Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum BEM bei Minderjährigen Azubis (BEM)

YG, Tuesday, 05.07.2022, 15:42 (vor 660 Tagen)

Hallo!

Ich habe in unserem Betrieb die Dienstvereinbarung zum BEM mit erstellt :-) .
Die Einwilligung zum BEM unterschreibt bei uns bislang nur der BEM-Berechtigte. Von unserer Ausbildungsleitung kam nun der Hinweis bzw. die Frage, ob der gesetzliche Vertreter (also die Eltern)nicht auch zustimmen müsse.
Im §167 SGBIX steht zumindest "Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen."

Aus Kommentaren in Gesetzesbüchern und im Netz ist nirgends eindeutig die Situation erläutert, wie es sich bei Minderjährigen mit der Zustimmung zum BEM und die oben zitierte Aufklärung in Bezug auf die gesetzlichen Vertreter verhält.
Hat hier im Forum jemand Erfahrungswerte bzw. Antworten auf meine Fragen:
Muss der gesetzliche Vertreter (Eltern) bei minderjährigen Azubis dem BEM zustimmen, damit es stattfinden darf?
Ist der gesetzliche Vertreter (Eltern) bei minderjährigen Azubis über das BEM ihres Kindes vorab aufzuklären?
Hat das jemand in Ihre Formulare zum BEM aufgenommen?

Über konstruktiven Input freue ich mich, es würde mir sehr helfen Licht ins Dunkel zu bringen.
Vielen Dank :-) .

Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum BEM bei Minderjährigen Azubis

bifavi, Hessen, Wednesday, 06.07.2022, 08:10 (vor 660 Tagen) @ YG

Guten Morgen,

also ich habe diese Verweise für Dich gefunden.

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement setzt nach Abs. 2 Satz 1 die – zumindest aus Beweisgründen auch schriftlich einzuholende – Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers voraus. Dies ist eine höchstpersönliche Erklärung, die nur der Betroffene selbst und im Falle der Geschäftsunfähigkeit sein Vertreter abgeben kann (LPK-SGB IX/Düwell, 5. Aufl. 2019, SGB IX § 167 Rn. 66).

Knittel, SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, § 167 SGB IX, Rn. 139

Bei der Einholung der Zustimmung ist die betroffene Person – bzw. bei Minderjährigen der gesetzliche Vertreter – zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements hinzuweisen (Abs. 2 Satz 3).

Knittel, SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, § 167 SGB IX, Rn. 145

Also ich würde mal sagen, wen ein gesetzlicher Vertreter auf den Ausbildungsvertrag unterschieben hat, so muss der gesetzliche Vertreter auch dem BEM zustimmen.

LG
Bifavi

Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum BEM bei Minderjährigen Azubis

YG, Friday, 29.07.2022, 07:39 (vor 637 Tagen) @ bifavi

Hallo Bifavi,

vielen Dank für Deine Antwort.
Ganz schön knifflige Angelegenheit, finde ich.

Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum BEM bei Minderjährigen Azubis

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 06.07.2022, 16:13 (vor 659 Tagen) @ YG

Hallo,

in der neuesten, 6. Auflage des LPK-SGB IX ist der Abschnitt zur Zustimmungspflicht etwas nach hinten gerutscht und umformuliert, er findet sich jetzt in der Rn 71.

Dabei geht allerdings der von Bifavi zitierte Begriff der "Geschäftsunfähigkeit" etwas in die Irre, weil "geschäftsunfähig" iSd § 104 BGB ist man nur unterhalb des Lebensalters von 7 Jahren, sofern nicht durch "krankhafte Störung der Geisteskraft" eine Unfähigkeit besteht.

Ab dem Alter von 7 Jahren bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ist man gem. § 106 BGB "beschränkt geschäftsfähig".

Düwell in LPK-SGB IX, 6. Aufl., § 167 Rn 71 beschreibt die notwendige Einwilligung zum BEM als "rechtsgeschäftsähnliche Willenserklärung" und schreibt dazu weiter:
"Nach allgemeiner Ansicht finden auf derartige rechtsgeschäftsähnliche Willenserklärungen die für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung, soweit dies mit dem Inhalt der geschäftsähnlichen Handlung und dem Zweck der jeweiligen Regelung vereinbar ist."

Zu diesen Bestimmungen für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen gehört bei Minderjährigen auch der § 113 BGB:
https://dejure.org/gesetze/BGB/113.html
Dieser begründet für das Arbeitsverhältnis eines Minderjährigen eine volle Geschäftsfähigkeit für alle Angelegenheiten, die mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, wenn der Vertrag durch den/die gesetzlichen Vertreter unterzeichnet wurde.
In diesem Fall ist dann mE § 113 BGB so auszulegen, daß für die Durchführung eines BEM bei einem Minderjährigen AN bzw. Azubi keine Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters eingeholt werden muß, sondern der Minderjährige alleine entscheiden kann.

--
&Tschüß

Wolfgang

Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum BEM bei Minderjährigen Azubis

YG, Friday, 29.07.2022, 07:37 (vor 637 Tagen) @ albarracin

Hallo Wolfgang,

vielen Dank für die Antwort.

RSS-Feed dieser Diskussion