Fragen zur Prüfpflicht (Allgemeines)

Karin73, Im Norden, Friday, 06.09.2024, 16:45 (vor 248 Tagen)

Hallo ,
Im Rahmen der Prüfpflicht habe ich einen bereits internen Schwerbehinderten Kollegen für eine frei werdende Stelle vorgeschlagen.
Dieses habe ich natürlich mit dem SbM im Vorwege besprochen.
Jetzt habe ich von der Dienststelle per Mail erfahren das der SbM zwar die Voraussetzungen erfüllt aber man ihn für nicht geeignet hält und die Stelle nun extern veröffentlicht wird.
Frage 1: kann ich zu der Entscheidung nochmal Stellung nehmen, oder macht das keinen Sinn?
Frage 2: muss seitens der Dienststelle jemand mit dem SbM sprechen und die Entscheidung mitteilen oder ist das jetzt meine Aufgabe?
Frage3: ist die Prüfpflicht mit der Mail an die SBV jetzt abgeschlossen?

Viele Grüße Karin

Fragen zur Prüfpflicht

Kasandra, Friday, 06.09.2024, 21:59 (vor 247 Tagen) @ Karin73

Hallo Karin,

ich kenne mich im PR-Recht / Beamtenrecht nicht aus, aber ich hätte folgende Fragen:

1. Der Bewerber wäre nach Qualifikation geeignet - so wie ich es aus Deiner Formulierung lese.

Mit welcher Begründung wird er dann aber abgelehnt???

2. Fehlt noch eine Qualifikation, dann muss der AG dafür sorgen, dass er diese erlangt.

Fordere vom AG eine detailierte Begründung für sein Vorgehen und Ablehnung ein.

Eine sogn. Prüfpflicht ist mir nicht bekannt, aber ich lerne sehr gerne dazu.

Viele Grüße,

Kasandra

Fragen zur Prüfpflicht

Karin73, Im Norden, Friday, 06.09.2024, 22:38 (vor 247 Tagen) @ Kasandra

Das ist die Prufpflicht nach §164 Abs.1 SGB IX

Fragen zur Prüfpflicht

Kasandra, Friday, 06.09.2024, 23:44 (vor 247 Tagen) @ Karin73

Hallo Karin,

danke für den § - denn den Ausdruck "Prüfplicht" kannte ich so nicht.
Jetzt wird mir einiges klarer.

Wenn es geeignete Bewerber gibt - intern - sollte man das Gesetz vollumfänglich ausschöpfen!

Fehlt eine Qualifikation, dann hat der AG diese den AN zu genehmigen in der Erlangung.

Ist der Arbeitsplatz (AP) zu verändern, dann gibt es die Unterstützung durch den Integrationsfachdienst.

Sind die internen Bewerber entsprechend zu qualifizieren und der AP umrüstbar, warum soll dann eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?

Leider wird es immer noch so gesehen: Wir haben "Behindis" - die machen ihren Job!

So nice, aber diese "Behindis" sind sehr leistungsfähig, haben tatsächlich oft wenige AU-Zeiten und möchten sehr gerne auch beruflich die Entgeltstufen höher steigen und Karriere machen.

Die sind leistungsbereit und fähig! Leider verstehen dies häufig nicht die Vorgesetzten!
Und auch nicht zu vergessen, sie kennen die Organisation / Firma und Abläufe!

Stelle Dich auf die Hinterfüße.

Viele Grüße,

Kasandra

Fragen zur Prüfpflicht

WoBi, Monday, 09.09.2024, 09:39 (vor 245 Tagen) @ Kasandra

Hallo Kasandra,

bei der "Prüfpflicht" nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX handelt es sich um eine Verpflichtung des Arbeitgebers bereits vor einer Stellenausschreibung. In § 164 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist mit "Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Absatz 2 und hören die in § 176 genannten Vertretungen an." für uns, als gewählte Interessensvertretungen, die zwingende Unterrichtung und Anhörung vorgegeben.
Das kann der Arbeitgeber nicht "im stillen Kämmerlein" vereinfacht durchführen. Wenn er es überhaupt durchführt, um die Rechte der Beschäftigte mit Behinderung nach § 164 Abs. 4 SGB IX umzusetzen und seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Über die Suche: (oben rechts) und der Eingabe von "Prüfpflicht" kann einiges dazu gefunden werden.
So z.B. ein älterer Beitrag von mir: https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=23480

Das mit der "Prüfpflicht" war bereits vor der Umnummerierung des SGB IX in § 81 Abs. 1 a.F. SGB IX ein Thema im Forum.

--
Gruß
Wolfgang

Fragen zur Prüfpflicht

Phönix, NRW, Saturday, 07.09.2024, 02:13 (vor 247 Tagen) @ Karin73

Bei der Auswahl bist du als SBV zu beteiligen und es gehört zu deinen Aufgaben Einfluss auf die Meinungsbildung des Dienstgebers zu nehmen, es ist dein Recht angehört zu werden und erst danach darf dieser entscheiden. Zu diesem Zweck findet bei uns ein Auswertungsgespräch zwischen Dienstgeber und SBV statt, alle Argumente werden ausgetauscht und erst wenn die SBV keine Einwände mehr hat, wird entschieden.

Bedenken hinsichtlich der Eignung eines Bewerbers können demnach nur vor der Entscheidung erfolgen und bei dir wirkt es so, als habe man dir die Bedenken erst nach der Entscheidung mitgeteilt.

In diesem Fall ist es deine Pflicht die Entscheidung des Dienstgebers, den Bewerber nicht zu nehmen, auszusetzen. Ebenso ist es deine Pflicht die Entscheidung des Dienstgebers, die Stelle öffentlich auszuschreiben, auszusetzen.

Ein Aussetzen ist aber nur möglich, wenn die Entscheidung noch nicht vollzogen wurde. In deinem Fall darf der Bewerber noch keine Absage erhalten haben und die neue Ausschreibung darf noch nicht erfolgt sein. Ansonsten bleibt nur die gerichtliche Feststellung, dass der Dienstgeber Gesetze missachtet hat und für den Bewerber der Anspruch auf Entschädigung, welche er aber selbst geltend machen muss.

Die Prüfpflicht endet entweder mit der Feststellung, dass es keinen geeigneten Bewerber mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung gibt (wenn also kein Vorschlag von SBV oder Arbeitsagentur erfolgt) oder mit der Einstellung eines geeigneten Bewerbers mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung.

Und nein, die SBV ist kein Postbote für schlechte Nachrichten, dass ist die Aufgabe des Dienstgebers!

Gruß
Siggi

Fragen zur Prüfpflicht

Kasandra, Monday, 09.09.2024, 21:47 (vor 244 Tagen) @ Karin73

Hallo ,
Im Rahmen der Prüfpflicht habe ich einen bereits internen Schwerbehinderten Kollegen für eine frei werdende Stelle vorgeschlagen.
Dieses habe ich natürlich mit dem SbM im Vorwege besprochen.
Jetzt habe ich von der Dienststelle per Mail erfahren das der SbM zwar die Voraussetzungen erfüllt aber man ihn für nicht geeignet hält und die Stelle nun extern veröffentlicht wird.
Frage 1: kann ich zu der Entscheidung nochmal Stellung nehmen, oder macht das keinen Sinn?
Frage 2: muss seitens der Dienststelle jemand mit dem SbM sprechen und die Entscheidung mitteilen oder ist das jetzt meine Aufgabe?
Frage3: ist die Prüfpflicht mit der Mail an die SBV jetzt abgeschlossen?

Viele Grüße Karin

Hallo, ich habe verstanden, was hier unter "Prüfpflicht" definiert wird.

Aber mich wundert es: Im Rahmen der Prüfpflicht habe ich einen bereits internen Schwerbehinderten Kollegen für eine frei werdende Stelle vorgeschlagen.

Warum - bzw. ich verstehe den § nicht, soll ich als SBV einen Kollegen/in für eine Stelle vorschlagen?

Der Kollege/in muss ja Interesse bekunden und sich bewerben! Erst dann fängt für mich die Arbeit an. Der Kollege/in hat ja erstmal einen Arbeitsplatz (AP). Ich kann doch einfach mal gut 700 SB´s prüfen, ob diese im Detail leidensgerecht eingesetzt sind, sich persönlich eine Umsetzung wünschen - oder unterstützend umgesetzt werden müssen / wolle mit weiterhin Umschulung oder Qualifizierung.

Dann bin ich nicht nur SBV sonder HR!!!

Wenn es bei uns eine neue Stelle gibt in der Ausschreibung, dann habe ich nicht von 700 SB´s und GL´s die berufliche Vita und Kenntnisse von erworbenen Qualifikationen und kann nicht einfach über den Kopf von Müller- Meier-Schule entscheiden, diese zu Prüfen. Die MA müssen ja durch Bewerbung oder Kontaktaufnahme zu mir ihr Interesse bekunden. Erst dann kann ich tätig werden im Bewerbungsverfahren und auch mit diversen Leistungen.

Ich kann doch nicht jede Stellenausschreibung ins Blinde prüfen und sagen, hier haben wir Menschen, die könnten den Job machen - und ja, die müssen noch folgende Fähigkeiten und Kompetenzen erlangen.
Wie gesagt, ich habe keine genaue Kenntniss von Ausbildung & Berufserfahrung. Sowie deren persönlichen und gesundheitlichen Wünschen.

Daher ist für nich eine Mitwirkung sehr wichtig!

Viele Grüße,

Kasandra

Fragen zur Prüfpflicht

Phönix, NRW, Tuesday, 10.09.2024, 05:33 (vor 244 Tagen) @ Kasandra

Hallo Kasandra,

vielleicht ist es hilfreich, wenn ich den Verfahrensablauf schildere, so wie dieser bei uns von statten geht.

Die Prüfung ist vom Dienstgeber mit Beteiligung der SBV am konkreten Einzelfall durchzuführen. Dienstgeber und SBV haben sich darauf verständigt, dass der Dienstgeber den Part Agentur für Arbeit übernimmt und die SBV den Part Mitarbeitende, auch wenn es im Gesetz anders vorgesehen ist.

Das Prüfverfahren beginnt mit der Mitteilung des Dienstgebers, dass eine freie Stelle zu besetzen ist und mit der Übermittlung der Stellenausschreibung.

Da der SBV alle Arbeitsplätze im Verband bekannt sind, bedarf es keiner zusätzlichen Informationen, wie z.B. der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes. Wenn doch, kann die SBV diese Informationen kurzfristig anfordern. Weiterhin kann die SBV jeden (freien) Arbeitsplatz begehen und die Verantwortlichen vor Ort haben Auskunft zu erteilen.

Wir haben im Verband um die 90 Mitarbeitenden mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung, welche der SBV alle persönlich bekannt sind. Die SBV hat folglich Kenntnis davon, welche Mitarbeitenden eine berufliche Veränderung aufgrund ihrer Behinderung benötigen oder aus persönlichen Gründen wünschen (im Kern hat die SBV eine Liste). Hat man Übereinstimmungen zwischen dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle und dem Profil eines Mitarbeitenden, wird dieser informiert und er hat dann eine Woche Zeit darüber nachzudenken.

Besteht kein Interesse, bedarf es keiner Rückmeldung und das Verfahren schreitet nach der Woche voran. Besteht ein Interesse, meldet sich diese bei der SBV, welche dann den Mitarbeitenden namentlich dem Dienstgeber vorschlägt. Damit der Vorschlag wirkt, hat der Mitarbeitender eine Bewerbung einzureichen. Danach erfolgt die konkrete Prüfung am Einzelfall, es wird ein Bewerbungsgespräch geführt und ein Abgleich mit der zu besetzenden Stelle vollzogen und wenn alle Parameter passen oder fehlende Qualifikationen erworben werden können, bekommt der Mitarbeitende die Stelle. Im laufenden Jahr lag die Erfolgsquote bei 100%, vier Mitarbeitende vorgeschlagen und viermal wurde positiv entschieden.

Parallel zur intern Prüfung, wird vom Dienstgeber ein Vermittlungsverfahren bei der Agentur für Arbeit veranlasst. Über den Auftrag und das Ergebnis wird die SBV informiert. Seit Jahren gab es hier nicht eine einzige Bewerbung, ohne das hierfür ein Grund ermittelt werden konnte.

Erst wenn die Prüfung durchgeführt wurde, steht es dem Dienstgeber frei, eine Stelle intern und extern auszuschreiben, aber da ist die SBV erstmal raus, solange sich kein Mensch mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung bewirbt.

Im letzten Jahr hatten wir 150 zu besetzende Stellen und in diesem Jahr bisher etwas über 100 und die Prüfung gehört zum Tagesgeschäft, wobei sich viele Ausschreibungen ständig wiederholen, da wir die Stelle durch den Fachkräftemangel nicht besetzt bekommen.

Gruß
Phönix

Fragen zur Prüfpflicht

WoBi, Tuesday, 10.09.2024, 11:25 (vor 244 Tagen) @ Kasandra

Hallo Kasandra,

der Arbeitgeber hat die Prüfung vor der Ausschreibung einer freien, frei werdenden oder neugeschaffenen Stelle die besetzt werden soll durchzuführen. Das ist das Gesetz nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen.

Denn die schwerbehinderten Menschen haben nach § 164 Abs. 4 SGB IX gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können und Förderung ihres beruflichen Fortkommens.

Wie soll ein Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 164 Abs. 4 SGB IX nachkommen, wenn er die Prüfpflicht nach § 164 Abs. 1 SGB IX nicht durchführt?

Die Organisation der betrieblichen Abläufe gehört zur Kernkompetenz des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat seinen "Laden" so zu organisieren, dass rechtliche Regelungen eingehalten werden. Die SBV überwacht, dass der Arbeitgeber rechtliche Regelungen zu Gunsten von Menschen mit Behinderung durchführt. Der § 164 SGB IX ist eine solche Regelung zu Gunsten von Menschen mit Behinderung.

Zur Diskussion einer "Sinnhaftigkeit" von Gesetzen kann auf den Beitrag https://www.schwbv.de/forum/index.php?id=28511 verwiesen werden. Der dort zitierte Beschluss des LAG Hessen ist abrufbar unter: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE190002177

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Gruß
Wolfgang

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