Prüfpflicht nach 158 (Einstellung)

SbV.Sven, Tuesday, 21.12.2021, 09:01 (vor 849 Tagen)

Moin liebe Mitstreiter.
Mein AG schreibt den zuständigen Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit an um für neue Stellen zu erfragen ob es passende Schwerbehinderte Menschen gibt, die Antwort seid 3 Jahren immer nein. Nun habe ich hier in Hamburg mit der Senatskoordinatorin für Schwerbehinderte gesprochen und diese hat mir kontaktdaten zukommen lassen, einmal beim Jobcenter für Ausbildung schwerbehinderter Menschen und bei der Agentur für Arbeit für schwerbehinderte arbeitslose Menschen.
Ich habe meinem AG diese Kontaktdaten weiter geleitet mit der bitte diese zukünftig mit anzuschreiben bei offenen stellen ( hier in Hamburg ist die Quote an arbeitslosen schwerbehinderten Menschen Bundesweit am höchsten ) das lehnt der AG ab. Kann ich da schon einspruch einlegen da für mich die Prüfpflicht nicht erfüllt ist?
Vielen dank schonmal Sven

Prüfpflicht nach 164

WoBi, Tuesday, 21.12.2021, 11:06 (vor 849 Tagen) @ SbV.Sven

Hallo SbV.Sven,

die Frage mit den weiteren Stellen ergibt sich aus den ersten drei Sätze des § 164 Abs. 1 SGB IX:
"Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Sie nehmen frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. Die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor."
Das Wort "insbesondere" drückt bereits aus, dass weitere Stellen in Frage kommen. Hier ist auch die Vorprüfung mit bereits (schwer-)behinderten Beschäftigten inbegriffen. Wie sollen sonst nach der Vorprüfung bei einer folgenden externen Ausschreibung ein Integrationsfachdienst Vermittlungsvorschläge erarbeiten?

Ich vermute mal, das eigentliche Problem liegt bei der Bundesagentur für Arbeit. Da bemüht sich die Interessensvertretungen, vorrangig die SBV, den Arbeitgeber dazu bringen seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen und "frühzeitig" Kontakt mit der zuständigen Agentur für Arbeit aufzunehmen und eine Vermittlung zu beauftragen. Doch die Bundesagentur für Arbeit erfüllt nicht seine Aufgaben nach § 187 Abs. 5 SGB IX. Es kommen keine Meldungen/Vermittlungsvorschläge zurück. Obwohl z.B. bei der WEB-Auskunft geeignete Personen gefunden werden.
Es ist nicht nachvollziehbar warum Arbeitgeber auf diese verpflichtenden Leistungen der Bundesagentur für Arbeit verzichten:
"Im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber nach Absatz 1 Nummer 2 hat die Bundesagentur für Arbeit
1. dem Arbeitgeber zur Besetzung von Arbeitsplätzen geeignete arbeitslose oder arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen unter Darlegung der Leistungsfähigkeit und der Auswirkungen der jeweiligen Behinderung auf die angebotene Stelle vorzuschlagen,
2. ihre Fördermöglichkeiten aufzuzeigen, soweit möglich und erforderlich, auch die entsprechenden Hilfen der Rehabilitationsträger und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter."

Gibt es überhaupt die Stellen nach § 187 Abs. 4 SGB IX und sind diese mit ausreichend Personal versehen. Erfüllen diese Personen die vorgegebenen gesetzlichen Aufgaben?
"Die Bundesagentur für Arbeit richtet zur Durchführung der ihr in diesem Teil und der ihr im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben in allen Agenturen für Arbeit besondere Stellen ein; bei der personellen Ausstattung dieser Stellen trägt sie dem besonderen Aufwand bei der Beratung und Vermittlung des zu betreuenden Personenkreises sowie bei der Durchführung der sonstigen Aufgaben nach Absatz 1 Rechnung."

Kann nur empfehlen den Kontakt mit diesen (Bundesagentur)Stellen bei der Agentur für Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitgeber, insbesondere der Inklusionsbeauftragte, sollte mit eingebunden werden, damit dieser selbst die "staatlichen" Leistungen beansprucht.
Falls der Arbeitgeber Einwände gegen das (alleinige) Vorgehen der SBV hat, einfach auf § 182 Abs. 2 Satz 2 SGB IX hinweisen.
"Vertrauensperson und Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers sind Verbindungspersonen zur Bundesagentur für Arbeit und zu dem Integrationsamt."

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Gruß
Wolfgang

Prüfpflicht nach 164

SbV.Sven, Tuesday, 21.12.2021, 15:34 (vor 849 Tagen) @ WoBi

Hi und danke für die Antwort. Ich werde dies meiner Personalabteilung so mitteilen.
Bei uns gibt es keinen Inklusionsbeauftragten, da kämpfe ich seid 2 Jahren drum. Wenn meine Personalabteilung weiterhin verweigert dies zu tun, werde ich es über die Einigungsstelle laufen lassen. Danke und schöne Feiertage.

Prüfpflicht nach 164

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 22.12.2021, 09:31 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Hallo,

was willst Du mit einer "Einigungsstelle" erreichen, die es für SBVen gesetzlich gar nicht gibt?
Und die Einigungsstelle nach BetrVG kann auch nicht vom BR angerufen werden, da es keine erzwingbare Mitbestimmung bei Untätigkeit des AG gibt.

--
&Tschüß

Wolfgang

Prüfpflicht nach 164

WoBi, Wednesday, 22.12.2021, 10:35 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Hallo SbV.Sven,

nicht die Personalabteilung hat einen Inklusionsbeauftragten zu bestellen. Dies hat der Arbeitgeber (Geschäftsführer, oberster Dienstherr, Vorstand, ...) durchzuführen. Diese verantwortliche Person hat einen Inklusionsbeauftragten nach § 181 Satz 1 SGB IX zu bestellen. Aber eine Nichtbestellung mindestens eines Inklusionsbeauftragten ist nicht mit einer Strafandrohung versehen. Es ist somit kein Druck zur Erfüllung hinter dieser Verpflichtung, die sich aus dem Wortlaut und den Aufgaben ergibt.

Lösungsansatz: Also ist die verantwortliche Person in allen Fragen die direkte Kontaktperson für die SBV und Empfänger des Schriftverkehrs der SBV mit dem Arbeitgeber. Du bist der "Vorsitzende des Einpersonengremiums" der SBV und als gewählter Interessensvertreter verhandelts du nur mit der verantwortlichen Person auf Augenhöhe. Diese verantwortliche Person ist dein erster und einziger Ansprechpartner. Eine weitere Person (der bestellte Inklusionsbeauftragter), die den Arbeitgeber in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt, gibt es doch nicht. ;-)
Dies ist Vergleichbar mit dem Vorsitzenden des Betriebs- oder Personalrates. In deren Rechtsgrundlage ist der Absender/Empfänger geregelt. So z.B.in Artikel 70 Abs. 2 BayPVG

Mehr unter suchen. So z.B. https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=27264

--
Gruß
Wolfgang

Prüfpflicht nach 164

SbV.Sven, Wednesday, 22.12.2021, 12:15 (vor 848 Tagen) @ WoBi

Danke dass verstehe ich, solange es keinen Inklusionsbeauftragen gibt ist es automatisch der Geschäftsführer. Wie gehe ich jetzt vor, wenn die Prüfpflicht sie ersen Post für micht erfüllt wird. Schreibe ich der Argentur für Arbeit an und ziehe den ( ich glaube den ) 239 ? Oder mache ich einen Beschluss und nehme mir einen Anwalt und dieser geht dann die schritte weiter?

Prüfpflicht nach 164

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 22.12.2021, 12:39 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Hallo,

nicht nur ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Arbeitsagenturen an der Verfolgung von Verstössen des AG völlig desinteressiert sind.
Ich würde den AG an Deiner Stelle nochmals schriftlich (nachweisbar, zB gegen Empfangsbstätigung) auffordern, seiner Pflicht aus § 181 SGB IX nachzukommen und in diesem Schreiben auch rechtliche Schritte bei Nichtbenennung androhen.
Regiert der AG darauf nicht, wäre für mich der Gang zum Fachanwalt angesagt.

--
&Tschüß

Wolfgang

Prüfpflicht nach 164

arsbv, Wednesday, 22.12.2021, 14:22 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Hallo,
Vielleicht beim Integrationsamt anrufen/ vorsprechen. Wer denn gemeldet ist. Der AG hat dies ja auch an das Integrationsamt und an die Agentur für Arbeit zu melden.

Prüfpflicht nach 164

SbV.Sven, Wednesday, 22.12.2021, 16:25 (vor 848 Tagen) @ arsbv

Ich danke euch allen, mein Problem ist nicht der Inklusionsbeauftragte, sondern was ich tun kann wenn mein AG die Richtigen ansprechpartner für einstellungen nicht anschreiben will?

Prüfpflicht nach 164

Hendrik1, Niedersachsen, Wednesday, 22.12.2021, 16:40 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Moin Moin Sven,

wenn Du den "falschen" Ansprechpartner kennst, bitte den daruum, diese Ausschreibungen weiterzuleiten.

Die Agentur für Arbeit sollte ja ein Interesse daran haben, die leute von ihrer Payrol zu bekommen.

Liebe Grüße

Hendrik

Prüfpflicht nach 164

SbV.Sven, Wednesday, 22.12.2021, 17:07 (vor 848 Tagen) @ Hendrik1

Hi dass habe ich schon versucht, der ignoriert mich und verweist auf meinen AG, datenschutz.

Prüfpflicht nach 164

WoBi, Wednesday, 22.12.2021, 21:01 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Hallo SbV.Sven,
es wurde von mir bereits auf den § 182 Abs. 2 Satz 2 SGB IX hingewiesen. Du bist Kraft des Gesetzes (SGB IX § 182) als Vertrauensperson die Verbindungsperson zur Bundesagentur für Arbeit. Also auch zu den besonderen Stellen nach § 187 Abs. 4 SGB IX. Du bist damit keine "unbefugte dritte Person". Das Argument "Datenschutz" ist eine vorgeschobenes Abwimmelungstotschlagbegründung, um dir gegenüber keine Auskunft zu geben.
Aber die Zusammenarbeit besteht nun mal. Selbst die Agentur für Arbeit nutzt diese z.B. beim Gleichstellungsantrag. Verweigerst du in dieser Situation die Auskunft beim Fragebogen, mit Hinweis auf den Datenschutz?
Nicht einfach abwimmeln lassen. Das persönliche Gespräch hilft weiter.
Es gibt im Notfall immer eine übergeordnete Dienststelle bei einer Behörde.;-)

Aber dein Anfangsproblem war, dass der Arbeitgeber nicht weitere Stellen über die freie und zu besetzende Position informiert.
Werden die Anfragen und die Antworten des Arbeitgebers im Rahmen der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG dem BR vorgelegt?
Der Arbeitgeber hat den BR von sich aus die erforderlichen Informationen vorzulegen. Im Zweifel soll der BR dies anfordern.
Der BR hat die Möglichkeit die Zustimmung zu verweigern, wenn eine personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde.
Die Verpflichtung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist eine gesetzliche Regelung, die durch den Arbeitgeber nicht eingehalten wird.
Eine gute Zusammenarbeit mit diesem Gremium eröffnet die Handlungsoptionen.
Der Arbeitgeber kann § 100 BetrVG heranziehen, was der BR mit § 101 BetrVG abwehren kann.

Als SBV würde ich auf die "haargenaue" Einhaltung des § 164 Abs. 1 SGB IX durch den Arbeitgeber achten und diesen nach § 178 Abs. 1 SGB IX überwachen.
Wird die SBV und der BR bereits von einer geplanten Stellenausschreibung unterrichtet?
Wird die Vorprüfung mit Beteiligung von SBV und BR gegenüber den behinderten Beschäftigten durchgeführt?
Erfolgt eine "frühzeitige" Information und Beauftragung zur Vermittlung an die Agentur für Arbeit und weiteren Stellen?
Wird eine Stellenausschreibung erst nach der "frühzeitigen" Information und Beauftragung zur Vermittlung (ca. 14 Tage) veröffentlicht?

Die SBV erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden.

Erst mal das Anwenden, was einem zur Verfügung steht, bevor man weniger erfolgreiche Aktivitäten ggf. mit externer Hilfe auslöst. Man braucht Grundlagen, Belege und Beweise für eine rechtliche Durchsetzung.

--
Gruß
Wolfgang

Prüfpflicht nach 164

Hotte, Stuttgart, Wednesday, 22.12.2021, 19:32 (vor 848 Tagen) @ SbV.Sven

Ich danke euch allen, mein Problem ist nicht der Inklusionsbeauftragte, sondern was ich tun kann wenn mein AG die Richtigen ansprechpartner für einstellungen nicht anschreiben will?

Dann schauts du nach meiner Meinung schlicht und einfach in die Röhre. Dein AG schreibt die für ihn zuständige Agentur für Arbeit an. Damit erfüllt er seine Prüfpflicht. Es kann ihn niemand zwingen zusätzlich andere Stellen anzuschreiben
VG
Hotte

--
Richard v. Weizsäcker:
"Nicht Behindert zusein,ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jeder Zeit genommen werden kann."

Prüfpflicht nach 164

Phönix, NRW, Thursday, 23.12.2021, 04:49 (vor 848 Tagen) @ Hotte

Wenn die Abfragen bei der Agentur für Arbeit längere Zeit erfolglos erscheinen, sollte man vielleicht die vom Arbeitgeber gewählten Suchparameter hinterfragen. Ein Arbeitgeber kann die Suche nach Bewerbern verfeinern, in dem er bestimmte Anforderungen an die Bewerber definiert, welche nicht aus der Stellenausschreibung hervorgehen.

Weiterhin wende ich mich als SBV an den zuständige Rehabilitationsberater bei der Agentur für Arbeit. Dieser erhält von mir jede Stellenausschreibung und prüft praktisch parallel auf einem zweiten Weg, ob bei der Agentur für Arbeit geeignete Bewerber mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung gemeldet sind. Und obwohl mein Arbeitgeber nicht die Möglichkeit nutzt, seine Suchanfrage zu verfeinern - in Zeiten von Fachkräftemangel auch unsinnig - gibt es unterschiedliche Ergebnisse zur gleichen Stellenausschreibung. Allerdings sollte man auch bedenken, dass die Agentur entsprechende Kandidaten nur informiert und auffordert, sich zu bewerben. Die Erfahrung zeigt, dass man wohl passende Kandidaten bei der Agentur hat, aber die Bewerbungen dann leider - warum auch immer - ausbleiben.

Auch bekomme ich jedes Quartal die aktuellen Arbeitslosenzahlen für unseren "Arbeitsamtsbezirk". Die Zahlen mögen im ersten Moment erschreckend wirken, aber wenn man diese filtert, bleiben für eine konkrete Stellenausschreibung nicht wirklich viele Bewerber übrig.

Letztlich bieten sich für eine SBV weitere Möglichkeiten, geeignete Bewerber mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung zu finden. Im digitalen Zeitalter ist es keine besondere Anforderung, eine Stellenausschreibung an geeignete Stellen weiter zu leiten. Wer aber einen solchen Aufwand betreibt, sollte dann auch dafür sorgen, dass Bewerbung und Vorstellung der Kandidaten in den richtigen Bahnen verlaufen! ;-)

VG
Phönix

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