Verfall von Zusatzurlaub (Zusatzurlaub)

Paul, Hamburg, Thursday, 16.07.2015, 13:13 (vor 3215 Tagen)

Hallo,

jemand bekommt jetzt einen Bescheid mit einem GdB von 80 der Rückwikend zum 01.04.2014 ausgestellt wurde.

Arbeitgeber sagt, der anteilige Zusatzurlaub sei mit der tariflichen Frist am 31.05.2015 verfallen. Meiner Meinung nach gilt auch hier die Frist von 15 Monaten nach der EU bzw. BAG-Rechtsprechung.
Kann die Kollegin den Uraub einfordern obwohl bei der Antragsstellung keine vorsorgliche Geltenmachung gestellt wurde?
Das Urteil aus 2010 http://www.schwbv.de/urteile/163.html ist mir bekannt.
In meinem Fall ist aber die Voraussetzung eine andere? Oder vielleicht nicht?
Wie seht Ihr den Fall?
Lieben Gruß
Paul

Verfall von Zusatzurlaub

WoBi, Thursday, 16.07.2015, 13:55 (vor 3215 Tagen) @ Paul

Hallo Paul,

der Nachteilsausgleich für Schwerbehinderte teilt das Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs nach gängiger Rechtsprechung. Somit ist dieser nach dem Übertragungszeitraum am 31.3. des Folgejahres verfallen. Deine tarifliche Regelung ist nach dem "Günstigkeitsprinzip" besser als die gesetzliche Regelung und bringt einen Aufschub.

Die 15 Monate vom BAG / EuGH kommen z.B. bei krankheitsbedingter Verhinderung zur Urlaubsnahme zur Anwendung. Dein Fall war nicht krank im Übertragungszeitraum, sondern hat von seinem "Glück" ein paar Tage (< 4) Nachteilsausgleich nichts gewusst. Er hat diese Tage auch nicht bis zum Ende des Übertragungszeitraums vorsorglich eingefordert.

Zur Aufheiterung für deinen Fall: Für dieses Jahr stehen ihm der volle Nachteilsausgleich zu. Also keine anteilige Kürzung, weil schon Juli ist.

--
Gruß
Wolfgang

Verfall von Zusatzurlaub

ciralifan, Thursday, 16.07.2015, 14:10 (vor 3215 Tagen) @ Paul

Kann mann drüber streiten, denn der Bescheid und der Zusatzurlaub kommen hier rückwirkend zustande.

Mein AG hat die Zusatzurlaubstage bei gleichgelagerten Fällen immer anstandslos rückwirkend anerkannt.

Verfall von Zusatzurlaub

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 16.07.2015, 14:39 (vor 3215 Tagen) @ Paul

Hallo,

aufgrund uralter, aber noch gültiger BAG-Rechtsprechung (zuletzt 21.2.1995, 9 AZR 675/03) muß der Zusatzurlaub vom Antragsteller jeweils für das laufende Kalenderjahr mit Hinweis auf das Antragsverfahren geltend gemacht werden.
Macht der AN dies nicht, verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub am 31.12. des jeweiligen Urlaubsjahres, auch wenn dann eine Schwerbehinderung rückwirkend festgestellt wird.
Diese Pflicht zur Geltendmachung ist auch in der Gesetzesbegründung zur Einfügung des Abs. 3 in § 125 SGB IX so enthalten (BT-Drucks. 15/1783, S. 18).

Während Dau/Düwell/Joussen sich dazu ausschweigt, wird die Pflicht zur Geltendmachung im laufenden Urlaubsjahr bei Antragstellung von Neumann/Pahlen ... (§ 125 Rn 9) und auch vom sonst besonders AN-freundlichen Kurzkommentar Feldes/Fraunhofer ... (§ 125 Rn 6f) ausdrücklich bejaht.

Tante Wiki ist in solchen Dingen leider keine belastbare Quelle. Auch die Integrationsämter vertreten manchmal abweichende Rechtsmeinungen, ohne darauf hinzuweisen.

Bei uns wird deswegen jeder Antragsteller darauf hingewiesen und bekommt auf Wunsch einen Vordruck zur Geltendmachung.

--
&Tschüß

Wolfgang

Verfall von Zusatzurlaub

Heinrich, Thursday, 16.07.2015, 16:45 (vor 3215 Tagen) @ Paul

Hallo,

wichtig ist die Getungsmachung im Urlaubsjahr. Also dem AG sagen, schreiben ich möchte den Zusatzurlaub haben. Dann geht der AG ggf das Risiko ein, bei Nichtgewährung dass er sich einmal eines Verstoßes gegen das SHB IX geltend macht und den Schwerbehinderten diskriminiert.

Um dem Risiko vorzubeugen gewähren dann viele AG ggf lieber vorsorglich oder unter dem Aspekt/ dem Vorbehalt, dass ein Anspruch entsteht. Sollte der Anspruch nicht entstehen und er NUR unter Vorbehalt gewährt wordrn sein, könnte der AG versuchen ihn zurück zu bekommen. Denn dann bestand kein rechtlicher Anspruch.

Verfall von Zusatzurlaub

Cebulon, Thursday, 16.07.2015, 19:37 (vor 3215 Tagen) @ Paul

Hallo Paul,

der Zusatzurlaub hätte konkret 2014 geltend gemacht (= beantragt) werden können. Wäre der Zusatzurlaub für 2014 dann vom Arbeitgeber abgelehnt worden, müsste ihn der Arbeitgeber nach Vorlage des Ausweises gewähren und zwar auch dann, wenn wie hier zum Zeitpunkt der Ausweisausstellung der Übertragungszeitraum bereits abgelaufen gewesen sein sollte!

Allein der allgemeine Hinweis, dass ein Anerkennungsantrag gestellt und rein "vorsorglich" ein Zusatzurlaubsanspruch geltend gemacht werde, reicht dazu nicht aus.

Gruß,
Cebulon

Verfall von Zusatzurlaub

Paul, Hamburg, Friday, 17.07.2015, 11:38 (vor 3214 Tagen) @ Cebulon

Hallo,

vielen Dank für die interessanten Beiträge.

Vielleicht muss mal jemand dazu den Gang durch die Instanzen antreten. Mir ist nicht so ganz einsichtig warum der Antragsteller eine Geltendmachung schreiben muss. Er kann doch nicht damit rechnen das es über ein Jahr dauert bis der Bescheid vorliegt.
Hier wird der Antragsteller für etwas "bestraft" was er nicht beeinflussen kann.

Man macht ja auch nicht beim Finazamt geltend, dass man den zu erwartenden Freibetrag schon mal für 2014 bekommt. Hier gibt es entsprechende Regelungen
•Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wird Ihr Steuerbescheid zu Ihrem Vorteil korrigiert, wenn Sie Ihrem Finanzamt noch nachträglich und ohne eigenes Verschulden eine neue Tatsache präsentieren können.

Lieben Gruß und allen ein schönes Wochende
Paul

Verfall von Zusatzurlaub

albarracin, Baden-Württemberg, Friday, 17.07.2015, 11:48 (vor 3214 Tagen) @ Paul

Hallo,

das das evtl. mal wieder komplett gerichtlich überprüft werden sollte, sehe ich auch so.

Allerdings halte ich deine Begründung bezüglich der Verfahrensdauer für so pauschal nicht ganz zutreffend.

In Baden-Württemberg, wo grundsätzlich nur eine Bescheidung nach Aktenlage erfolgt, muß mit einer mittleren Verfahrensdauer (zumindest Großraum Stuttgart) von 5-7 Monaten gerechnet werden, wenn Unterlagen angefordert werden. Ein Widerspruch, der aufgrund der mangelhaften und oft offensichtlich schlampigen Bearbeitung in den allermeisten Fällen notwendig ist, dauert einschließlich Akteneinsicht nochmals 4-6 Monate. Und bei einer Klage sind weitere 18 Monate bis zum ersten Kammertermin auch nicht unbedingt die Ausnahme.

Deswegen empfehlen wir bei einer Antragstellung mindestens in der zweiten Jahreshälfte regelmäßig die Geltendmachung, solange der Fall nicht glasklar ist.

--
&Tschüß

Wolfgang

Verfall von Zusatzurlaub

Heinrich, Friday, 17.07.2015, 15:18 (vor 3214 Tagen) @ Paul

Hallo,

der große Unterschied hier ist, dass ein Arbeitgeber ein Planungssicherheit haben muss und die Urlaubsansprüche auch in den Bilanzen bzw Rückstellungen beachten muss. Weiter auch in der Personalplanung / Bedarf ist es ein Fakt. In sehr großen Betrieben können hier ja auch einige Fälle entstehen. Das Finanzamt nicht.

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