Abordnung (Allgemeines)

Tomson, Monday, 29.11.2021, 23:31 (vor 876 Tagen)

Hallo zusammen,

Ich bin stellv. SBV und selbst schwerbehindert.
In unserem Unternehmen das als Gmbh geführt wird, gilt der TVÖD.
Mein AG möchte gerne, dass ich meine Arbeitsaufgabe bei einer Schwestergesellschaft, also bei einem anderen AG
ausübe. Ich soll also weiterhin meine bisherige Arbeitsaufgabe für meinen bisherigen Arbeitgeber ausführen, nur eben am Arbeitsort des Schwesterunternehmens.
In meinem Arbeitsvertrag ist mein bisheriger Einsatzort eindeutig festgelegt.
Im Arbeitsvertrag gibt es keine Versetzungs-oder Abordnungsklausel, jedoch wird Bezug auf den BAT bzw.
den ihn ersetzenden und ergänzenden Bestimmungen genommen. Folglich gilt der TVÖD.
Dieser enthält in § 4 bekannterweise eine sog. Abordnungsklausel, nach welcher es wohl möglich erscheint,
eine Abordnung an denselben oder an einen anderen AG einseitig zu veranlassen.

Muß ich mich einer evtl. Abordnung also beugen, falls mein AG dies verlangt?

Danke vorab für Eure Hinweise.
VG
tomson

Abordnung

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 30.11.2021, 08:13 (vor 876 Tagen) @ Tomson

Hallo,

wenn der Arbeitsort im Vertrag festgelegt ist, dürfte dies nach dem sog. "Günstigkeitsprinzip" Vorrang vor allgemeinen tariflichen Regelungen haben. Es kommt allerdings auf die exakte Formulierung an. Da sollte im Zweifelsfall schon ein Fachmensch für Arbeitsrecht drüberschauen.

Außerdem gibt es auch für stellv. SBVen einen Mandatsschutz. Es stellt sich also die Frage, ob das Amt mit der Abordnung überhaupt noch sinnvoll wahrgenommen werden kann - insbesondere dann, wenn Du als "Stelli" schon amtiert hast.

Für einen BR könnten diese Punkte evtl. ausreichen, einer Abordnung/Versetzung zu widersprechen.

--
&Tschüß

Wolfgang

Abordnung

bifavi, Hessen, Tuesday, 30.11.2021, 15:31 (vor 875 Tagen) @ Tomson

Hallo Tomson,
folgendes möchte ich dazu beitragen:

Für den Personalrat war der Versetzungs- und Abordnungsschutz in § 47 Abs. 2 BPersVG seit Langem ausdrücklich geregelt. Für den öffentlichen Dienst der Länder und Gemeinden ergibt sich Entsprechendes aus dem Landespersonalvertretungsrecht. Seit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 sieht § 103 Abs. 3 BetrVG ausdrücklich auch einen Versetzungsschutz für Mitglieder des Betriebsrats vor. Er gilt nur für Versetzungen kraft Direktionsrechts. Nach diesen über § 179 Abs. 3 Satz 1 SGB IX entsprechend anwendbaren Vorschriften bedarf somit die Versetzung einer Vertrauensperson der Zustimmung des Betriebsrats bzw. des Personalrats, wenn die Vertrauensperson mit ihrer Versetzung nicht einverstanden ist.
Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung bzw. der Heranziehung zu bestimmten Aufgaben nach § 178 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson. Das gilt insbesondere für den Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz.

Ich behaupte jetzt einfach mal, ohne Deine Zustimmung und ohne Zustimmung des BR geht gar nix.
Denn wie will dann die Vertrauensperson Dich zu Aufgaben heranziehen wenn du nicht mehr vor Ort bist?
Solltest du schon mal im Amt gewesen sein, wovon ich ausgehe, hast dein Arbeitrgber die gleichen Vorschriften wie für ein Ersatzmitglied des BR/PR anzuwenden.


LG Bifavi

Abordnung

WoBi, Wednesday, 01.12.2021, 18:55 (vor 874 Tagen) @ Tomson

Hallo Tomson,

es ist eine GmbH, es gibt einen Betriebsrat und es gilt das Betriebsverfassungsgesetz. Nach der Rechtetreppe geht ein Gesetz einem Tarifvertrag vor. Kennt das BetrVG eine Abordnung wie die Personalvertretungsgesetze oder nur Versetzung / Umsetzung?

Ein Betriebsrat ist bereits in der Mitbestimmung bei Versetzungen/Umsetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 BetrVG) wenn durch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von 1 Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
Eine Versetzung und damit Mitbestimmung nach BetrVG liegt also dann vor, wenn einem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird für voraussichtlich mehr als einen Monat ODER wenn die Zuweisung kürzer als ein Monat dauert, aber sich die Arbeitsumstände erheblich ändern.

Es ist ein Versuch des Arbeitgebers die "alten" Vorteile als öffentlicher Arbeitgeber mit dem Reduzieren von gesetzlichen Verpflichtungen (z.B. § 165 SGB IX) als privatrechtlich organisierter Arbeitgeber zu kombinieren.
Dieser Wechsel der Rechtsgrundlagen hat auch in den Köpfen der Interessensvertretungen zu erfolgen. Alte Zöpfe sind abzuschneiden und neues Wissen ist aufzubauen.
Oder hängen die Interessensvertreter z.B. den Regelungen nach Art. 75 Abs. 1 Ziffer 6 BayPVG nach, wo eine "Versetzung, Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstorts verbunden ist (das Einzugsgebiet im Sinn des Umzugskostenrechts gehört zum Dienstort)" nur bei einem gleichzeitigen Dienstortwechsel der Mitbestimmung unterliegt?

Dies gilt für alle Arbeitnehmer im Betrieb und berücksichtigt nicht den besonderen Schutz durch das Ehrenamt als SBV.

Beispiel für Versetzung auf eine andere Station: BAG, Beschluss vom 29. 2. 2000 – 1 ABR 5/99

--
Gruß
Wolfgang

Abordnung

Tomson, Wednesday, 01.12.2021, 21:13 (vor 874 Tagen) @ Tomson

Vielen herzlichen Dank für die interessanten Hinweise und Kommentierungen auf meine Frage.
Ich merke, der Teufel steckt hier - wie anders oft auch - im Detail und man muß verschiedene rechtliche Normen
in ihrem Zusammenwirken auf den konkreten Fall betrachten.

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