Nachteil durch Zusatzurlaub (Zusatzurlaub)

Atom44, Bochum / NRW, Tuesday, 08.12.2009, 22:29 (vor 5276 Tagen)

Hallo,

die Mitarbeiter unserer Firma hatten bei 30 Tagen Tarifurlaub im Jahr durch eine Betriebsvereinbarung die Möglichkeit einen sogenannten "Wintertag" zusätzlich zu bekommen, wenn sie mehr als die Hälfte des Tarifurlaubs in den Wintermonaten von Oktober bis März nehmen würden.

Nun hat ein schwerbehinterter Mitarbeiter in den besagten Monaten 17 Tage Urlaub verfahren. Die Personalabteilung teilte ihm daraufhin mit, dass ihm kein Wintertag zusteht, weil bei ihm ja durch den Zusatzurlaub insgesamt 35 Tarifurlaubstage zu Buche stehen würden und er deshalb 18 Tage hätte in den Wintermonaten verfahren müssen.

Nun meine Frage: Ein normaler Mitarbeiter braucht nur 16 Tage seines Jahresurlaubes im Winter zu nehmen um einen Tag Urlaub mehr zu bekommen, und ein schwerbehinderter muss insgesamt 18 Tage im Winter nehmen, um die gleiche Leistung zu erhalten.
Ist dort nicht eine Benachteiligung entstanden>
Ich weiß es hört sich komisch an, aber der Schwerbehindertenurlaub ist doch kein "normaler" Tarifurlaub sondern ein Sonderurlaub für Schwerbehinderte, um z.B. Arzbesuche oder andere gesundheitliche Maßnahmen durchzuziehen.
Auf jeden Fall hatte ich bisher immer diese Meinung.
Gibt es eine andere Definierung zum Zusatzurlaub als die, die man hier im Forum finden kann> Demnach wäre der Zusatzurlaub nämlich gleich zusetzen mit dem normalen Tarifurlaub, aber in diesem Fall würde dem Schwerbehinderten Kollegen ja ein "Nachteil" daraus entstehen.

Wie kann ich dem Arbeitgeber diese Meinung plausibel erklären, und gibt es zu dieser Besonderheit schon vergleichbare Urteile oder Gesetzestexte>

Liebe Grüße
Atom44

Nachteil durch Zusatzurlaub

hackenberger, Tuesday, 08.12.2009, 22:55 (vor 5276 Tagen) @ Atom44

Hallo "Atom44",

ohne die BV genau zu kennen, kann man hier nur schwer eine Aussage treffen. Möglicher weise ist auch die BV nicht ganz klar in ihren Aussagen. Denn auch der Begriff "Tarifurlaub" ist so nicht klar in dem was hier wohl gemeint ist. Man hätte hier genauer definieren sollen, was hier wirklich gewollt/ gemeint ist. So z.B. > 50% des zustehenden Urlaub oder > 50% des Urlaubsanspruch wie im ArbV/ TV vereinbart.

Denn der Urlaubsanspruch der AN setzt sich zusammen aus den gesetzlichen Mindesturlaub gem. Bundesurlaubsgesetz § 3 und den zusätzlich gem. ArbV oder TV bewilligten (zustehenden) Urlaub. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche und 20 Werktage bei einer 5-Tage-Woche, also 4 Wochen.

Seit dem EuGH Urteil zur Unverfallbarkeit, wegen AU, des gesetzlichen Urlaubsanspruches und der nun anschließenden BAG Rechtsprechung welches dieses berücksichtigt, wird ja auch rechtlich der Gesamturlaubsanspruch unterschiedlich, getrennt bewertet bzw. behandelt. Denn der tarifliche/ arbeitsvertragliche (zusätzliche) Urlaubsanspruch verfällt weiter, es sei die Vertragsparteien hier treffen andere, positivere Regelungen.

Was sagt der BR hier> Er hat diese BV ja verhandelt und abgeschlossen.

Was sagt die VPSchwb> Diese wäre hier ja gefordert um ggf. den Sachverhalt zu klären.

Eines steht fest, der Zusatzurlaub gem. § 125 SGB IX ist kein Tarifurlaub! Er hat eine ganz andere Rechtsgrundlage, nämlich das SGB IX.

Ich gehe auch davon aus, dass hier die Aussagen des AG so nicht rechtlich haltbar sind. Doch letztlich müsste ggf. ein Arbeitsgericht hier den Willen der Vertragspartner der BV (AG/BR) feststellen und auslegen. Weiter auch eine Entscheidung treffen, ob das Verhalten des AG mit dem § 1 AGG vereinbar ist.

Nachteil durch Zusatzurlaub

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 09.12.2009, 11:43 (vor 5275 Tagen) @ Atom44

Hallo Thomas,

das Problem liegt in der Tat in der Formulierung. Sollte dort tatsächlich der tarifliche Urlaubsanspruch als Bewertungsgrundlage angegeben sein, könnte es in der Tat wahrscheinlich unzulässig sein, den gesetzlichen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach SGB IX zur Berechnung heranzuziehen. Ich würde deshalb dem AN raten, diesen Anspruch so schnell wie möglich geltend zu machen und evtl gemeinsam mit dem BR eine Rechtsklärung herbeizuführen.

Vergesse bitte nicht: Die reine Geltendmachung des Urlaubsanspruchs ist ein individualrechtlicher Anspruch, den Du als SBV nicht stellvertretend ausüben kannst, sondern nur durch den jeweils Betroffenen geltend gemacht werden kann.
Ausführungen zum Charakter des Urlaubs als zusätzlicher Anspruch, der prinzipiell nicht mit anderen Ansprüchen verrechenbar ist, finden sich eigentlich in jedem Kommentar zum SGB IX, ganz egal ob Feldes/Kamm..., Neumann/Pahlen, ErfK oder Knittel

--
&Tschüß

Wolfgang

Nachteil durch Zusatzurlaub

Atom44, Bochum / NRW, Wednesday, 09.12.2009, 15:47 (vor 5275 Tagen) @ albarracin

Hallo Herr Hackenberger, hallo Wolfgang,

zunächst einmal herzlichen Dank für die kompetente Hilfe.

Diese Problematik wurde heute auf dem Arbeitszeitausschuß unserer Firma angesprochen, und ich denke der geschäftsführende BR und mein "Chef",(die VPSchwb) werden mit dem AG eine Entscheidung zugunsten des AN treffen.

Da ich nicht freigestellt bin konnte ich an diesen Gesprächen heute nicht teilnehmen, habe aber positive Signale meines "Chefs" erhalten.

Ich denke die Aussage von Herrn Hackenberger:
"Eines steht fest, der Zusatzurlaub gem. § 125 SGB IX ist kein Tarifurlaub! Er hat eine ganz andere Rechtsgrundlage, nämlich das SGB IX."
trifft den Nagel genau auf den Kopf, und dies wird mit Sicherheit auch in der Diskussion vorgebracht worden sein.

Da wir ein modernes und großes Unternehmen mit einer gültigen Integrationsvereinbarung sind, hoffe ich, dass das Problem jetzt, wo es bekannt wurde, auch zugunsten der schwerbehinderten Arbeitnehmer gelöst wird.

Ich freue mich über diese Möglichkeit, wenn ich mir hier bei Fachkompetenten Menschen auch mal eine andere Meinung einholen kann.
Ich werde die Entscheidung meines AG demnächst hier verkünden.

Vielen Dank nochmals und ein schönes Weihnachtsfest,

Thomas

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