Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung (Antragstellung / Widerspruch)

Simone Hofmann, Tuesday, 28.09.2010, 10:04 (vor 4982 Tagen)

Hallo zusammen!

Ich hatte gestern ein Gespräch bei dem es mit einem Schwb-Mitarbeiter um einen Neuantrag zur Gleichstellung ging und plötzlich nahm das Gespräch eine ganz andere Richtung an.

Kurze Situationsbeschreibung:
Mein Kollege hat 1997 einen GdB von 30% aufgrund entzündlich-rheumatischer Erkrankung der Wirbelsäule zugesprochen bekommen und darauf hin auch eine Gleichstellung die bis 31.12.2010 läuft.

Nun läuft die Gleichstellung aus und wir wollten einen neuen Antrag stellen.
Wir hatten im Vorferld auch mal über einen verschlechterungsantrag gesprochen, wollten aber jetzt erst mal die Gleichstellung neu beantragen und uns dann an den Verschlechterungsantrag machen.

Jetzt hat mir der Kollege gestern im Vertrauen gesagt, dass er seit 8 Monaten eine Therapie wegen Alkoholkrankheit durchführt und diese noch weitere 10 Monate läuft.

Meine Fragen:

Zur Gleichstellung:
Müssen wir jetzt einen komplett neuen Antrag stellen wenn die Befristung ausläuft oder gibt es einen anderen Weg, da sich am Arbeitsplatz, der Arbeitsplatzsituation und den Aufgaben seit 1997 eigentlich rein gar nichts verändert hat!>

Zum Antrag GdB:
Hat ein neuen Antrag Aussicht darauf einen höheren GdB zu erreichen wenn die Alkoholkrankheit zusätzlich hinzugekommen ist>
Müssen wir einen neuen Antrag stellen oder einen Verschlechterungsantrag>
Sollte ich das Integrationsamt oder den IFD mit einschalten (sofern der Koll. das möchte).

Möchte den Kollegen bei diesem doch sehr brisanten Thema nicht falsch beraten. Die ganze Geschichte hat mich gestern schon sehr mitgenommen und ich bin jetzt im Moment noch zu sehr durch den Wind um wirklich klar denken zu können.

Für Eure Bemühungen schon mal vielen Dank im Voraus!

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

hackenberger, Tuesday, 28.09.2010, 13:45 (vor 4982 Tagen) @ Simone Hofmann

Hallo Simone,

betreffend Gleichstellung lese doch bitte einmal den Beitrag [link=http://www.schwbv.de/forum/board_entry.php>id=11146#p11147]hier[/link]!

Alkoholkrankheiten bzw. die Folgen hieraus werden i.d.R. erst nach Abschluss einer Entzugsmaßnahme beachtet/ bewertet. Denn erst dann kann man ja abschließend feststellen sind gesundheitliche Einschränkungen gegeben, da man ja von einer Heilung/Besserung bei solchen Maßnahmen ausgeht.

Sich bei solchen Themen/ Fragen mit dem IA/IfD in Verbindung zu setzen kann nie falsch sein. Aber, entweder neutral oder nach vorheriger Absprache mit dem Betroffenen.

Also, betreffend der Fragen zur Gleichstellung setze dich doch einfach mit dem zuständigen SB der Agentur für Arbeit in Verbindung, dieser berät dann gerne.

Ob letztlich ein höherer GdB herauskommt, kann nur das Versorgungsamt nach Aktenkenntnis sagen.

Du kannst auch parallel einen Antrag auf Neufestsetzung oder auch einen Antrag auf Anerkennung bisher nicht anerkannter gesundheitlichen Einschränkungen stellen. Auch hier ggf. vorher einfach einmal ein Gespräch mit dem zuständigen SB des VA.

Solche persönliche Gerspäche mit den für den Betrieb zuständigen SB der jeweils zuständigen Ämter rate ich allen SchwbV. Denn wenn man sich einmal persönlich kennengelernt hat, kann man auch später telefonisch sich besser austauschen.

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

albarracin, Baden-Württemberg, Wednesday, 29.09.2010, 11:24 (vor 4981 Tagen) @ hackenberger

Hallo Bernhard,

leider muß ich Dir hier widersprechen:
» Alkoholkrankheiten bzw. die Folgen hieraus werden i.d.R. erst nach
» Abschluss einer Entzugsmaßnahme beachtet/ bewertet. Denn erst dann kann
» man ja abschließend feststellen sind gesundheitliche Einschränkungen
» gegeben, da man ja von einer Heilung/Besserung bei solchen Maßnahmen
» ausgeht.
Alkoholkrankheiten sind bereits bewertbar bei einer gesicherten ärztlichen Diagnose der Abhängigkeit.
Nach erfolgreichem Abschluss einer Abstinenztherapie wird der GdB nämlich bereits wieder abgesenkt.
Dies geht m. E. sowohl aus der alten wie der neuen Fassung des B 3.8 der VersMedV klar hervor.
[link=http://]http://www.gesetze-im-internet.de/versmedv/anlage_8.html[/link]
Selbst wenn keine Erhöhung des Gesamt-GdBs in Aussicht stünde, wäre ein Erhöhungsantrag wichtig, damit die daraus folgenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen "behinderungsbedingt" sind und die Zuständigkeit der SBV begründen könnten.
»

» Also, betreffend der Fragen zur Gleichstellung setze dich doch einfach mit
» dem zuständigen SB der Agentur für Arbeit in Verbindung, dieser berät dann
» gerne.
Na, ja, die Qualität dieser Beratung ist auch sehr unterschiedlich. Hier wäre auch der Grund der Befristung der Gleichstellung interessant. Denn eigentlich sind zeitliche Befristungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Es wäre nicht das erste Mal, daß eine solche Befristung von vorneherein unzulässig war. Dann würde der Bescheid automatisch unbefristet weitergelten.

Bei einer 1997 ausgesprochenen Befristung, die bis Ende 2010 läuft, würde ich Rechtswidrigkeit sehr stark vermuten, da der Hauptgrund für eine Befristung der GS, nämlich die Befristung des GdB-Bescheides, hier eigentlich nicht mehr gegeben sein könnte.
Es wäre interessant, wenn Du hier ein paar Fakten mehr liefern könntest.

--
&Tschüß

Wolfgang

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

hackenberger, Wednesday, 29.09.2010, 15:13 (vor 4981 Tagen) @ Simone Hofmann

Hallo zusammen!

also, ich muss zugestehen, was aber kein Problem ist, dass meine Antwort hier nicht ganz optimal war. Dieses lag u.a. daran, dass ich mit Alkohol-/ Suchterkrankungen noch nie etwas zu tun hatte und dass meine Infos aus einer Veranstaltung von vor langer Zeit stammen. Was aber auch für mich schlimmer ist, ist die Tatsache, dass ich meine eigenen Ratschläge in den gesetzlichen Regelungen einfach einmal nachzuschlagen; hier den Versorgungsmedizinischen Grundsaetzen, diesen Fall betreffend Pkt. 3.8 befolgt habe. Denn dort hätte man es klar und verständlich lesen können. :-(

Da ich heute bei einer Tagung des VdK war, bei welcher auch Vertreter der für uns hier wichtigen Ämter, IA, Agentur für Arbeit und VA waren, habe ich die Gelegenheit genutzt, dieses Thema einmal dort mit diesen zu besprechen und mir Aufklärung zu holen.

Folgende Aussagen habe ich erhalten:

Vom Vertreter der Agentur für Arbeit zum Thema Gleichstellung:
Es gibt KEINE rechtliche Regelung / Grundlage, dass Altbescheide, also befristete oder auf einen AG bezogene Gleichstellungen ohne Prüfung in neues Recht überführt werden. Bedeutet, bei entsprechenden Anträgen kann die zuständige Agentur für Arbeit erneut prüfen, ob die rechtlichen Vorrausetzungen für eine Zuerkennung einer Gleichstellung vorliegen, mit dem sich hieraus ergebenen offenen Ausgang.

Vom Vertreter des VA zum Thema Suchterkrankung und GdB:
Sofern eine chronische Alkoholerkrankung von mindestens 6 Monaten, mit Kontrollverlust und erheblicher Einschränkung der Willensfreiheit, vorliegt und ärztlich bestätigt wurde wird ein GdB von 50 zuerkannt. Dieses bei lfd. Maßnahmen wie Entziehungsbehandlung zu mindest für die Dauer dieser Maßnahmen bzw. zusätzlich für einen kurzen Zeitraum nach Abschluss dieser Maßnahmen. Also Heilungsbewährung, da man ja grundsätzlich von einer Besserung ausgeht. Danach erfolgt eine Neubewertung und ein GdB von 30 mit einer Heilungsbewährung von 2 Jahren, da man ja von einem positiven Verlauf, also Erfolg der Maßnahme ausgeht. Anders kann es aussehen, wenn bei bestätigter chronischer Alkoholerkrankung keine Therapie ansteht, weil z.B. schon mehrere ergebnislos bzw. ohne dauerhafte Besserung verlaufen sind.

Aber, die sich aus der Alkoholerkrankung ergebenen zusätzlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie z.B. Leberleiden werden zusätzlich bewertet und die entsprechende GdB zuerkannt bzw. bei der Bildung des Gesamt-GdB entsprechend berücksichtigt.

Betreffend der Behandlung bereits zuerkannter GdB bei Anträgen auf Neufestsetzung oder Verschlimmerungsanträgen (Anträge auf Anerkennung bisher noch nicht anerkannter Behinderungen) betrachtet das VA i.d.R. die Gesamtakte, also auch die alten Bescheide. Denn so die Begründung, es muss ja geprüft werden ob hier ein Zusammenhang besteht der sich in der Bildung des Gesamt-GdB auswirken kann. Somit ist hier der Ausgang offen, es kann dann auch zu einem niedrigeren GdB führen, was es auch schon gegeben hätte.

Weiter bekam ich aber auch folgenden Hinweis:
Es können auch Überprüfungen von bestehenden Bescheiden von Amtswegen erfolgen, also ohne dass diese mit einer Heilungsbewährung versehen sind oder Neuanträge vorliegen.
Es gibt aber eine interne Anweisung, dass Bescheide mit einem GdB < 50 i.d.R. nicht von Amt überprüft werden. Gleiches gilt für Bescheide von =/> 50 sofern die Betroffenen in Rente sind, also nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wird aber eine Akte aus welchen Gründen auch immer in den anderen Fällen geöffnet, kann eine Prüfung erfolgen, dann mit offenem Ausgang.

Ich habe allen Ämtervertretern vorgeschlagen, dass es doch sehr hilfreich sei, und auch Ihnen Arbeit, Nachfragen von Betroffenen, SBVn oder auch Widersprüche ersparen könnte, wenn es kleine Broschüren/ Checklisten zu diesen Themen geben würde. Alle waren davon sehr angetan und stimmten mir zu und versprachen diese Anregung mitzunehmen und in ihren Ämtern/ Behörden weiter zu geben. Also hoffen wir auf Umsetzung.

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

albarracin, Baden-Württemberg, Thursday, 30.09.2010, 12:51 (vor 4980 Tagen) @ hackenberger

» Hallo zusammen!

Hallo Bernhard,

» Folgende Aussagen habe ich erhalten:
»
» Vom Vertreter der Agentur für Arbeit zum Thema Gleichstellung:
» Es gibt KEINE rechtliche Regelung / Grundlage, dass Altbescheide, also
» befristete oder auf einen AG bezogene Gleichstellungen ohne Prüfung in
» neues Recht überführt werden. Bedeutet, bei entsprechenden Anträgen kann
» die zuständige Agentur für Arbeit erneut prüfen, ob die rechtlichen
» Vorrausetzungen für eine Zuerkennung einer Gleichstellung vorliegen, mit
» dem sich hieraus ergebenen offenen Ausgang.

Das habe ich befürchtet, daß Du so eine Antwort bekommst. Sie ist aber in dieser Undifferenziert schlicht und ergreifend falsch.
Je nachdem, ob die Befristung von vorneherein schon 1997 rechtswidrig war oder aber vielleicht durch Rechtsprechung im Laufe der Zeit rechtswidrig wurde, hat eine Sozialbehörde verschiedene Möglichkeiten, einen rechtskräftig gewordenen ganz oder teilweise rechtswidrigen Verwaltungsakt abzuändern, ohne daß es dabei eine neue Prüfung des Sachverhaltes gibt. Z. T. gibt es darauf einen einklagbaren Rechtsanspruch des Betroffenen. Diese Möglichkeiten finden sich für alle Bereiche des SGB im SGB X in den §§ 39 - 51.

Im Ausgangsfall spricht viel dafür, daß hier eine Umdeutung gem. § 43 nötig wäre in Bezug auf die Befristung.
Denkbar wäre aber auch eine Teilrücknahme gem. § 44 Abs. 2.
Ist die Befristung erst im Laufe des Bescheides rechtswidrig geworden,wäre auch eine Teilaufhebung gem. § 48 Abs. 1 und 2 denkbar.
Alle diese Maßnahmen beinhalten zwingend, daß nur die Rechtmäßigkeit der Befristung geprüft wird, nicht aber die Gleichstellung als solche. De jeweiligen Behörde ist es sogar ausdrücklich untersagt, in diesem Verfahren weitere (nicht angefochtene) Sachverhalte zu prüfen.
Liegen die Vorraussetzungen für eine der Maßnahmen vor, besteht darauf ein einklagbarer Rechtsanspruch.

M. E. wäre es im Ausgangsfall sehr sinnvoll, daß ein Fachanwalt diese formalen Dinge eingehend prüft.

Natürlich muß das eine SBV nicht im Detail wissen. Ich weiss das auch nur, weil ich es mal studiert habe.
Für die Beratung ist es aber evtl. nicht unwichtig, zu wissen, daß es grundsätzlich Möglichkeiten gibt, rechtswidrige unanfechtbar gewordene Bescheide angreifen zu können, ohne jedes Mal ein komplett neues Antragsverfahren durchstehen zu müssen. Dann kann man nämlich die Betroffenen zu den entsprechenden Fachmenschen verweisen.

--
&Tschüß

Wolfgang

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

Simone Hofmann, Friday, 01.10.2010, 11:00 (vor 4979 Tagen) @ albarracin

» » »
» Hallo Bernhard, Hallo albarracin!
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Hallo Bernhard, Hallo albarracin!

Vielen Dank erst mal für die zahlreichen Infos!

Zu wissen, dass die Alkoholkrankheit schon während der Erkrankung (wenn eine entsprechend ärztliche Diagnose vorliegt) schon anerkannt werden kann ist für meinen Fall sehr hilfreich! Vielen Dank hierfür - wir werden uns schnellstmöglich an den Verschlechterungsantrag machen, denn die ärztliche Diagnose liegt vor und der Kollege befindet sich schon seit 8 Monaten in Therapie (derzeit noch ambulant).

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Zum Gleichstellungsantrag:

Im damaligen Anschreiben zur Gleichstellung steht folgendes:

Auf Antrag ...... blablabla.... werden sie gem. § 2 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter (SchwbG) einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

Die Gleichstellung wird befristet bis 31.12.2010.

Begründung:
Die Gleichstellung ist zur Erhaltung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes notwendig.

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Inwieweit seht ihr hier Möglichkeiten die Gleichstellung ohne neuen Antrag zu unbefristet zu erhalten>

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

hackenberger, Friday, 01.10.2010, 11:14 (vor 4979 Tagen) @ Simone Hofmann

Hallo Simone,

es bedarf ja erst einmal keiner Gleichstellung mehr, da ja erst einmal ein GdB von mind. 50 zuerkannt werden müsste.

Sofern die Arbeitsverwahltung erkennt, dass ein GdB von 50 zuerkannt wird/ werden müsste wird sie auch, weil dann kein Bedarf und bei GdB 50 auch kein Rechtsanspruch besteht einen Antrag auf Gleichstellung mit diesen Hinweisen ablehnen.

Wichtig wäre halt zu sehen, gibt es Heilungsbewähung> Wenn ja dann einen Merker setzen auf 1/4 Jahr vor Ablauf um dann ggf. rechtzeitig weiters zu unternehmen.

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

Simone Hofmann, Friday, 01.10.2010, 11:27 (vor 4979 Tagen) @ hackenberger

Hallo nochmal!

soll ich dann einen verschlechterungsantrag stellen oder besser einen Antrag auf Neufeststellung>

Der Gesundheitszustand hat sich zwar bezogen auf die rheumatische Erkrankung verschlechtert aber die Alkoholerkrankung ist ja dazu gekommen, hat aber mit der rhematischen Erkrankung ja nix zu tun!>

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

hackenberger, Friday, 01.10.2010, 11:33 (vor 4979 Tagen) @ Simone Hofmann

Hallo Simone!

die einfachste Antwort hier lautet: Ruf das VA an und bespreche dieses mit diesem. Die sagen Dir dann gerne den besten Weg.

Antrag bei Alkoholkrankheit und bereits bestehender Behinderung

Simone Hofmann, Friday, 01.10.2010, 11:34 (vor 4979 Tagen) @ Simone Hofmann

»
» soll ich dann einen verschlechterungsantrag stellen oder besser einen
» Antrag auf Neufeststellung>
»

ach... hab gerade gesehen, das geht in Bayern ja beides mit einem Formblatt!
Also, dann werd ich mich da gleich mal dran machen!
VIELEN DANK NOCHMAL FÜR DIE VIELEN INFOS!!!

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