Unkündbarkeit (Kündigung)

Sabine, Berlin, Thursday, 21.04.2005, 08:12 (vor 6954 Tagen)

Hallo Zusammen,

ich wende mich heute nochmals an dieses Forum, weil mir zugetragen wurde, dass eine Mitarbeiterin gekündigt werden soll, bei der eine Schwerbehinderung noch nicht festgestellt ist. Der Antrag liegt aber beim Versorgungsamt.

Diese Mitarbeiterin ist am 01.05.2005 15 Jahren im Betrieb. Besteht bei einer 15-jährigen Betriebszugehörigkeit eine Unkündbarkeit>
Der AG will noch diesen Monat die Kündigung aussprechen, damit die 15-Jahresfrist nicht überschritten wird.

Ich muß heute mit der MAV über diesen Antrag eine Entscheidung treffen, daher bitte ich um eure Antworten.

Vielen lieben Dank im Voraus.

Sabine

Unkündbarkeit

hackenberger, Thursday, 21.04.2005, 08:55 (vor 6954 Tagen) @ Sabine

Hallo Sabine,

ob auf Grund der langen Betriebszugehörigkeit eine Unkündbarkeit vorliegt, dass müßte sich aus dem ArbV oder dem TV ergeben.

Sofern der Antrag auf Feststellung der behinderung Aussicht auf Erfolg, also GdB mind. 50 ergibt, könntest Du Kontakt mit dem versorgungsamt aufnehmen und diese bitten den Antrag vorrangig zu behandelt, damit der besondere Kündigungschutz noch zum tragen kommt. Sofern die kündigung mnit der Behinderung im Zusammenhang steht, könnte dieses ggf. den SB des Versorgungsamtes motivieren deiner Bitte nachzukommen.

Weiter wäre es ratsam, sofort auch einen Antrag auf gleichstellung bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Grund: Sollte nur ein GdB von mind. 30 aber weniger wie 50 zuerkannt werden und Gründe für eine Gleichstellung gegeben sein, so würde dem Antrag rückwirkend ab Antragsdaum stattgegeben (Antrag sollte daher sofort telefonisch gestellte werden (Datrum /Uhrzeit)). Der AG hätte dann Probleme wenn er nicht beim Integrationsamt einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gestellt hätte.

Weiter, sofern der/die MA wegen Krankheit gekündigt werden soll und hier die 6 Wochen Frist(en) des § 84 (2) SGB IX erfüllt sein, der AG aber das Widereingliederungsmanagent nicht angeboten hat, ist eine Anfechtung der Kündigung auch sehr aussichtsreich. Also der MA dürfte sehr gute Chancen bei einer Kündigungsschutzklage haben.

Unkündbarkeit

Sabine, Thursday, 21.04.2005, 10:58 (vor 6954 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

der AG hat das Integrationsamt um Zustimmung gebeten und es wurde auch ein Wiedereingliederungsmanagment einberufen. Dieses Managment hat ergeben, dass die Mitarbeiterin nicht weiter zu beschäftigen ist. Ich habe kürzlich dazu schon eine Frage hier im Forum gestellt.
Gestern kam aber der Personalleiter zu mir und informierte mich darüber, dass der Mitarbeiterin noch bis Ende April die Kündigung zugestellt werden muß, damit sie nicht 15 Jahre Betriebszugehörig ist.

Das Integrationsamt will jetzt von der MAV und von mir eine Stellungnahme zu diesem Sachverhalt haben. Ich bin jetzt am zweifeln, ob es sozial und menschlich vertretbar ist, der Mitarbeiterin so kurz vor dem 15-jährigen zu kündigen.

MfG
Sabine

Unkündbarkeit

hackenberger, Thursday, 21.04.2005, 20:16 (vor 6954 Tagen) @ Sabine

Hallo Sabine,

sofern eine weitere Beschäftigung, es ist dem AG ggf. durchaus zuzumuten, dass er kleinere org. Maßnahmen vornimit wenn dadurch eine Weiterbeschäftigung möglich ist, möglich ist, kann man nur noch die Zeitkarten spielen, ggf. auch in Absprache mit dem Integrationsamt. Also alle gesetzlich mögliche Fristen zur Beantwortnung nutzen.

Aber es gehört auch "leider" zu unsern Aufgaben negative Dinge mitzutragen.

Doch sollte es die Koll. sein welche zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten abgelehnt hat, würde ich die ganze Sache unter anderen Gesichtspunkten sehen. SchwbV sollten und müssen sich mit aller Kraft für ihre Klientel einsetzen, aber wir sollten auch glaubhaft bleiben, wenn Koll. nicht "mitarbeiten".

Unkündbarkeit

Sabine, Berlin, Friday, 22.04.2005, 08:21 (vor 6953 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

vielen Dank für deine Antwort.

Der AG hat sich für die Koll. eingesetzt und sie hat alle Vorschläge ausgeschlagen. Da ich wirklich das Gefühl habe, sie will nur ihren Kopf durchsetzen und dem AG nicht entgegenkommen, habe ich der Kündigung zugestimmt. Wem werden in der heutigen Zeit noch 3 andere Arbeitsplätze angeboten>

Ich finde es toll, dass es dieses Forum gibt. Macht weiter so und nochmals vielen Dank.

Sabine

Unkündbarkeit

Frank Peters @, Bremen, Tuesday, 26.04.2005, 09:41 (vor 6949 Tagen) @ Sabine

» Hallo Sabine,
wir als Vertrauensperson für Menschen mit Behinderungen sollten
nie einer Kündigung zustimmen. Wir haben da andere Möglichkeiten, um nicht
offiziel als Vollstrecker aufzutreten. Sollte hier die MA nachträglich die
Anerkennung über das zuständige Integrationsamt erreichen, dann obliegt es
alleine dem Integrationsamt dieses zu entscheiden.
Bei einer Kündigungsschutzklage (diese wird die gekündigte hoffentlich auch
machen) wird dieses dann Untersucht. Es sieht dann immer sehr Unglücklich
aus wenn die MAV der Kündigung zugestimmt hat. Schon alleine wegen der
Betriebszugehörigkeit gibt es hier einen besonderen Kündigungsschutz, was
die Fristen betrifft. Sollte die gekündigte MA dann die Anerkennung
bekommen gibt es wieder besondere Kündigungsfristen die automatisch dann
dazu führen werden das die MA ihre 15 Jahre Betriebszugehörigkeit erreicht.
Für mich ist leider aus deinem Anliegen nicht weiter ersichtlich was in dem
Zusammenhang unter dem SGB IX § 84 "Prävention" gelaufen ist. Denn seit dem
Juli 2004 fällt hier jeder MA (Beschäftigte) drunter.

Mit freundlichen Grüssen


Frank Peters

Unkündbarkeit

hackenberger, Thursday, 28.04.2005, 19:56 (vor 6947 Tagen) @ Frank Peters

Hallo Frank,

Ich kann deine hier gemachten Aussagen so nicht teilen. Gerade wir, die SchwbV sollten und müssen auch einmal JA zu einer Kündigung sagen, sofern die Kündigung keine behinderten bedingten Ursachen/Gründe hat und sie auf Grund der Sache/Gegebenheiten nachvollziehbar ist. Diese betrifft auch sofern berechtigt andere negative arbeitsrechtliche Entscheidungen.

Es geht auch hier darum, bei AG teils bestehende Vorurteile gegen die Beschäftigung Schwerbehinderter abzubauen und um unsere Glaubhaftigkeit. Weiter aber auch darum, dass die Gesamtheit der Schwerbehinderten nicht in ein schiefes Licht gerückt wird.

In diesem Falle liegen so hat es den Eindruck, keine behinderten bedingten Gründe für die Kündigung vor. Der AG hat eine Widereingliederung versucht und hat mehrere angemessene Arbeitsplatzangebote gemacht.

Die Betroffene will aber offensichtlich nicht!

Dass sie schon so lange im Betrieb beschäftigt ist, ist hier dann auch kein Grund sich anders zu verhalten. Ich denke diese lange Betriebszugehörigkeit und dass was sie mit ihrem Verhalten aufs Spiel setzt, sollte ihr bekannt sein.

Ja, es ist so, dass sofern die MA-Vertretung einer Kündigung zustimmt die Chancen im Rahmen einer Kündigungsschutzklage ggf. zumindest noch eine Abfindung zu erhalten sich wesentlich verschlechtern. Dieses kann ich im oben erwähnten Fällen aber auch so mittragen. Das hier dann vom AG eingesparte Geld fordere ich dann vom AG lieber für Leistungen zur Beschäftigungssicherung von Schwerbehinderten.

In bin gerade auf der Rückfahrt von einer Tagung zum Thema „Beschäftigungssicherung/ Eingliederung Schwerbehinderter“ aus Erfurt. Auf dieser Tagung hat auch die Vertrauensperson der Schwerbehinderten beim HR, er ist als VPSchwb sehr anerkannt und auf Tagungen daher auch stets als Gesprächspartner gerne gesehen, die gleiche Meinung vertreten.

Ein dort mehrfach von verschiedenen Seiten gefallenes Motto lautet: Menschen werden wegen ihrer Befähigung einen angebotenen Arbeitplatz ausfüllen zu können beschäftigt. Eine vorliegende Behinderung sollte hier daher dann keine Rolle spielen. Eine Beschäftigung Schwerbehinderter sollte keine „soziale Leistung“ sein! Der sollte sich bei einer Bewerbung/Einstellung die Frage nach einer Behinderung eigentlich erübrigen.

Diesem kann ich mich nur anschließen. Denn so haben wir die Chancen möglichst viele Behindert/Schwerbehinderte in eine dauerhafte Beschäftigung zu bringen.

Selbstverständlich stehe ich auch weiter für die Tatsache: Dass bei gleicher/vergleichbarer Eignung der Behindert/Schwerbehinderte den Vorrang haben sollte/muss!!

Dazu können und müssen wir aber auch mit unserm verhalten als SchwbV beitragen.

Es gibt eben in unserer Mandatstätigkeit nicht nur angenehme Entscheidungen die wir treffen bzw. zu denen wir stehen „Farbe bekennen“ müssen. Wenn uns diese auch ganz bestimmt lieber sind und uns auch leichter fallen.

Unkündbarkeit

Hans-Peter Semmler @, Friday, 29.04.2005, 08:18 (vor 6946 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,
auch ein paar Anmerkungen von mir dazu:

» Gerade wir, die
» SchwbV sollten und müssen auch einmal JA zu einer Kündigung sagen, sofern
» die Kündigung keine behinderten bedingten Ursachen/Gründe hat und sie auf
» Grund der Sache/Gegebenheiten nachvollziehbar ist.

Kündigen tut der Arbeitgeber. Unsere Aufgabe ist es darauf zu achten, dass es mit "rechten" Dingen zugeht. Das heißt, die Betroffene nicht benachteiligt wird.
Wenn ich nun schon nichts finde um die K. zu verhindern, dann stimme ich "schweigend" zu.
Warum> Ich bin kein Richter, der über die Rechtmäßigkeit einer K. zu urteilen hat. Ich bin der "Anwalt" bzw. die Vertrauensperson der Kollegin und somit bin ich auf ihrer Seite.

» Es geht auch hier darum, bei AG teils bestehende Vorurteile gegen die
» Beschäftigung Schwerbehinderter abzubauen und um unsere Glaubhaftigkeit.
» Weiter aber auch darum, dass die Gesamtheit der Schwerbehinderten nicht in
» ein schiefes Licht gerückt wird.

AG werden immer Vorurteile gegen Behinderte haben, wenn diese nicht 100% Leistung bringen bzw. durch ihr Verhalten (manchmal sogar das Aussehen) den Betriebsablauf "stören". Leider ist dies schwer beweisbar.:-(
»
» In diesem Falle liegen so hat es den Eindruck, keine behinderten bedingten
» Gründe für die Kündigung vor. Der AG hat eine Widereingliederung versucht
» und hat mehrere angemessene Arbeitsplatzangebote gemacht.

Dies aus der Ferne zu beurteilen - schwierig - oder>

» Das hier dann vom AG eingesparte Geld fordere ich dann vom AG lieber für
» Leistungen zur Beschäftigungssicherung von Schwerbehinderten.

Schafft du das>

» Es gibt eben in unserer Mandatstätigkeit nicht nur angenehme
» Entscheidungen die wir treffen bzw. zu denen wir stehen „Farbe bekennen“
» müssen. Wenn uns diese auch ganz bestimmt lieber sind und uns auch
» leichter fallen.

Da gebe ich dir vollkommen recht. Meine Entscheidung in diesem Fall wäre allerdings eine andere. Ich würde der Kolln. zu verstehen gaben, dass meine Möglichkeiten zur Hilfe ausgeschöpft sind.
Aber Zustimmung zur Kündigung - Nie!

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