Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter (Kündigung)

KDo, Monday, 11.08.2025, 13:12 (vor 96 Tagen)

ein herzliches Hallo in die Runde,

ich bin Vertrauensfrau bei einem öffentlichen Arbeitgeber.

Zu nachfolgendem Problemkreis habe ich versucht allgemein aber auch hier im Forum eine Antwort zu finden und bin bisher nicht fündig geworden.

Wenn der Arbeitgeber mich vor geplanten arbeitsrechtlichen Maßnahmen anhört, bin ich verpflichtet, den schwerbehinderten Mitarbeiter zu kontaktieren, um mit ihm die Vorwürfe zu besprechen? Oder beziehe ich meine Informationen allein aus den Unterlagen, die mir der Arbeitgeber zur Verfügung stellt?
Natürlich, wenn der Mitarbeiter sich vertrauensvoll an mich wendet, da er ja auch eine Anhörung bekommt, dann lasse ich das selbstverständlich in meine Betrachtung einfließen.
Aber muss ich jeden Mitarbeiter kontaktieren, um seine Sachverhaltsdarstellung abzufragen, bevor ich mich äußere? was ja bei kurzen Fristen schon daran scheitern könnte, dass ich den Mitarbeiter, der beispielsweise nicht im Dienst ist, postalisch gar nicht schnell genug erreichen kann.

Ist denn der Arbeitgeber verpflichtet, mir private Anschriften und Telefonnummern zu geben? Sofern er überhaupt eine Telefonnummer hat?
Mein Arbeitgeber weist die Betroffenen in ihrer Anhörung daraufhin, dass sie Personalrat und SBV hinzuziehen können.
Wenn sie das nicht tun, sehe ich mich eigentlich nicht in der Verpflichtung, dann noch jeden einzelnen zu kontaktieren. Ich weiß allerdings eben nicht, was ein Arbeitsgericht verlangen würde.

Welche Erfahrungen wurden denn diesbezüglich eventuell bereits gemacht? oder wie wird dies allseits so gehandhabt?

Vielen Dank bereits vorab für Antworten!

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

Cebulon, Monday, 11.08.2025, 14:37 (vor 96 Tagen) @ KDo

KDo: Ist Arbeitgeber verpflichtet, mir private Anschriften und Telefonnummern zu geben?

Ja, der Arbeitgeber ist m.E. verpflichtet, der SBV die Kontaktdaten zur Verfügung zu stellen und zwar sofort bei kurzen Anhörungsfristen, jedenfalls sofern die SBV eine Rücksprache mit dem sbM für geboten bzw. für zweckmäßig hält. Eine Stellungnahme nach Aktenlage vom Grünen Tisch ohne schnelle tel. Rücksprache ist m.E. regelmäßig möglichst zu vermeiden! Im Übrigen wird die SBV spätestens bei ihrer Anhörung durch das InA zumindest die Privatanschrift dieses sbM erhalten, folglich keine „geheime Kommandosache“ bzw. keine Verschlusssache.

KDo: Oder beziehe ich meine Information allein aus den Unterlagen, die mir der Arbeitgeber zur Verfügung stellt?

Das wäre ggf. ziemlich einseitig bzw. nicht sachgerecht, nur dessen „Sicht der Dinge“ zu berücksichtigen. Denn der Arbeitgeber ist ja bekanntlich beteiligte Partei, also u.U. auch persönlich interessengeleitet.

Gruß,
Cebulon

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

KDo, Tuesday, 12.08.2025, 12:35 (vor 95 Tagen) @ Cebulon

aber meine Frage bleibt irgendwie offen, muss ich den Arbeitnehmer zwingend kontaktieren?
vom Personalrat erhielt ich die klare Aussage, sie entscheiden aufgrund Aktenlage. Der Mitarbeiter hat ja die Möglichkeit sie hinzuzuziehen und wird darauf auch konkret hingewiesen.

Er wird ja auch in Bezug auf die SBV konkret darauf hingewiesen, so steht es auch in den Protokollen der Anhörung durch den Arbeitgeber und dass der Arbeitnehmer darauf ausdrücklich verzichtet hat bzw. wird er mit der schriftlichen Anhörung darauf hingewiesen.

Wenn er von diesem Recht dann nicht Gebrauch macht und sich nicht an mich wendet, muss ich dann alle Hebel in Bewegung setzen, ihn irgendwie zu erreichen?

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

Cebulon, Tuesday, 12.08.2025, 14:27 (vor 95 Tagen) @ KDo

Wenn er von diesem Recht dann nicht Gebrauch macht und sich nicht an mich wendet, muss ich dann alle Hebel in Bewegung setzen, ihn irgendwie zu erreichen?

Merkwürdiges Verständnis. Ich habe schlicht auf evt. gebotene Option hingewiesen, von der Personalstelle die Kontaktdaten zu verlangen. Dazu muss man nicht „alle Hebel“ in Bewegung setzen. Dazu genügt kurzer Anruf oder bspw. eine kurze Mail an Personaler. Und sollten diese blocken, dann wird das die SBV in ihrer Stellungnahme an das InA zu würdigen haben.

Welche Erfahrungen wurden denn diesbezüglich eventuell bereits gemacht? Oder wie wird dies allseits gehandhabt? Von PR erhielt ich die klare Aussage, sie entscheiden aufgrund Aktenlage.

Ich kenne Fälle, da verfiel der Betroffene erst mal in „Schockstarre“ (wegen unfairer Anhörung durch die Personaler). Wenn sich Betroffener nicht bei PR/SBV meldet, kann das persönliche Gründe haben und es muss nichts mit fehlendem Respekt zu tun haben – was_zuweilen vorschnell pauschal unterstellt wird. Denke da beispw. konkret an BEM-Fälle, wenn sich Interessenvertretungen schmollend bzw. beleidigt zurückzogen und sich dann verweigerten, da BEM-Betroffene diese – warum auch immer – da nicht dabeihaben wollten.

Gruß,
Cebulon

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

albarracin, Baden-Württemberg, Tuesday, 12.08.2025, 14:40 (vor 95 Tagen) @ Cebulon

... und auch, wenn es nicht zwingend vorgeschrieben ist, gehört es zur professionellen Amtsausübung, sich möglichst eng mit den Betroffenen abzustimmen und nicht über ihre Köpfe hinweg zu handeln.

--
&Tschüß

Wolfgang

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

Cebulon, Tuesday, 12.08.2025, 15:32 (vor 94 Tagen) @ albarracin

... und auch, wenn es nicht zwingend vorgeschrieben ist, gehört es zur professionellen Amtsausübung, sich möglichst eng mit den Betroffenen abzustimmen und nicht über ihre Köpfe hinweg zu handeln.

Richtig! Und genauso wird das auch in SBV-Seminaren unterrichtet. Und wenn sich diese „Vorwürfe“ erhärten sollten aus der Sicht einer SBV, dann steht es der SBV selbstverständlich fei, diese Frist verstreichen zu lassen bzw. von einer Stellungnahme ggf. (ganz) abzusehen – oder schlicht darauf hinzuweisen, dass nähere konkrete Stellungnahme ohne Kontaktdaten ausgeschlossen ist.

Eine SBV ist (ebenso wie das InA) an das Vorbringen der Beteiligten (Arbeitgeber sowie schwerbehinderte Menschen) natürlich nicht gebunden.

Gruß,
Cebulon

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

Cebulon, Tuesday, 12.08.2025, 15:08 (vor 95 Tagen) @ KDo

Aber meine Frage bleibt irgendwie offen, muss ich den Arbeitnehmer zwingend kontaktieren?

Ich habe gestern „auf die Schnelle“ eine betont kurze Einschätzung zu zwei Deiner Fragen gepostet, da wohl Fristsache. Manche Fragesteller bedanken sich, was ich von Dir nicht erwarte – andere „monieren“, wenn man nicht auf alles umfassend bzw. detailliert eingeht …

Gruß,
Cebulon

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

KDo, Thursday, 14.08.2025, 09:21 (vor 93 Tagen) @ Cebulon

natürlich bin ich dankbar, wenn ich hier eine Antwort bekomme.

Das hat auch nichts mit monieren zu tun. Wenn das falsch rüber gekommen ist, entschuldige ich mich natürlich.

Letztlich war mir das nur zu sehr abgedriftet von der eigentlichen Problematik.
Meine wichtige Frage ist wirklich, muss ich Kontakt suchen oder kann ich meine Stellungnahme abgeben aufgrund der Angaben des Arbeitgebers.

Ich muss dazu sagen, dass in unserer Behörde eine sehr gute Arbeitsweise zwischen Arbeitgeber und SBV bzw. auch Personalrat besteht. Unstimmigkeiten können sachlich geklärt werden und der Arbeitgeber fragt lieber einmal mehr nach als zu wenig.

Ich muss keine Angst haben, dass hier ein Mitarbeiter in die Ecke gedrängt und isoliert wird.
Und die Tätigkeit von SBV und Personalrat ist den Mitarbeitenden auch präsent, sie wissen, dass sie ein offenes Ohr und Unterstützung bekommen.

So entspringt es ja auch der immer nachsetzenden Feinarbeit meinerseits und des Personalrats in gemeinsamen AG´s, dass eben der betroffene Arbeitnehmer gebetsmühlenartig immer wieder darauf hingewiesen wird, wen er zu seiner Unterstützung heranziehen kann.

Und wenn der Arbeitnehmer dann mehrfach nein nein nein gesagt hat und dies auch unterschrieben hat, meine Frage war, ob ich ihn dann trotzdem noch nerven muss, obwohl er deutlich gemacht hat, darauf zu verzichten.

Und zwar einzig vor dem Hintergrund, würde ein Arbeitsgericht es monieren, wenn man als SBV dann nicht nochmal die Kontaktaufnahme gesucht hat oder genügt eine Stellungnahme aufgrund der Unterlagen, die man eingereicht bekommt.

Wie gesagt bitte mal die "bösen" Arbeitgeber vergessen, die alles tun, damit der Betroffene keine Hilfe bekommt und die die Beteiligung der SBV versuchen zu beschneiden.
So läuft es bei uns nicht, wir werden engmaschig einbezogen, der Arbeitgeber respektiert unsere Arbeit und fragt lieber einmal mehr als zu wenig.

Ich bin auch kein Neuling auf dem Gebiet und mache das schon viele Jahre und habe auch viele Verbesserungen in der Zusammenarbeit durchgesetzt.

Und- und dann soll auch Schluss sein mit Rechtfertigen -ich bin mir meines Mandats sehr wohl bewusst und die Letzte, die Kosten und Mühen scheuen würde, sich für den Mitarbeiter einzusetzen und werde damit auch von unserem Arbeitgeber immer gehört und ernst genommen.

Mir geht es tatsächlich um die rein fallunabhängige Frage, zu der ich schon seit vielen Jahren recherchiere - gehört es zwingend dazu, den Arbeitnehmer zu kontaktieren, um eine Stellungnahme zu fertigen oder genügt eine Stellungnahme aufgrund der Unterlagen?

Und ich kann versichern, dass ich bereits Stellungnahmen aufgrund von "nur" Unterlagen abgegeben habe, die Maßnahmen zum kippen gebracht haben, weil allein aufgrund der Unterlagen ersichtlich war, so geht es nicht.

Es geht mir wie gesagt nicht darum, mir meiner Funktion nicht bewusst zu sein oder aufgrund unvollständiger Sachverhaltsermittlung eine Stellungnahme aus Faulheit abzugeben oder meine Arbeit nicht ernst zu nehmen sondern rein um die juristische auf gesetzliche Grundlagen oder Gerichtsentscheiden gestützte Frage, muss ich zwingend kontaktieren.

Und bitte nicht, du würdest wenn du deine Arbeit ernst nehmen würdest. Das bitte ich außer Betracht zu lassen und davon auszugehen, dass ich meine Arbeit ernst nehme.
Sondern lediglich die Frage, gibt es bekannte Gerichtsentscheidungen, die voraussetzen, dass der SBV zwingend den Betroffenen kontaktiert?

Vielleicht ist meine Frage jetzt besser verständlich.
Es hängt tatsächlich keine Frist dran, sondern geht um die allgemeine Vorgehensweise bzw. die rechtliche Verpflichtung dazu, die sich ja entweder aus Gesetz ergeben müsste oder ein Gericht hätte mal gesagt, muss zwingend erfolgen.

vielen lieben Dank!

ABGEDRIFTET …

Cebulon, Saturday, 16.08.2025, 14:44 (vor 91 Tagen) @ KDo

Letztlich war mir das nur zu sehr abgedriftet …

Naja, wenn Du meinst, dass Beantwortung zweier der konkret gestellten Fragen binnen zweier Stunden zu sehr abdriftet: Warum stellst Du denn dann überhaupt solche „Abdriftungsfragen“ !? Ich finde eine derartige Reaktion unfassbar ungeschickt – um das mal ganz zurückhaltend auszudrücken.

Und wenn der Arbeitnehmer dann mehrfach nein nein nein gesagt hat und dies auch unterschrieben hat, meine Frage war, ob ich ihn dann trotzdem noch nerven muss, obwohl er deutlich gemacht hat, darauf zu verzichten?

… dann bedarf es in aller Regel selbstverständlich keines erneuten Kontakts. Und so lautete vor allem aber Deine ursprüngliche Ausgangsfrage eben nicht (3x nein) Das ist nicht fair !! Und schließlich kann man kompakter als albarracin schon vor vier Tagen am Dienstag 14:40 Uhr bspw. Deine dritte Frage kaum professioneller in einem einzigen Satz zusammengefasst beantworten: Dies ist wirklich klasse und exzellent gemacht – sowie auf den Punkt gebracht. Dafür Respekt !! 👏 👏 Aber dennoch derart „rumzueiern“ trotz seiner glasklaren Ansage ist völlig unverständlich! Zumindest wäre ggf sachgerecht, wenn mit dem Beschäftigten kein Vertrauensverhältnis herstellbar bzw. Vorbehalte ggü. SBV bestehen sollten, diesen sbM an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht bzw. evtl. an Gewerkschaft zu verweisen. Es kommt selbst bei guten Anwälten vor, dass diese ihrem Mandanten erklären, er möge sich einen anderen Anwalt suchen, wenn z. B. „die Chemie“ zwischen beiden nicht passt. Muss man ja nicht persönlich nehmen – sondern rein geschäftsmäßig.

Vom Personalrat erhielt ich die klare Aussage, sie entscheiden aufgrund Aktenlage.

Dieser örtl. Personalrat ist nicht das „Maß“ aller Dinge: Seine pauschale Aussage mag rein formal korrekt sein, ist aber nicht im Sinne des Personalvertretungsrechts, wie schon x-fach in Fachforen gelesen! Vgl sinngemäß den Rechtsgedanken im Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz zum rechtlichen Gehör – um sich einen persönlichen sowie unmittelbaren Eindruck vom „Delinquenten“ zu verschaffen als fundierte „Entscheidungsgrundlage“, um_so Entscheidung am „Grünen Tisch“ möglichst zu vermeiden bzw. zu minimieren. Dieses zumal sowie besonders dann – wenn es wie hier offenbar um die Kategorie „Kündigung“ geht! So wird es ja auch in SBV-Seminaren „gepredigt“ sowie auch hier („Es ist erforderlich Gespräche zu führen: zunächst mit dem Betroffenen selbst…“) Diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz sollte jede VP verinnerlicht haben.

Es hängt tatsächlich keine Frist dran …

Dieser § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG sieht vor, dass der Betriebsrat vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer anhören soll, soweit dieses erforderlich erscheint. Schulungsvideo dazu – auch zu Fristen. Er kann telefonisch, schriftlich oder etwa in BR-Sitzung Arbeitnehmer anhören.

Tipp: Daher evtl. einfach mal SBV-Fachseminar mit Arbeitsrichter bzw. mit Fachanwalt buchen - anstatt jahrelang („seit vielen Jahren“) immer nur dasselbe recherchieren: Du packst das einfach falsch an!

… habe auch viele Verbesserungen durchgesetzt

Insoweit vorbildlich! Weiter so! Daumen 👍

Gruß,
Cebulon

Kommunikation mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter

WoBi, Tuesday, 12.08.2025, 18:49 (vor 94 Tagen) @ KDo

Hallo KDo,

der Arbeitgeber macht eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitnehmer häufig schwierig, z.B. in dem er den Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht sofort freistellt. Der betroffene Arbeitnehmer soll von seinen Arbeitskollegen und den Interessensvertretungen isoliert werden.
Neben den Adressangaben liegen häufig keine weiteren Informationen laut Personalverwaltung vor. Aber die SBV hat Anspruch auf die Kenntnisse des Arbeitgebers, also auch auf die vorhandenen Informationen der direkten Führungskraft.

Das ist Teil der "psychologische Kriegsführung", um die beschlossene Maßnahme abzusichern.
Genauso ist es eine Taktik, die Zustellung einer Kündigung am Freitagnachmittag durchzuführen, damit der Gekündigte sich über das Wochenende selbst fertig macht, noch bevor er geeignete Hilfe in Anspruch nehmen kann.

Darum sollte die SBV die Kontaktdaten der Beschäftigten mit Behinderung kennen.

--
Gruß
Wolfgang

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