AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen? (BEM)

Tanja20, Monday, 24.02.2025, 09:47 (vor 77 Tagen)

Eine Beschäftigte (GdB50) hatte eine schweren Tumorerkrankung im BEM-Verfahren (ab 1.2024) wurde festgelegt das Sie zu 100% mobil arbeite kann. Da die damalige Fallmanagerin in Elternzeit ist, entschied sie Ihren Personalsachbearbeiter zu nehmen. Nun kann die BEM-Beauftgte des AG auf Sie zu, es wurde ein Attest angefordert.

In dem steht: „Das für die nächsten 6. Monate ein 100%iges mobiles Arbeiten aus ärztlicher Sicht erforderlich ist, das Aufgrund der Immunschwäche und erheblicher Leistungeinschränkung, sie Menschenmengen und Fahrten mit dem öffentlichen Nachverkehr meiden muss. Um die Arbeistfähigkeit der Patientin weiterhin sicherzustellen, ist es zwingend erforderlich sie vollständig mobil arbeitet. Eine erneute medizinische Beurteilung frühestend ca. 6. Monaten.“

Am Freitag teilte die BEM-Beauftgte (nicht der Fallmanager) ihr mit, dass von ihren beiden Vorgesetzten zusammen mit der Personalführung folgendes beschlossen wurde. „Unter Berücksichtigung Ihrer gesundheitlichen Situation und den Anforderungen an Ihre Aufgaben wird Ihnen bis Ostern 100% mobiles arbeiten, im Zeitraum vom 21.04.2025 bis zum 30.06.2025 die Erhöhung des mobilen Anteils auf bis zu 80 % genehmigt. Im Anschluss wäre ein Anteil von bis zu 60 % mobiler Arbeit – entsprechend der geltenden DV Arbeitszeit – möglich. Die wahrgenommenen Tätigkeiten erfordern jedoch auch einen Präsenzpart, so dass der Anteil an mobiler Arbeit schrittweise abgebaut werden soll.“

Es gab auch den Hinweis auf die Möglichkeit einer Versetzung in ein anderes Team oder Referat, falls den geforderten Arbeitsbedingungen nicht entsprochen werden kann, dies könnte als Druckmittel interpretiert werden und ist im Kontext des BEM-Verfahrens kritisch zu betrachten

Es ist doch essenziell, dass das BEM-Verfahren transparent und in enger Abstimmung mit der Betroffenen durchgeführt wird, insbesondere unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Situation und des ärztlichen Attest. In ca. 6 Monaten wird es eine neue medizinische Beurteilung geben, ebenso ist eine Reha beantragt, auf die große Hoffnung gesetzt wird. Sie möchte auf der Stelle bleiben.

Gegen welchen § verstoßt hier der AG?

Wie sollte man vorgehen?

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

garda, Berlin, Monday, 24.02.2025, 14:11 (vor 77 Tagen) @ Tanja20

Gegen welchen § verstoßt hier der AG?

Hallo Tanja20,

vermutlich so einfach gegen gar keinen. So wie man nicht zum Home-Office gezwungen werden kann, kann normalerweise der Arbeitgeber auch nicht zum Home-Office gezwungen werden.

Wie sollte man vorgehen?

Hier bieten sich zwei Wege an:

die Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann hier etwas hergeben oder
die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, ich meine hier konkret die Fürsorgepflicht.

Setzt sich der Arbeitgeber darüber hinweg, sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht, wenn mit den Gremien keine Lösung erzielt werden kann. Er wird auch über die Erfolgsaussichten beraten.

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Mit freundlichen Grüßen

Michael

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Tanja20, Monday, 24.02.2025, 15:43 (vor 77 Tagen) @ garda

Dann macht ja die BEM-Vereinbarung vom 01.2024 in der mobiles Arbeiten vereinbart wurde auch kein Sinn. Wenn einfach der AG ohne ein weiteres Gespräch das einfach so festlegt.

Als schwerbehinderte Arbeitnehmerin mit einer ärztlich attestierten Immunschwäche und Leistungsminderung hatt Sie doch Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes gemäß § 164 SGB IX. Oder wie?

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

garda, Berlin, Tuesday, 25.02.2025, 14:27 (vor 76 Tagen) @ Tanja20

Dann macht ja die BEM-Vereinbarung vom 01.2024 in der mobiles Arbeiten vereinbart wurde auch kein Sinn. Wenn einfach der AG ohne ein weiteres Gespräch das einfach so festlegt.

Kann man so pauschal nicht sagen. BEM ist immer eine Empfehlung, keine "Anweisung". Auch eine betriebsärztliche Stellungnahme ist keine Weisung an den Arbeitgeber. Ein Verstoß des AG gegen die BV/DV BEM muss vom BR/PR durchgesetzt werden, weil all diese Empfehlungen das gesetzlich verankerte Weisungsrecht des AG nicht aufheben kann. Stichwort: Rechtspyramiehde.

Als schwerbehinderte Arbeitnehmerin mit einer ärztlich attestierten Immunschwäche und Leistungsminderung hatt Sie doch Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes gemäß § 164 SGB IX. Oder wie?

Home-Office ist auch mit DV/PV nicht der Arbeitsplatz. Da hilft eher die Fürsorgepflicht.

--
Mit freundlichen Grüßen

Michael

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

albarracin, Baden-Württemberg, Monday, 24.02.2025, 16:37 (vor 77 Tagen) @ Tanja20

Hallo,

der AG muss § 164 Abs. 4 SGB IX beachten, da handelt es sich grundsätzlich um einklagbare Rechtsansprüche.

Das Home-Office gehört zu der in Nr. 4 genannten Arbeitsplatzgestaltung bzw. Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzumfeld. Bei der leidensgerechten Organisation des Arbeitsplatzes muss auch die sog. "Wegefähigkeit" berücksichtigt werden.

Wenn der AG weiter so rumzickt, muss halt ggfs. die Einleitung eines Präventionsverfahrens verlangt werden.

--
&Tschüß

Wolfgang

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Tanja20, Tuesday, 25.02.2025, 08:36 (vor 77 Tagen) @ albarracin

Danke der Beitrag ist sehr hilfreich.
Wie könnte ein Präventionsverfahren in dem Fall aussehen?

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

magheinz ⌂, Tuesday, 25.02.2025, 09:11 (vor 77 Tagen) @ Tanja20

Danke der Beitrag ist sehr hilfreich.
Wie könnte ein Präventionsverfahren in dem Fall aussehen?

Das beantragt der Arbeitgeber beim zuständigen Integrationsamt.
Meiner Meinung nach ist das im laufenden BEM aber gar nicht notwendig. Man kann das Amt ja auch ins BEM dazuholen. Die holen dann den Inegrationsfachdienst dazu, der dann entsprechend beraten kann.

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Scheeks, im MTK, Monday, 03.03.2025, 16:48 (vor 70 Tagen) @ magheinz

Danke der Beitrag ist sehr hilfreich.
Wie könnte ein Präventionsverfahren in dem Fall aussehen?


Das beantragt der Arbeitgeber beim zuständigen Integrationsamt.

Sicher?
Da habe ich den § 167 Abs1. SGB IX ein klein wenig anders in Erinnerung.
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__167.html
Der AG informiert und lädt ein zur gemeinsamen Erörterung.

Meiner Meinung nach ist das im laufenden BEM aber gar nicht notwendig.

Sofern das BEM noch läuft ...

Man kann das Amt ja auch ins BEM dazuholen. Die holen dann den Inegrationsfachdienst
dazu, der dann entsprechend beraten kann.

Unbedingt :)

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

magheinz ⌂, Monday, 03.03.2025, 17:51 (vor 70 Tagen) @ Scheeks

Sicher?
Da habe ich den § 167 Abs1. SGB IX ein klein wenig anders in Erinnerung.
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__167.html
Der AG informiert und lädt ein zur gemeinsamen Erörterung.

Ja: "(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein,"

Der Arbeitgeber "schaltet ein".

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Kasandra, Monday, 24.02.2025, 20:41 (vor 77 Tagen) @ Tanja20

Hallo Tanja,

wer oder was ist der Fallmanager. Ich kenne diesen nur im sozialen Entschädigungsrecht. Lt. Deiner Information handelt es sich aber um eine Tumor / Krebserkrankung. Da sehe ich nicht die Rolle des Fallmanagers.

Von welcher Organisation ist dieser? Ihr habt ja BEM-Beauftragte.

Wichtig ist doch zu wissen: 01/2024 wurde im BEM HO abgesprochen. Wie lange wurde das HO im BEM Protokoll festgehalten und definiert?

Das BEM-Verfahren habt ihr ja wohl noch nicht beendet und offen gelassen und es gab oder gibt jetzt einen neuen Termin.

Ganz klar, nach Chemo ist das Immunsystem noch nicht intakt!

Der behandelnde Arzt bestätigt dies und weißt noch darauf hin, dass ÖPNV zu vermeiden ist.

Nun ist es so, ein ärztl. Attest ist eine "Empfehlung". Einer Empfehlung braucht meines Wissens kein AG zu folgen.
Daher ist eine wichtige Frage; ist die Kollegin in regelmäßigen Austausch und Vorstellung mit Eurem werksärztlichen Dienst? Dieser kann das Attest des behandelnden Arztes stützen und im BEM-Gespräch positiv begleiten. Da sollte dann jeder AG zustimmen.

Der Hinweis mit ÖPNV kann der AG natürlich "abbügeln" - kann ja mit dem PkW etc. zur Arbeit fahren. Die Anfahrt zum Arbeitsplatz ist ja nicht dem AG geschuldet, sondern obliegt dem AN in eigener Verantwortung seinen Arbeitsplatz zu erreichen.

Sehr wichtig ist auch, habt ihr eine Betriebsvereinbarung (BV) zum Thema HO? Was ist in dieser geregelt?

Auch zum bedenken gebe ich, dass ein Unternehmen viele Mitarbeiter hat, welche Immunsuppresiva nehmen und deren Immunsystem auch sehr geschwächt ist durch die entsprechenden Medikamente.
Hier bringe auch einen gemeinsamen "gedanklichen" Konsens für alle MA auf.

Auch der gemeinsame Austausch mit Kollegen/innen und der Führungskraft im Büro ist "mental" auch eine große Genesungsstütze.

Der MA muss ja nicht vor Ort im vollbesetzten Büro sein, aber auch die menschlichen u. kollegialen Kontakte erachte ich für sehr wichtig für den Genesungsprozess. Die Führungskraft wird sicherlich auch ein gutes Konzept für die Abteilung und den MA vorbereiten können, der allen und der Abteilung gerecht wird.
Sicherlich freuen sich auch die Kollegen/innen, den erkrankten MA hin und wieder mal vor Ort persönlich zu sehen, da sie sicherlich auch auf der menschlichen Ebene "mitleiden" und Anteil nehmen und sich freuen gemeinsam - statt hinter den Bildschirm sich auszutauschen. Der ein oder andere fixe Arbeitstag könnte schon mal gemeinsam festgelegt werden.
Geht es dem MA nicht gut, kann man sich ja melden uns zuhause bleiben.

Es ist auch zu bedenken, dass - ich kenne eure BV nicht - der MA bereits seit 01/2024 im HO arbeiten konnte.

Aus Deinen Ausführungen lese ich, es geht ja nicht nur um das Immunsystem. Wie wäre es mal anders herum zu fragen, was können wir für den MA machen? Parkplatz vor Ort, Ruhezone, Hilfsmittel, Ausstattung des Arbeitsplatzes etc.?

Dies sind auch soziale Aspekte, der erkrankte MA wird nicht ausgeschlossen, sondern ist integriert. HO kann auch zur Vereinsamung führen.

Wichtig ist halt, die Vorstellung beim werksärztlichen Dienst und diesen auch mit ins BEM-Gespräch zu nehmen. Die kennen die Erkrankung der Mitarbeiter, die Medikation, den Arbeitsplatz und beraten und unterstützen.

Viele Grüße,

Kasandra

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Tanja20, Tuesday, 25.02.2025, 08:34 (vor 77 Tagen) @ Kasandra

Hallo Kassandra,

der Fallmanager*in Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) begleiten Sie unter anderem die Implementierung von BEM in Unternehmen, der Fallmanager gehört zum Betrieb.
Die Betroffene ist immer offen mit der Erkrankung gegenüber ihrem Chef umgegangen, ist froh das sie es überlebt hat. Nun hat sie noch erhebliche Einschränkungen die den üblichen Tagesablauf wie vor der Erkrankung nicht möglich macht.

Was nützt es dem AG wenn er auf die DV besteht (2 Tage Büro), sie dann vielleicht vermehrt krank ist, als in der mobilen Arbeitszeit.
Sowas sucht sich niemand aus, hier sollte doch die Schutzbedürftigkeit im Vordergrund stehen und nicht zusätzliche Belastungen aufbauen die der Genesung nicht zu gute kommen.

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

magheinz ⌂, Tuesday, 25.02.2025, 09:14 (vor 76 Tagen) @ Tanja20

was natürlich immer sein kann: Der AG sagt, die derzeitige Tätigkeit ist für 100% Homeoffice nicht geeignet.
Dann wäre es wichtig zu schauen, ob es andere geeignete Tätigkeiten im Unternehmen gibt.

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Tanja20, Wednesday, 26.02.2025, 12:04 (vor 75 Tagen) @ magheinz

Die Tätigkeit ist zu 100% mobil geeignet, ging ja unter Corauch.
Die Führung will die Homeoffice BEM-FÄLLE abschaffen, aufgrund der neuen Dienstvereinbarung 40/60% das sollte doch reichen.

Leider ist die Auffassung dann eben krank sein wenn der Weg nicht geschafft wird kein guter Ansatz.

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

magheinz ⌂, Thursday, 27.02.2025, 10:30 (vor 74 Tagen) @ Tanja20

Vielleicht könnte man das Thema in eine Inklusionsvereinbarung reinverhandeln.
Was sagen denn Inklusionsamt/-Fachdoenst dazu?

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

Tanja20, Wednesday, 26.02.2025, 12:08 (vor 75 Tagen) @ Tanja20

Vor allem wurden die BEM-Beteiligten nicht dazu angehört.
Die Führung hat entschieden, dass ist doch so nicht richtig...?

Besonders wenn der BEM- Beauftragte damit wedeln, vielleicht muss ein anderer DP mit der gleichen Wertigkeit gefunden werden.
Das macht es nicht besser...

AG setzt sich über " Homeoffice Attest" hinweg, wie vorgehen?

garda, Berlin, Thursday, 27.02.2025, 07:47 (vor 75 Tagen) @ Tanja20

Deine Ansicht ist moralisch sicher richtig, rechtlich nicht. Nochmal: eine Empfehlung - auch aus dem BEM - ist nicht bindend. Sie ist aber ein klarer Hinweis das möglicherweise die Fürsorgepflicht des AG nicht korrekt ausgeübt wird.

--
Mit freundlichen Grüßen

Michael

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