Bei Insolvenz Kündigungsschutz nach wahlen (Allgemeines)

Tersane, Tuesday, 18.10.2022, 19:24 (vor 555 Tagen)

Hallo Zusammen,
ich hätte eine frage bei uns sind nächste Woche SBV Wahlen. Seit über 12 Jahren bin Stellvertreter von SBV. Ich habe mich für diese Wahlen wieder aufstellen lassen. Leider ist unsere Betrieb seit gestern Insolvent, es wird zwar weiter gehen aber es werden auch Leute entlassen. Wie ist es mit Kündigungsschutz für Stellvertretung. Ich bedanke mich für die Infos.

Lg
Bülent

Bei Insolvenz Kündigungsschutz nach wahlen

WoBi, Wednesday, 19.10.2022, 11:15 (vor 554 Tagen) @ Tersane

Hallo Tersane,

hier gelten die gleichen Regelungen wie für Ersatzmitglieder des Betriebsrates.

Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besteht für Ersatzmitglieder des Betriebsrats nur so lange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied des Betriebsrats vertreten.
Der nachwirkende Kündigungsschutz für ein Ersatzmitglied des Betriebsrats tritt ein, wenn es in der Vertretungszeit Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat.

Dies ergibt sich aus § 179 Abs. 3 SGB IX mit:
"(3) Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz, wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 178 Absatz 1 Satz 4 und 5 die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson, im Übrigen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der in Satz 1 genannten Vertretungen."

Für die Fragestellung ist es § 179 Abs. 3 Satz 2 SGB IX.

Als aktueller Kandidat zur SBV-Wahl kommt § 15 Abs. 3a KSchG zusätzlich zur Anwendung.

Der Zeitpunkt einer möglichen Kündigungsmaßnahme ergibt sich aus § 15 Abs. 4 KSchG und die mögliche Weiterbeschäftigung aus § 15 Abs. 5 KSchG.

Wobei ein (unvernünftiger) Arbeitgeber so oft und wann auch immer kündigen kann. Es kommt darauf an, ob eine Kündigung rechtsgültig ist. Eine noch so fehlerhafte Kündigung wird nach 21 Tagen rechtsgültig, wenn die Kündigung nicht vor dem Arbeitsgericht in dieser Zeit angegriffen wird.

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Gruß
Wolfgang

Bei Insolvenz Kündigungsschutz nach wahlen

Tersane, Wednesday, 19.10.2022, 11:56 (vor 554 Tagen) @ WoBi

Danke erstmal ich habe mich auch selber ein bisschen Schlau gemacht.


Die ordentliche Kündigung eines Mitglieds des Wahlvorstands ist daher vom Zeitpunkt seiner Bestellung beziehungsweise Wahl an bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig.
Derselbe Kündigungsschutz gilt gemäß §§ 177 Abs. 6 S.2 SGB IX, 15 Abs. 3 S.1 KSchG für einen Wahlbewerber vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Der Kündigungsschutz beginnt dabei schon, sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt ist und für diesen Wahlbewerber ein Wahlvorschlag vorliegt, der die erforderliche Mindestzahl von Unterschriften gemäß § 6 Abs. 2 SchwbVWO aufweist. Der Wahlvorschlag braucht noch nicht beim Wahlvorstand eingereicht worden zu sein.

Bei Insolvenz Kündigungsschutz nach wahlen

WoBi, Wednesday, 19.10.2022, 15:36 (vor 554 Tagen) @ Tersane

Hallo Tersane,

die Aussagen sind "grundsätzlich" richtig. Aber bei einer Insolvenz / Betriebsaufgabe fallen die "geschützten" Personen in die letzte Gruppe, die den Betrieb verlassen und eine ordentliche Kündigung (ggf. mit verkürzter Kündigungsfrist) ist möglich.

Meldet ein Betrieb Insolvenz an, so bestimmt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter. Dieser übernimmt die Kontrolle über den laufenden Betrieb, hat die Verfügungsbefugnis und die Finanzhoheit. Meistens endet das Insolvenzverfahren mit der Abwicklung / Liquidierung des Betriebes und damit mit dem Arbeitsplatzverlust der Beschäftigten durch Betriebsstilllegung.
Ggf. je nach wirtschaftlicher Situation und Auftragslage kann ein Betrieb auch gerettet werden.
Der Gesetzgeber hat zusätzlich das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eingeführt. Es ist eine Sonderregelung der Insolvenz, die es der Geschäftsführung ermöglicht, den Betrieb zu sanieren und nicht abzuwickeln, also keine Betriebsschließung / Betriebsstilllegung, als Ziel hat.

Nach Fitting ist eine Betriebsstilllegung die endgültige „Aufgabe des Betriebszwecks und damit die Auflösung der zu diesem Zweck geschaffenen Betriebsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für eine nicht nur vorübergehende, zeitlich noch unbestimmte Dauer aufgrund eines ernstlichen Willensentschlusses des Arbeitgebers“.

Im Praxiskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz von Siebert/Becker zu § 103 BetrVG steht dazu:
"Das heißt, dass ein Arbeitgeber seine Betriebsräte nicht dadurch loswerden kann, dass er für sechs Wochen zumacht, also einen längeren Betriebsurlaub durchführt, vorher der Belegschaft kündigt und hinterher eine neue einstellt. Das wäre eine Scheinstilllegung. Die Kündigungen nicht nur der Betriebsratsmitglieder wären in diesem Fall rechtsunwirksam. Das Gleiche gilt, wenn vor einem Verkauf des Betriebs die alte Belegschaft entlassen würde und der neue Arbeitgeber sie größtenteils bis auf die Betriebsratsmitglieder wieder einstellte. Dann wären die Kündigungen ebenfalls rechtsunwirksam.
Nur wenn der Betrieb endgültig geschlossen wird, ist die ordentliche Kündigung der Betriebsratsmitglieder möglich."

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Gruß
Wolfgang

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