Informationspflicht durch Arbeitgeber (Allgemeines)

Tosa-SBV, Monday, 29.07.2024, 14:31 (vor 51 Tagen)

Hallo Community!

Ich habe eine Frage zu §178, Abs2,SGB IX:
"Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten​​..."

Gibt es irgendwo eine genauere Aufschlüsselung, welche Angelegenheiten damit genau gemeint sind?

Hintergrund:
Ich möchte (als SBV) demnächst ein Gespräch mit dem Arbeitgeber vereinbaren, da ich der Meinung bin nicht zu allen Besprechungen eingeladen ​ zu werden und dadurch zu wenige Informationen zu bekommen.

Unstrittig und eingeladen werde ich zu:
BR- und BRA-Sitzungen, Monatsgespräche, Vorstellungsgespräche und BEM (sobald ein Schwerbehinderter oder Gleichgestellter Mensch betroffen ist), ASA-Sitzungen, Wirtschaftsausschuss

Strittige Teilnahme sind:
- Baubesprechungen (Umbau, Neubau, Renovierungen)
- Betriebsbegehungen
- SOS-Begehungen
- Arbeitssicherheits-Begehungen
- Informelle Arbeitsgruppen zu einem bestimmten Thema.
(Der Arbeitgeber möchte im Betrieb eine neue Abteilung einrichten. An dieser Arbeitsgruppe nimmt auch der Betriebsrat und mehrere Abteilungsleiter von verschiedenen Abteilungen teil. Der AG sagt die Arbeitsgruppe ist informell und der BR ist nur aus Freundlichkeit/Wohlwollen dabei. Die SBV sieht er aber nicht dabei. Ich habe gefunden, dass es kein Teilnahmerecht der SBV an informellen Gesprächen zwischen BR und AG gibt, wie zB. beim Jour Fix zwischen BR und AG. Aber bis wann sind Gespräche/Arbeitsgruppen informell, welchen Spielraum hat der Arbeitgeber? Ist damit nur der Jour Fix zwischen AG und BR gemeint oder entscheidet der AG das selbst?)

Also zusammenfassend noch mal die Frage: Wo ist die SBV dabei, wo nicht?

Ich bin gespannt auf eure Antworten!

Danke und Gruß

Informationspflicht durch Arbeitgeber

WoBi, Monday, 29.07.2024, 21:09 (vor 51 Tagen) @ Tosa-SBV

Hallo,

was ist an "in allen Angelegenheiten" nicht definiert? Es obliegt nicht dem Arbeitgeber festzulegen was die SBV für erforderlich halten könnte, um umfassend informiert zu werden. Der Arbeitgeber hat = muss bei mittelbarer oder unmittelbarer Betroffenheit von Menschen mit Behinderung die SBV informieren.

Baubesprechungen sind bezüglich Barrierefreiheit und zur Umsetzung von "angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung" nach der UN-BRK für die Beschäftigten mit Behinderung von Bedeutung. Auch zukünftige Beschäftigte mit Behinderungen sind unmittelbar von den Maßnahmen betroffen.

Begehungen zur Arbeitssicherheit, wie immer sie auch benannt werden, sind Aufgabenteil des Arbeitsschutzausschusses und werden dort festgelegt. Die Teilnahme der SBV am Arbeitsschutzausschuss ist gesetzlich geregelt.

Bei "Informelle Arbeitsgruppen" stellt sich die Frage, wer vom Betriebsrat an diesen Gespräch teilnimmt. Hier ist die besondere Funktion des BR-Vorsitzenden als "empfangsberechtigte Person" für Mitteilungen an den Arbeitgeber und die des "Sprachrohres" des BR-Gremiums zu berücksichtigen.
Sobald der BR-Vorsitzende durch den Arbeitgeber unterrichtet wird, hat die SBV ebenfalls ein Anrecht nach § 178 Abs. 2 SGB IX.

Sicher könnten einzelne BR-Mitglieder ohne Sonderfunktion z.B. in eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Betriebsvereinbarung entsendet werden. Diese BR-Mitglieder sind gegenüber dem Gremium und damit auch der SBV berichtspflichtig. Aber ein Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist nur durch das Votum des BR-Gremiums möglich und damit mit SBV-Beteiligung.
Die SBV ist überall dort mit dabei, wenn der Arbeitgeber den BR-Gremium, ggf. über den BR-Vorsitz, Informationen bereitstellt und die SBV ihre Aufgabe nach § 178 Abs. 1 SGB IX zu erfüllen hat.

"Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden, …"

--
Gruß
Wolfgang

Informationspflicht durch Arbeitgeber

Cebulon, Tuesday, 30.07.2024, 15:11 (vor 50 Tagen) @ Tosa-SBV

Begehungen zur Arbeitssicherheit, wie immer sie auch benannt werden, sind Aufgabenteil des Arbeitsschutzausschusses und werden dort festgelegt. Die Teilnahme der SBV am Arbeitsschutzausschuss ist gesetzlich geregelt.

Eine gesetzliche Norm gibt es m.W. nicht, wonach SBV das Recht hätte, an gemeinsamen Betriebsbegehungen teilzunehmen. Es könnte aber bspw per ASA-Beschluss oder ASA-Geschäftsordnung, Inklusionsvereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Richtlinie festgelegt werden, wie das vielerorts praktiziert und empfohlen wird bspw. auch von BIH in ZB 2/2021 zu „Betriebsbegehungen“.

Gruß,
Cebulon

Informationspflicht durch Arbeitgeber

WoBi, Tuesday, 06.08.2024, 12:46 (vor 43 Tagen) @ Cebulon

Hallo Cebulon,

steht bei uns in der Betriebsvereinbarung zur Inklusion mit:
"Arbeitssicherheit / ASA
Bei Betriebs- und Arbeitsplatzbegehungen werden die Mitarbeitervertretungen mit einbezogen. Verantwortlich ist die Fachkraft für Arbeitssicherheit, unter Einbeziehung der Führungskraft, der Schwerbehindertenvertretung, des Betriebsrats, der Betriebsärztin bzw. des Betriebsarztes und der bzw. des Sicherheitsbeauftragten.
Die Protokolle werden den Beteiligten zur Verfügung gestellt."

Die SBV sollte wegen der Offenbarung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht nur bei der Begehung von Beschäftigten mit Behinderung teilnehmen. Sonst könnten diese Beschäftigte sich gleich ein Schild mit Hinweis auf ihre unsichtbare Behinderung um den Hals hängen.

--
Gruß
Wolfgang

Informationspflicht durch Arbeitgeber

sbv-nl-west, NRW, Wednesday, 07.08.2024, 08:32 (vor 43 Tagen) @ WoBi

Moin Wolfgang,

wie bei uns, der Arbeitgeber hatte bestimmt keine Lust, in Federführung mit der SBV, die Betriebsbegehung zu wiederholen, da...

Der Betriebsrat ist bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen des Betriebs nach § 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hinzuzuziehen. Seine Überwachungsaufgabe aus § 80 Abs. 1 BetrVG gibt ihm darüber hinaus jederzeit das Recht, eine Betriebsbegehung durchzuführen.

Eine entsprechende gesetzliche Regelung für die SBV fehlt. Allerdings muss auch die SBV nach § 178 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX darüber wachen, dass die zugunsten schwerbehinderter und ihnen gleichgestellten Menschen geltenden Gesetze und Verordnungen eingehalten werden, zum Beispiel § 3a Abs. 2 ArbStättVerordnung. Vor diesem Hintergrund hat auch die SBV das Recht, eine Betriebsbegehung durchzuführen. Die Amtstätigkeit der SBV erfordert weiterhin ebenfalls die Hinzuziehung bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung im Zusammenhang stehenden Betriebsbesichtigungen.

Sprich mit den selben Akteuren, wie der Betriebsrat auch. Das macht man dann ein bis zweimal zeitlich versetzt nach dem Betriebsrat und ich glaube der Arbeitgeber lädt dann direkt mit ein.

--
Liebe Grüße

sbv-nl-west

Informationspflicht durch Arbeitgeber

Kasandra, Tuesday, 30.07.2024, 19:14 (vor 50 Tagen) @ Tosa-SBV

Hallo Tosa,

ein wichtiger Punkt der mir bei Dir fehlt ist der Personalausschuss.

Natürlich bist Du auch bei Bau-/ Umbau-Maßnahmen mit einzubeziehen.

Was sind S.O.S-Begehungen? Diesen Ausdruck kenne ich nicht.

Und ganz wichtig, Du bist auch als SBV bei Arbeitsplatzbegehungen einzuladen.

Beim BEM bestimmt der BEM-Berechtigte den Personenkreis, den er einladen möchte.

Viele Grüße,

Kasandra

Informationspflicht durch Arbeitgeber

Cebulon, Tuesday, 30.07.2024, 19:44 (vor 50 Tagen) @ Kasandra

Und ganz wichtig, Du bist auch als SBV bei Arbeitsplatzbegehungen einzuladen.

Hallo Kasandra,

wo hast Du das denn her?

Woraus folgt das zwingend? Gibt es denn dafür juristische Belege bzw. irgendwelche Nachweise, wonach generelles Teilnahmerecht – ohne dass konkreter Anlass vorliegt?

Rechtsgrundlage im ASiG und SGB IX für diese pauschale Ansicht zu der Einladung zu solchen gemeinsamen Betriebsbegehungen ist mir nicht bekannt, jedenfalls nicht für alle Beschäftigte.

Gruß,
Cebulon

Informationspflicht durch Arbeitgeber

Kasandra, Tuesday, 30.07.2024, 23:46 (vor 50 Tagen) @ Cebulon

Ganz klar, bei SV & GL im Bereich BEM und Arbeitsplatzanpassungen!

Es gibt ggf. Arbeitsplatzumrüstungen.

Dann ganz klar, ASI, Betriebsarzt, SVB, BR, Vorgesetzter, Betroffener und auch nach Bedarf. BG und Integrationsamt.

Entsprechend nach den Erforderissen. Auch HR-BP möchte ich nicht außen vor lassen!

Und natürlich bei jüngeren Betroffenen die entsprechenden Kostenträger, BG, DRV, AfA
. usw.
Viele Grüße,

Kasandra

Hinweis auf Crossposting

Cebulon, Wednesday, 31.07.2024, 14:33 (vor 49 Tagen) @ Scheeks

Hallo zusammen,

ausführlich Dr. Anja Georgi in Forum B15-2008 und Forum B16-2008 zur Rolle der SBV im ASA und bei Arbeitssicherheit (verdi), sowie FAQ in KomNet zur „Betriebsbegehung“, NRW 2014-2024: Weder Georgi noch KomNet-Experten gehen von einem generellen SBV-Teilnahmerecht an solchen Begehungen aus.

Eine SBV ist nicht gesetzliches Mitglied des ASA – soweit nicht anderweitig in dem Betrieb geregelt.
Aus § 178 Abs. 4 SGB IX lässt sich jedenfalls kein generelles Teilnahmerecht an diesen gemeinsamen Betriebsbegehungen für die SBV ableiten laut der Literatur, da es dort um ASA-Sitzungen, nicht um gemeinsame Betriebsbegehungen geht, nämlich „Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses“. Hätte Gesetzgeber was anderes gewollt, hätte er anders texten müssen bspw. wie für Betriebsrat, welcher zweifellos „Teilnahmerecht“ hat an Begehungen lt. Fachschrifttum.

Gruß,
Cebulon

Hinweis auf Crossposting

Tosa-SBV, Wednesday, 31.07.2024, 15:37 (vor 49 Tagen) @ Scheeks

Erst mal vielen Dank an Alle!!!

Das hat mir schon mal sehr viel weiter geholfen, insbesondere auch die Querverweise auf andere Quellen.

Das ich in mehreren Formen geschrieben habe liegt schlicht daran, dass ich eine breite Masse ansprechen wollte (mehr Köpfe = mehr Wissen so meine Überlegung). Falls das als unhöflich empfunden wurde bitte ich um Entschuldigung.

Gruß

Hinweis auf Crossposting

Cebulon, Wednesday, 31.07.2024, 16:00 (vor 49 Tagen) @ Tosa-SBV

Falls das als unhöflich empfunden wurde bitte ich um Entschuldigung.

Hallo Tosa,

ich halte es eigentlich nicht für unhöflich bei Zweifelsfragen wie hier eine „Zweitmeinung“ (zusätzlich) auch andernorts einzuholen …

Gruß,
Cebulon

Hinweis auf Crossposting

Scheeks, im MTK, Friday, 02.08.2024, 10:20 (vor 48 Tagen) @ Tosa-SBV

Das ich in mehreren Formen geschrieben habe liegt schlicht daran, dass ich eine breite Masse ansprechen wollte (mehr Köpfe = mehr Wissen so meine Überlegung). Falls das als unhöflich empfunden wurde bitte ich um Entschuldigung.


Hallo Tosa, Anfragen parallel zu stellen, ist völlig unproblematisch und deine Überlegung ist natürlich völlig sinnvoll :-)

Es gilt nur als höflich, dies auch zu erwähnen (und ggf. gegenseitig zu verlinken) - weil wie schon geschrieben oft in einem der Foren schon prima Lösungen oder zufriedenstellende Hinweise/Antworten kamen und sich die Helfer in den anderen Foren dann zurücklehnen können und nicht selten daraus auch noch das Eine oder Andere mitnehmen/lernen können :-)

Hinweis auf Crossposting

Phönix, NRW, Friday, 02.08.2024, 08:52 (vor 48 Tagen) @ Scheeks

Es bleibt doch wohl jedem selbst überlassen, wo er welche Frage stellt und keine Höflichkeit gebietet es mitzuteilen, wo man sonst noch die gleiche Frage eingestellt hat. Das geht keinem was an und es bleibt auch jedem überlassen, wann, wo und wie er eine Fragestellung beantwortet.

Gruß
Phönix

Hinweis auf Crossposting

Scheeks, im MTK, Friday, 02.08.2024, 10:28 (vor 48 Tagen) @ Phönix

Danke für deine Meinung hierzu.
Hab ich allerdings in den letzten Jahrzehnten anders gelernt und wahrgenommen: So eine Info ist sehr sinnvoll und durchaus höflich, weil Anfragen in jedem Forum unterschiedlich schnell gelesen und beantwortet werden - und sehr häufig in einem der Foren längst unfassend und erschöpfend beantwortet wurden, bevor in einem anderen Forum eventuelle Rückfragen gestellt und beantwortet wurden. Somit kommt die gegenseitige Verlinkung auch den Helfern in den anderen Foren zugute.

schönes WE auch dir :-)

Hinweis auf Crossposting

Cebulon, Friday, 02.08.2024, 15:00 (vor 47 Tagen) @ Scheeks

Zur Frage der SBV-Teilnahme an Betriebsbegehungen siehe auch die teilweise recht kontroverse Diskussion bspw. im BIH-Forum 2015.

ifb: Betriebsbegehungen als Basis:
„Machen Sie sich ein eigenes Bild von der jeweiligen Arbeitsplatzsituation vor Ort: In großen Betrieben oder im produzierenden Gewerbe sollten Sie – idealerweise mit dem Betriebsarzt, einem Mitglied des Ausschusses für Arbeitssicherheit oder einem Betriebsratskollegen – eine Betriebsbegehung durchführen. In kleineren Be­trieben genügt die gezielte Kontaktaufnahme mit den Kollegen.“

Im Gegensatz zum BetrVG zur Hinzuziehung des Betriebsrats zu Betriebsbegehungen gibt es keine entsprechende Norm im SGB IX für die SBV, also insoweit keine (gesetzliche) Rechtsgrundlage zur Hinzuziehung, vgl. § 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wie_ folgt: „… den Betriebsrat bei allen Besichtigungen hinzuzuziehen“.

Gruß,
Cebulon

RSS-Feed dieser Diskussion