich als Vertrauensperson der SB die Person nochmal anschreibe und um Übermittlung der Dokumente bitte , mit der Erklärung das die Person nur dann den Anspruch auf ein Einladung zum Vorstellungsgespräch? Oder wäre das ein Verstoß gegen den Datenschutz?

Ich befürchte das das jemand sein könnte der gerne mal ein Klageweg beschreitet.

Viele Grüße
Karin

Einstellung Schwerbehinderter - Bewerbung ohne Zeugnisse

Cebulon, Thursday, 12.08.2021, 22:48 (vor 981 Tagen) @ Karin73

Mit der Zusatzqualifikation würden die Anforderungen des Anforderungsprofil erfüllt werden. Der Nachweis fehlt einfach.

Richtig! So ist es. Warum legt er Zeugnis und Nachweis über praktische IT-Tätigkeit nicht von sich aus vor, wenn es nichts zu verbergen gibt, sondern eiert nur rum und weicht aus? Erscheint mir alles höchst intransparent und wenig seriös. Solche Bewerber würde ich als SBV niemals anschreiben. Da sind die Personaler gefordert, die entscheiden müssen, ob sie sich auf der Nase herumtanzen lassen.

Würde dir Person nicht schon ausscheiden im Bewerbungsverfahren, weil die Schwerbehinderung nicht offensichtlich im Anschreiben erkenntlich gemacht wurde und nur der Schwerbehindertenausweis angefügt wurde?

Eher nein, bei nur zwei eingereichten Dokumenten kann man das wohl nicht annehmen nach allgemeiner Lebenserfahrung.

Gruß,
Cebulon

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