Fragerecht Sonderfall (Einstellung)

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 09:00 (vor 827 Tagen)

Liebe Mitstreiter,
zu diesem Thema habe ich in der Suchfunktion und im Netz nichts Einschlägiges gefunden:

Abgesehen davon, dass ich es nicht zu den Aufgaben der SBV im Einstelllungsverfahren zähle:

Ist es zulässig, wenn die SBV im Vorstellungsgespräch den schwerbehinderten Bewerber ganz allgemein fragt, ob die Behinderung sich negativ auf die Erbringung der geforderten Arbeitsleistung auswirkt? Also ohne auf konkrete Anforderungen der ausgeschrieben Position abzuheben?

Danke für Eure Antworten im Voraus!

Fragerecht Sonderfall

garda, Berlin, Thursday, 13.01.2022, 09:32 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Abgesehen davon, dass ich es nicht zu den Aufgaben der SBV im Einstelllungsverfahren zähle:

Ganz genau und damit hast du dir die Frage eigentlich selbst beantwortet.

Ist es zulässig, wenn die SBV im Vorstellungsgespräch den schwerbehinderten Bewerber ganz allgemein fragt, ob die Behinderung sich negativ auf die Erbringung der geforderten Arbeitsleistung auswirkt? Also ohne auf konkrete Anforderungen der ausgeschrieben Position abzuheben?

Jetzt stelle ich die Gegenfrage: warum sollte die SBV das fragen? Ich kann mir Konstellationen vorstellen und habe das einmal sogar selbst getan aber warum möchtest du es tun?

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 10:05 (vor 827 Tagen) @ garda

Ich möchte es nicht tun und bin strikt dagegen. Aber ich bekomme als Stv. SBV mit, dass die Hauptperson dies immer fragt. Unlängst hat er sogar mich gefragt, als ich mich intern beworben hatte. Ich denke, hier läuft etwas gewaltig schief.

Fragerecht Sonderfall

Scheeks, im MTK, Thursday, 13.01.2022, 10:30 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Ist es zulässig, wenn die SBV im Vorstellungsgespräch den schwerbehinderten Bewerber ganz allgemein fragt, ob die Behinderung sich negativ auf die Erbringung der geforderten Arbeitsleistung auswirkt?

Das kannst du, sofern es nach Sichtung der Bewerbungsunterlagen für dich nicht ersichtlich geworden ist, unter vier Augen fragen, aber m.E. nicht im Vorstellungsgespräch. Dein Job ist es, eine Benachteiligung/Schlechterstellung des Bewerbers aufgund seiner Behinderung möglichst zu verhindern, weshalb also willst du ihn durch solch eine Frage dazu bringen, sich selber schlechter darzustellen?
Es gibt tatsächlich sehr zahlreiche Arten von Einschränkungen, welche sich "negativ auf die Erbringung der geforderten Arbeitsleistung" auswirken. Vieles kann man ganz oder teilweise kompensieren, als eher simples Beispiel seien höhenverstllbare Tische für MA mit Rückenproblemen erwähnt. Ebenso ist die Arbeitsorganisation ein wichtiger Punkt; müssen bei beispielsweise vier Sachbearbeitern wirklich alle von ihnen auf die Leiter klettern, um an Unterlagen im obersten Regal zu gelangen? Oder was kostet ein kleiner Gitterwagen, um Akten ggf. über den Hof zu fahren, statt sie zu tragen/schleppen? Solche Hilfsmittel werden erfahrungsgemäß von allen Kollegen gern genutzt, wenn sie einmal vorhanden sind.
Schließlich sind die tatsächlichen "effektiven" Beeinträchtigungen nicht immer deckungsgleich mit den Beschreibungen "am grünen Tisch".

Schlussendlich hat fast jeder Mensch irgendwelche effektiven Beeinträchtigungen, die ausdrücklich längst nicht immer auch mit gesundheitlichen Behinderungen zu tun haben. Der eine läuft Marathons und möchte für wichtigere Wettbewerbe auch mal einen zusätzlichen freien Tage haben, dann kommen alleinerziehende Mütter und Väter, die sich Anpassungen der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit wünschen, hier jemand mit Hörgerät (seltsamerweise scheint das weit mehr als Behinderung wahrgenommen zu werden als Sehhilfen), dort eine Gehbehinderung usw. usw.

Deine Frage würde ich wie gesagt maximal fürs eigene Verständnis und ggf. auch für etwiges späteres Handeln (Unterstützung durch IFD o.ä.) unter vier Augen stellen, aber gewiss nie in einem Vorstellungsgespräch.

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 11:37 (vor 827 Tagen) @ Scheeks

Danke! Es geht aber darum, dass ich als stv. SBV mit dieser Frage, die meine vorgesetzte SBV immer und generell jedem schwerbehinderten Bewerber direkt im Vorstellungsgespräch stellt, nicht einverstanden bin und erst kürzlich persönlich davon betroffen war. Ich suche jetzt Rechtsgrundlagen bzw. eine Einschätzung, ob dies überhaupt so zulässig ist. Und was die Folgen für das Auswahlverfahren sein könnten.

Fragerecht Sonderfall

WoBi, Thursday, 13.01.2022, 12:14 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Hallo DSBV,

die Rechtsgrundlage ist in § 178 Abs. 1 SGB IX mit "Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie
1. darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen ..." zu finden.
Die SBV muss nicht alle geltende Gesetze, Verordnungen, ... anwenden, sondern nur die zugunsten von behinderten Menschen. Die SBV kann mit "Scheuklappen" arbeiten.
Diese "Einseitigkeit" ist auch für andere Interessensvertretungen im BetrVG und den Personalvertretungsgesetzen vergleichbar geregelt. Wie haben die Interessen der (schwer-)behinderten Beschäftigten und Bewerber sind nach dem AGG Beschäftigte, zu vertreten.

Die Beantwortung dieser Frage könnte zu Einstellungshemmnisse / -vorbehalte führen.;-)
Es ist die "verkorkste Frage" zum falschen Zeitpunkt, ob der Bewerber z.B. eine besondere Ausstattung / Hilfsmittel zur Arbeitserfüllung benötigt, nachdem die Einstellungsentscheidung getroffen worden ist.

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Gruß
Wolfgang

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 12:34 (vor 827 Tagen) @ WoBi

Hallo Wolfgang, danke auch für deine Antwort!
Jetzt frage ich mich ob die SBV mit Scheuklappen arbeiten KANN oder nicht eher sogar MUSS.
Sicher ist, dass es nicht Aufgabe der SBV ist, Informationen für den AG herauszufinden, die zu einer Entscheidung zuungunsten eines schwerbehinderten Bewerbers herbeiführen könnten. So wie ich das verstehe, ist die SBV den Interessen des AG nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß verpflichtet.
Die Frage ist aber immer noch, was daraus folgen könnte. Wenn es hier irgendwas Einschlägiges nachzulesen gäbe, konnte ich zum AG sagen: Schaut her, da ist gewaltig was schief gelaufen, jetzt überlegt euch mal was, wie wir das heilen und in Zukunft verhindern können.

Fragerecht Sonderfall

Scheeks, im MTK, Thursday, 13.01.2022, 13:36 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Hallo nochmal kurz, die Umstände zu einer Frage hattest du eingangs nicht erwähnt. Wie du siehst, ist sowas oft wichtig.
Und die SBV ist definitiv nicht die/der Vorgesetzte ihrer/seiner Stellvertretung(en)!

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 13:39 (vor 827 Tagen) @ Scheeks

Das ist mir schon klar. Ich habe diese Frage im Vertretungsfall auch nie gestellt. Fraglich ist aber, ob die Frage alleine eine Diskriminierung auslöst. Ich war nämlich kürzlich selbst als Bewerber mit ihr konfrontiert...

Fragerecht Sonderfall

garda, Berlin, Monday, 17.01.2022, 11:48 (vor 823 Tagen) @ DSBV

Das ist mir schon klar. Ich habe diese Frage im Vertretungsfall auch nie gestellt. Fraglich ist aber, ob die Frage alleine eine Diskriminierung auslöst. Ich war nämlich kürzlich selbst als Bewerber mit ihr konfrontiert...

Hallo,

eine Diskriminierung sehe ich hier nicht.

Im Einzelfall(!) sehe ich hier durchaus die Chance mit einer gezielten Frage, nicht so allgemein wie es hier im Raum steht, dem Bewerbenden eine Chance zu geben wenn gewisse Zweifel auf Seiten der Auswahlkommission bestehen. Dazu gehört aber viel Fingerspitzengefühl.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 12:45 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Ich habe noch mal nachgedacht und sehe in der Frage an sich inzwischen eine klare Diskriminierung.
Denn, nicht behinderte Bewerber werden ja im Vorstellungsgespräch auch nicht gefragt: "Gibt es dauerhafte oder vorübergehende Umstände, die die Erfüllung der Arbeitsleistung behindern oder verringern könnten?"
Denke ich da richtig?

Fragerecht Sonderfall

Scheeks, im MTK, Thursday, 13.01.2022, 13:38 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Ich habe noch mal nachgedacht und sehe in der Frage an sich inzwischen eine klare Diskriminierung.
Denn, nicht behinderte Bewerber werden ja im Vorstellungsgespräch auch nicht gefragt: "Gibt es dauerhafte oder vorübergehende Umstände, die die Erfüllung der Arbeitsleistung behindern oder verringern könnten?"
Denke ich da richtig?

Zumindest sehe ich das sehr ähnlich wie du und habe in der anderen Antwort ja bereits in diese Richtung "argumentiert" ;-)
Ob die große Keule namens "Diskriminierung" hier angebracht ist oder nicht, weiß ich jedoch auch nicht so genau.

Fragerecht Sonderfall

WoBi, Thursday, 13.01.2022, 14:22 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Hallo DSBV,

beachte bei der aufgeworfenen Fragestellung, dass es sich hierbei um einen öffentlichen Arbeitgeber (Landesbehörde) handelt und dieser nach § 165 Satz 3 SGB IX eine Verpflichtung zur Ladung zu einem Vorstellungsgespräch hat, um die Einstellungschancen von (schwer-)behinderten Menschen zu verbessern. Nebenbei ist Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Im Rahmen der Bestenauslese ist die gestellte Frage der SBV nicht förderlich.
Die SBV ist eine gewählte unabhängige und weisungsfreie Interessensvertretung und kein verlängerter Arm des Arbeitgebers. Die "enge Zusammenarbeit" nach § 182 SGB IX ist eine Arbeitsmethode und kein Verhaltensmuster. Es ist die Zielsetzung "arbeiten zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb oder der Dienststelle eng zusammen" zu beachten.

Ein Nichtbehinderter kann nicht wegen dem Merkmal Behinderung aus § 1 i.V.m. § 7 AGG diskriminiert/benachteiligt werden.:-P

--
Gruß
Wolfgang

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 12:48 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Und was sich anschließen lässt: ist es Aufgabe des AG, unzulässige Fragen der SBV zu unterbinden?

Fragerecht Sonderfall

Hotte, Stuttgart, Thursday, 13.01.2022, 14:02 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Und was sich anschließen lässt: ist es Aufgabe des AG, unzulässige Fragen der SBV zu unterbinden?

Hey
als stell. SBV sollte dir eigentlich bekannt sein, das die SBV unabhängig arbeit und der AG nicht irgendwelche Weisungen erteilen kann
VG
Hotte

--
Richard v. Weizsäcker:
"Nicht Behindert zusein,ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jeder Zeit genommen werden kann."

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 14:33 (vor 827 Tagen) @ Hotte

Das ist mir schon klar. Aber es handelt sich ja hier um den Sonderfall, dass sich die SBV unter Umständen selbst diskriminierend verhält. Also Bock wird zum Gärtner. Meine Recherchen ergaben aber, dass das nicht der Sphäre des AG zuzurechnen ist. Weil SBV eben unabhängig ist. Interne Absprachen vorausgesetzt, kann das natürlich einen Freibrief für allerhand Sauereien darstellen. Theoretisch könnte die SBV damit einen Bewerber durch allerlei Faxen völlig aus dem Konzept bringen und ihn so abschießen. Und zwar völlig ohne Konsequenzen, wenn es nicht ins Strafrecht geht. Die SBV könnte dann fragen, ob man schwanger ist, welcher Partei man nahesteht, ob man in der Nase bohrt usw. Natürlich muss man auf solche Fragen nicht antworten. Aber das Vorstellungsgespräch ist versaut.

Fragerecht Sonderfall

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 13.01.2022, 15:10 (vor 827 Tagen) @ DSBV

Hallo,

auch wenn ich selbst diese Frage so nicht stellen würde, sondern die Angelegenheit mit einem/einer Bewerber*in im Vorfeld klären würde, hat eine SBV in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben doch einen sehr weiten Ermessensspielraum.
Da es sowieso keine wirklichen Sanktionsmöglichkeiten gibt, ist die Frage einer wie auch immer gearteten Untersagung müßig.

--
&Tschüß

Wolfgang

Fragerecht Sonderfall

DSBV, München, Thursday, 13.01.2022, 15:37 (vor 827 Tagen) @ albarracin

Danke, Genau das wollte ich wissen.

Fragerecht Sonderfall

Cebulon, Monday, 17.01.2022, 16:09 (vor 823 Tagen) @ DSBV

Also ohne auf konkrete Anforderungen der ausgeschrieben Position abzuheben?

Auch SBV darf sachdienliche Fragen stellen lt. Rspr. Dazu zählt zB, wenn Fragen bezogen auf den konkret ausgeschriebenen Dienstposten gestellt werden.

Gruß,
Cebulon

Fragerecht Sonderfall

Hendrik1, Niedersachsen, Monday, 17.01.2022, 20:31 (vor 822 Tagen) @ Cebulon

Moin Moin cebulon,

oder wenn wir im Einzelfall begründete Sorgen haben, ob es bei Besetzung der Stelle mit einem Schwerbehinderten aufgrund der uns bekannten Gesundheitsstörungen zu Gefährdungen anderer kommen kann.
Z.B. habe ich bei einem Epileptiker die Frage gestellt, ob er - da für die Stelle KFZ und E-Lok-Fahrtüchitgkeit beschrieben war, ob er diese beruflich fahren darf, was er bejaht hat.


Liebe Grüße

Hendrik.

Fragerecht Sonderfall

GerdS, Hessen, Thursday, 20.01.2022, 14:32 (vor 820 Tagen) @ DSBV

Hallo,

ich weiß nicht genau wo ich das gefunden habe, möchte es aber mal so wiedergeben:
Der Arbeitgeber darf zwar bei der Einstellung (konkret) danach fragen, ob der Bewerber an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leidet, durch die er zur Verrichtung der beabsichtigten vertraglichen Tätigkeit ungeeignet ist (LAG Hamm, Urteil vom 19. Oktober 2006 – 15 S 740/06, zit. nach JURIS; Düwell BB 2006, 17414 [1743]) bzw. ob sich die Beeinträchtigungen konkret nachteilig auf die zu verrichtende Tätigkeit auswirken, so dass der Bewerber die Anforderungen des Arbeitsplatzes ganz oder teilweise nicht erfüllen kann. In diesem Fall ist auch gem. § 8 Abs. 1 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen der in § 1 AGG genannten Behinderung zulässig (Schmidt Schwb-ArbR Rn. 124). Im Übrigen hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, bei unzureichender Arbeitsleistung während der Probezeit zu kündigen (BAG Urteil vom 14. Januar 2008 – 6 AZR 96/07 = NZA-BR 2008,405).

Die (abstrakte) Frage nach der Schwerbehinderung oder Gleichstellung im Bewerbungsverfahren ist dagegen unzulässig, da die Eigenschaft als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter kein zulässiges Einstellungskriterium ist (§ 7 AGG).

Die unzulässige Frage muss vom Bewerber nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Als SBV selber würde ich nie fragen. Ich wurde aber schon vom Arbeitgeber bzw. dessen Amtsleitern vor Vorstellungsgesprächen gefragt, was sie fragen dürfen. Sie wurden von mir dsbzgl. entsprechend sensibilisiert.

--
Viele Grüße
Gerd

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