Onlinebewerbungen (Einstellung)

WoBi, Friday, 02.06.2017, 17:55 (vor 2541 Tagen) @ rehbach2010

Hallo rehbach2010,

laut AGG-Kommentar (4. Auflage) von Christiane Nollert-Borasio / Martina Perreng wird zu § 2 Abs. 1 AGG zum Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung unter der Randnummer 17 ausgeführt:
„Eine Diskriminierung liegt grundsätzlich auch in einer Frage nach einer Behinderung, soweit die Behinderung nicht die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit einschränkt oder ausschließt und damit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung gem. § 8 darstellt.“
Mit § 8 ist § 8 AGG gemeint = Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen

Laut gängiger Rechtsprechung vom BAG ist die Angabe der Behinderteneigenschaft im Bewerbungsanschreiben und/oder Lebenslauf an vorgehobener Stelle ausreichend. Auf eine „Arbeitserleichterung“ kann sich ein öffentlicher Arbeitgeber nicht berufen.
Durch die beschriebene Gestaltung kann sich der Arbeitgeber möglicherweise AGG-Klagen wegen Diskriminierung einhandeln.

Ein weiterer Grund für ein Indiz der Benachteiligung wegen einem Merkmal aus § 1 AGG kann durch die beschriebene Gestaltung in der von dir beschriebenen vermutlichen „Erwartungshaltung“ des künftigen Arbeitgebers liegen und der Verhinderung der Unterstützung durch die SBV. Die Gestaltung kann eine „abschreckende Wirkung“ auf die behinderten Bewerber haben und die behinderten Bewerber werden dadurch in ihren Schutzrechten unzulässiger Weise beschnitten.

Eine Änderung der Gestaltung wird spätestens nach Klagen von Bewerbern durch den Arbeitgeber durchgeführt werden, sollte eine Einsicht durch die Erklärungen der SBV nicht vorher fruchten.

Deine Arbeit als SBV wird mindestens erschwert, wenn nicht sogar behindert. Der Wunsch der Nichtbeteiligung muss vom Bewerber unaufgefordert kommen und darf nicht durch den zukünftigen Arbeitgeber angeregt werden. Nach Rechtsberatung z.B. Gewerkschaft könnte eine Klage auf Unterlassung wegen Behinderung der Ehrenamtstätigkeit (§ 96 Abs. 2 SGB IX) und davor vorbereitende Aktivitäten erfolgreich sein. Also zuvor mit dem Dienststellenleiter / Beauftragten sprechen und zur Beweissicherung schriftlich zur Änderung auffordern. Argumente wie beschrieben.


Rechtliches zum Situationsvergleich
Es gibt ein Urteil vom LAG Baden-Württemberg zur einer "abschreckenden Einladung" - ist also nicht ganz passend. Az.: 1 Sa 13/14 vom 03.11.2014
"Leitsätze
Gemäß Ÿ82 Satz 2 und 3 SGB IX hat der öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, die fachliche Eignung fehlt offensichtlich. Ein öffentlicher Arbeitgeber macht den gesetzlich intendierten Chancenvorteil des schwerbehinderten Bewerbers zunichte, wenn er diesem zwar die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch in Aussicht stellt, gleichzeitig aber dem schwerbehinderten Bewerber mitteilt, dessen Bewerbung habe nach der Papierform nur eine geringe Erfolgsaussicht, weshalb der schwerbehinderte Bewerber mitteilen möge, ob er das Vorstellungsgespräch wahrnehmen wolle. Eine solch "abschreckende Einladung" begründet gemäß Ÿ22 AGG die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung."

Das Urteil ist z.B. unter https://openjur.de/u/756098.html nachlesbar

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Gruß
Wolfgang


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