Ablehnung durch Betriebsarzt u. Abteilungsleitung (BEM)

Apanatshi, Bayern, Monday, 10.05.2010, 17:53 (vor 5128 Tagen)

Liebe Kollegen,
ich brauche dringend Euren Rat. Folgende Situation liegt vor:
Eine "Gleichgestellte" Kollegin soll eine Wiedereingliederung machen mit einer tägl. Stundenzahl von 3 Stunden. Gleichzeitig wurde vom behandelnden Facharzt festgelegt, welche Tätigkeiten sie nicht ausüben darf und es wurde eine Prognose gestellt, ab wann die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sein wird. Die Wiedereingliederung soll über 4 Wochen erfolgen. Soweit so gut.
Und nun kommts: Unser Betriebsarzt ist der Meinung, dass eine Wiedereingliederung unter 4 Stunden keinen Sinn machen würde und er nur eine Wiedereingliederung mit 4 Stunden befürworten würde, alles andere würde organisatorisch keinen Sinn machen. Mein Hinweis, dass die Kollegin während der Wiedereingliederung de facto noch krankgeschrieben ist und weiterhin Krankengeld erhält sowie der Hinweis, dass es sich um eine schwerbehinderte Kollegin handelt und sie einen Anspruch darauf hat, fruchtete nicht. Auch machte es wenig Sinn ihn darauf hinzuweisen, dass die Kollegin von Haus aus nur 6 Stunden arbeitet, stimmte ihn nicht um. Was kann ich noch an Argumenten vorbringen> Das Problem ist, dass die Wiedereingliederung nach Pfingsten erfolgen soll und diese Wiedereingliederungsphase gleichzeitig auch eine Testphase dafür wäre, ob das neue Aufgabengebiet, das sich unser Integrationsteam zusammen mit dem Integrationsfachdienst "ausgeguckt" hat,ihr zukünftig zugewiesen werden kann (Kolegin wird dauerhaft die Tätigkeit einer Krankenschwester nicht mehr ausüben können!) Es bestünde dann die Möglichkeit die Kollegin mit einer sog. Mischtätigkeit ohne köprerlichen Einsatz weiterzubeschäftigen. Wenn der Betriebsarzt aber die Wiedereingliederung ausblockt, kommen wir in terminliche und organisatorische Probleme, da bereits Umorganisationen im Pflegedienst stattfinden und Stellen umverteilt werden. SWenn das abgeschlossen ist werden wir uns schwer tun, an der Organisation was zu ändern. Vielleicht hat ja einer von Euch einen TIPP wie wir das trotz Widerstand in trockene Tücher bringen können.
In der Hoffnung auf eine schnelle Antwort
Gruß Andrea

Ablehnung durch Betriebsarzt u. Abteilungsleitung

hackenberger, Monday, 10.05.2010, 18:10 (vor 5128 Tagen) @ Apanatshi

Hallo Andrea,

maßgeblich ist, so sehe ich es hier die Aussage des behandelnden Arztes. Ggf. sollten sich die beiden Ärzte hier einmal unterhalten. Auch der Integrationsfachdienst könnte vermitteln.

Betreffend einer möglichen Kündigung wegen Krankheit und dem grundsätzlichen Anspruch auf BEM und zwar ein vollständiges BEM, bei welchem der AG alles ihm zumutbare unternehmen muss, verweise ich auf folgendes [link=http://datenbank.jurion.de/>s%3Aq=9+Sa+699%2F08]Urteil[/link], es gibt aber mehrer zu diesem Thema. Die Grenzen der Zumutbarkeit betreffend des AG sind hier sehr weitgefasst. Bei Schwerbehinderten bestehen weiter, wie Du ja auch schon richtig angeführt hast die Ansprüche aus § 81 Abs. 4 SGB IX.

Die Betroffene sollte sich nur bereiterklären alle angebotenen Maßnahmen, sofern der behandelnde Arzt keine Einwände hat anzunehmen. Ihr Ziel sei die vollschichtige Rückkehr in den Beruf im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten.

Also, einfach alle auf die geltende Rechtssprechung auch des BAG hinweisen.

Ablehnung der Stufenweisen Wiedereingliederung

Doris, Monday, 10.05.2010, 18:23 (vor 5128 Tagen) @ Apanatshi

» Unser Betriebsarzt ist der Meinung, dass eine Wiedereingliederung unter 4 Stunden keinen Sinn machen würde und er nur eine Wiedereingliederung mit 4 Stunden befürworten würde, alles andere würde organisatorisch keinen Sinn machen.

Hallo Andrea,

ein Arbeitgeber ist generell zur Durchführung einer ihm zumutbaren Wiedereingliederung verpflichtet, sofern der Arbeitnehmer ihm eine ärztliche Bescheinigung über Art und Weise sowie Umfang der Maßnahme vorlegt.

Die Wiedereingliederung ist nicht auf Arbeitsleistung gerichtet, sondern nach neuester Fachliteratur auf eine Betätigung mit "therapeutischem Ziel". Sie hat also den Charakter einer "therapeutischen Maßnahme".

Die Wiedereingliederung ist demnach eine Art Reha-Maßnahme im Betrieb nach Auffassung des [link=http://www.einfach-teilhaben.de/cln_164/DE/StdS/Ausb_Arbeit/ArbPl_sichern/Wiedereingliedern/wiedereingliedern_inhalt.html>nn=277242]BMAS[/link] und wird als Leistung der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung gewährt. Schon von daher kommt es m.E. nicht darauf an, ob sie "organisatorisch keinen Sinn" macht (was immer mit dieser pauschalen Aussage gemeint sein soll), sondern vielmehr darauf, ob diese Maßnahme dem Arbeitgeber zumutbar ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Das hohe Gut der Gesundheit erlaubt es grundsätzlich nicht, vom behandelnden Arzt verordnete therapeutische Maßnahmen (wie hier der Stufenweisen Wiedereingliederung) wegen einfacher betrieblicher Belange abzulehnen.
www.iqpr.de

"Die Zeit der Wiedereingliederung kann dabei zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten variieren, wobei die einzelnen Intervalle bei einer täglichen Arbeitszeit von einer Stunde beginnen und beim Erreichen einer vollschichtigen (z.B. 8- oder 12-stündigen) Tätigkeit enden können."
www.bar-frankfurt.de

"Die einzelnen Intervalle können bei einer täglichen Arbeitszeit von einer Stunde beginnen und beim Erreichen einer vollschichtigen (z. B. 8- oder 12-stündigen) Tätigkeit enden."
Knittel, SGB IX, § 28 Randnummer 35

Auch Verdi und beispielsweise die Firma Zeiss sehen das so, dass eine Stufenweise Wiedereingliederung beginnend mit "3 Stunden pro Tag" grundsätzlich möglich, praktikabel und erfolgversprechend ist.

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Viele Grüße
Doris

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